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Neues von der „Zigaretten-Lady“: Betonsockel stehen – jetzt sollen Stadtverordnete eingefangen werden

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Die Kreisstadt diskutiert: Überlebensgroße Fotos einer „Zigaretten-Lady“ sollen in ganz Hofheim für das Stadtmuseum Werbung machen – die ersten Betonsockel (Foto oben) wurden bereits errichtet. Unser Bericht über die wunderliche Aktion hat viele Bürgerinnen und Bürger aufgeschreckt. Daraufhin hat der Magistrat umgehend ein zweiseitiges Schreiben an die Stadtverordneten verschickt: Er entschuldigt sich langatmig und lädt zu einer „exklusiven Veranstaltung“ ein. Die Lokalpolitiker sollen offenbar wohlgestimmt werden.

Hanna Bekker vom Rath wurde 1893 in Frankfurt geboren und starb 1983 in Bad Nauheim. Die meisten Jahre ihre Lebens wirkte sie als Künstlerin im „Blauen Haus“ in Hofheim. Jetzt, über 40 Jahre nach ihrem Tod, soll sie dabei helfen, das Stadtmuseum bekannter zu machen:

Überlebensgroße Fotos von ihr sollen im ganzen Stadtgebiet aufgestellt werden. Doch das Vorhaben sorgt schon vor dem Start für mächtig Verwirrung und großes Unverständnis, sodass ein Erfolg kaum noch denkbar scheint.

Vier Ärgernisse haben die Stadtgesellschaft in Aufregung versetzt:

Ärgernis 1: Hanna wer? Die Frau war eine großartige Künstlerin, das ist völlig unstrittig. Aber außerhalb einer überschaubaren Gruppe von Kunstinteressierten dürfte kaum jemand ihren Namen, geschweige denn ihre Werke kennen. Und nun soll sie als überlebensgroße Werbefigur die Menschen ins Stadtmuseum locken? Ist ein solcher Plan nicht einfach nur blauäugig und naiv?

Ärgernis 2: Die Frau wird mit einer Fluppe in der Hand gezeigt. Das mag seinerzeit schick gewesen sein. Aber will man ein solches Bild heutzutage gleich mehrfach in der Stadt groß ausgestellt sehen? Es scheint, als hätten die Verantwortlichen nicht darüber nachgedacht. So haben sie völlig übersehen, dass das Bild einer Raucherin unweigerlich unschöne Assoziationen weckt:

„Rauchen kann zu Durchblutungsstörungen führen und Impotenz verursachen“ steht auf Zigarettenpackungen. Oder: „Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen“.

Schon sehr unangenehm, mit solchen Gedanken überall in der Kreisstadt konfrontiert zu werden…

Hanna Becker Sparkasse
Überlebensgroß: In der Sparkasse am Kellereiplatz ist eine der Hanna-Bekker-Stelen bereits zu sehen.

Ärgernis Nr. 3: Der Magistrat hat die Aufstellung der Foto-Installationen genehmigt, ohne die städtischen Gremien zu informieren. Weder Stadtverordnete noch Ortsbeiräte wussten Bescheid. Als CDU-Bürgermeister Christian Vogt die Aktion kürzlich verkündete, waren die Reaktionen vorhersehbar. Überall Unverständnis, Entgeisterung und Ablehnung.

Zustimmung? Gar Begeisterung. Nirgends zu erkennen!

Ärgernis 4: Angeblich wurde die Aktion vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain, von der Taunus Sparkasse und dem Förderkreis des Stadtmuseums finanziert. Mit anderen Worten: Es wurde das Geld von uns Steuerzahlern, von Sparkassen-Kunden und von den Sponsoren des Stadtmuseums ausgegeben. Wir reden hier über einen mittleren fünfstelligen Betrag. So mancher stellt die Frage: Hätte man das Geld nicht sinnvoller ausgeben können, auch verantwortungsvoller?

Nur am Rande: Was sich der Magistrat „den Spaß“ kosten ließ, das wurde bisher mit keinem Wort erwähnt.

Brief an Stadtverordnete: 833 Wörter als Entschuldigung

Nach unserem Bericht verschickte der Magistrat umgehend ein zweiseitiges Schreiben an alle Stadtverordneten. Groß steht „Aktenvermerk“ obendrüber, als Absender wird „Der Magistrat“ angegeben. Der Verfasser selbst wird nicht namentlich genannt.

Die fett gesetzte Überschrift lautet: „Entschuldigung und Informationen zu dem Projekt der Hanna Bekker vom Rath-Skulpturen in den Ortstteilen.“

Magistrat Hanna Bekker Stadtverordnete
Das Schreiben des Magistrats an die Stadtverordneten. Mit einem Klick können Sie es herunterladen.

Der Text umfasst 833 Wörter. Langatmig und umständlich wird darin erklärt, warum die Lokalpolitiker „nicht im Vorfeld informiert“  und „bei der Standortwahl nicht eingebunden“ wurden. In aller Kürze:

Der Förderkreis des Stadtmuseums hat der Stadt sieben jeweils zwei Meter hohe Figuren geschenkt. Sie sind aus wetterfestem Material und zeigen das Motiv „Hanna Bekker im Pfauenthron“.

Das war die Überlegung: Vor zwei Jahren hatte man Gartenzwerge des Künstlers Ottmar Hörl auf der Museumstreppe platziert, um auf das Stadtmuseum aufmerksam zu machen. Jetzt sollte die Werbung nicht erst wirken, „wenn man bereits vor dem Gebäude steht, sondern in einem räumlich größeren Radius in allen Stadtteilen“.

1 Hanna Bekker Beton
Zwischen Marxheim und Diedenbergen steht dieser Betonsockel mit Metallgerüst: Hier soll demnächst die rauchende Hanna Bekker sitzen und Autofahrer ins Stadtmuseum locken.

Um die schweren Hanna-Bekker-Bilder im Stadtgebiet – auch in den Ortsteilen – aufstellen zu können, mussten mächtige Betonfundamente tief in die Erde gesetzt werden. Darauf wurden stabile Metallkonstruktionen verankert.

Zuvor mussten Bauanträge gestellt und Genehmigungen diverser Behörden und Ämter eingeholt werden. Alles passierte hinter dem Rücken der verantwortlichen Stadtpolitiker. Die Vorbereitungen zogen sich laut Schreiben des Magistrats über zwei Jahre hin. Und dann – uuups – „ging es plötzlich sehr schnell. Die ausführende Firma hatte vor der Ferienzeit nur noch ein kleines Zeitfenster, um die Fundamente zu errichten“.

Man hätte die Lokalpolitiker also durchaus wesentlich früher einbeziehen können, hat es aber nicht getan. Kaum denkbar, dass allein Schusseligkeit der Grund war: Den Mitgliedern des Magistrats sollten die Wege demokratischen Miteinanders eigentlich bekannt sein.

In dem aktuellen Schreiben des Magistrats steht jetzt lediglich: „So kam die zugegebenermaßen viel zu kurzfristige Information an die Ortsbeiräte zustande, für die wir uns nochmals entschuldigen.“

Nicht verraten wird in dem Papier, wie lange die Bekker-Figuren stehen bleiben sollen. Und was geschieht danach mit den Beton- und Stahlkonstruktionen: Werden sie abgerissen – oder anderweitig genutzt?

Entsprechende Überlegungen wurden in den vielen Monaten der Vorbereitung offenbar ausgeklammert und werden erst jetzt nachgeholt. In dem Magistratsschreiben heißt es verklausuliert: „Über eine mögliche Folgenutzung für ein Bewerben von z.B. besonderen Festen wie 675 Jahre Stadtrechte in 2027, Weihnachtsmärkte, Kerb, Gallusmarkt, Eiszauber oder auch das Bewerben von Stadtteilfesten oder Veranstaltungen in den Sommermonaten durch die Ortsbeiräte, finden zurzeit Gespräche mit den Förderern statt, die grundsätzlich diese Folgenutzung zum Ziel haben und eine Bereicherung für Stadt- wie Stadtteilleben darstellen werden.“

Weil die ganze Aktion inzwischen nur noch einen schlecht durchdachten und auch wirren Eindruck macht, müht man sich, die Lokalpolitik einzufangen:

In seinem Schreiben lädt der Magistrat die Stadtverordneten zu einer ausgesuchten Museumsführung ein: „Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie an dieser exklusiven Veranstaltung teilnehmen möchten.“

Exklusive Veranstaltung! Das klingt doch nett!

Wer wird danach noch über Zigarettenwerbung am Straßenrand meckern?

Hanna geht einfach …

Kleine Spielerei: Dank KI wissen wir, was Hanna von der Idee hält, auf Betonsockeln überall in Hofheim herumsitzen zu müssen. Sie mag gar nicht dran denken. Und geht. Einfach so.  😅

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6 Comments

  1. Bernd Hausmann

    Gelungen
    Die Figur soll – so der Magistrat – „auf das Stadtmuseum Hofheim aufmerksam machen.“ Das ist gelungen: Ein voller Erfolg.

    14. Juli 2025
    |Reply
  2. hebeling

    Moin,

    Hofheim wird zum perfekten Ersatz für die Lindenstrasse, die besten Drehbücher werden hier geschrieben. Etwas Büro-Büro ist auch dabei: Jetzt gibt es sogar Rundschreiben wie damals im Fernsehen bei der Lurzer-AG.

    Ach und noch etwas: Macht doch aus der Zigarette einen Joint – das ist zeitgemässer und wird akzeptiert. Immerhin sind Generationen von Jugendlichen auf Mofas hinter den Busbahnhof gepilgert, um sich Entspannung zu kaufen.

    Ich vermute aber auch Gras hinter den Ideen des Magistrats und längere Abhängigkeiten: irgendwie psychodelisch das Ganze.

    14. Juli 2025
    |Reply
  3. Zitat:
    Aber außerhalb einer überschaubaren Gruppe von Kunstinteressierten dürfte kaum jemand ihren Namen, geschweige denn ihre Werke kennen.

    Das würde ich mal bestreiten, zumindest Hofheimern mit 50+ Jahren ist die Dame sehr wohl bekannt und sie hat eine Würdigung auch verdient. Ohne Hanna Bekker vom Rath wäre Ludwig Meidner sicher nicht in den 50er Jahren nach Hofheim gekommen, womit sich der Kreis zum Stadtmuseum an Ludwig-Meidner-Platz wieder schließt.
    Ob es nun gerade dieses Bild und dieser Aufwand sein muss, lass ich mal offen.

    14. Juli 2025
    |Reply
  4. Cornelia Staab

    Ich fände eine Hanna-Bekker-Allee oder einen -Park mit Bäumen schöner.
    Oder man könnte vor jedem Stadtteil einen Hanna-Bekker-Baum (statt Betonsockel) pflanzen.

    14. Juli 2025
    |Reply
  5. Ein alter Hofheimer

    Ich habe Frau Bekker vom Rath gut gekannt. Sie war eine tolle Frau, aufgeschlossen, modern und lebenslustig. Dass sie jetzt an den Straßen der Stadt rumsitzen soll, finde ich unerhört. Ist eigentlich die Familie gefragt worden? Es wird höchste Zeit, dass dieser arrogante Blender aus dem Rathaus Hofheim verschwindet.

    14. Juli 2025
    |Reply
  6. Hofheim

    Ich finde es absolt schlimm, wie man an dieser stelle eine solche Konstruktion bauen konnte! Genau an dieser stelle ist vor Jahren ein Freund von uns am Baum tödlich verunglückt. Und jetzt setzt man genau dort einen solchen Betonsockel hin – das ist mehr als makaber! Und pietätlos! Es gibt auch andere Stellen für so einen Schwachsinn, der nur unnötig Geld kostet.

    1. September 2025
    |Reply

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