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Zoff um Kita-Statistiken: CDU-Bürgermeister macht SPD-Dezernenten öffentlich nieder

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Kita-Notstand in Hofheim, immer mehr Eltern protestieren gegen die Stadtpolitik – das hat jetzt zu massiven Verwerfungen im Rathaus geführt: CDU-Bürgermeister Christian Vogt griff den SPD-Beigeordneten Bernhard Köppler in beispielloser Weise an – öffentlich! Er warf seinem Magistratskollegen vor, grundlegend falsche Zahlen zur Situation der Kinderbetreuung verbreitet zu haben. Zugleich verkündete Vogt als neue Wahrheit: Es gibt nicht zu wenig, sondern viel zu viele Kita-Plätze in Hofheim! Verwirrung allüberall, zumal die Berechnungen, die Vogt vorlegte, schon auf den ersten Blick fehlerbehaftet sind. Und hinter der Attacke kommen Interessen zum Vorschein, die weniger das Wohl der Kinder im Blick haben. Sondern eher eigennützige.

Es passierte am Mittwochabend, wir wollen uns die Szenerie kurz etwas genauer anschauen:

Ein städtischer Ausschuss – in seinem Wirken eher unscheinbar, umso prachtvoller sein Name: Ausschuss für Jugend, Sport, Kultur, Soziales und Integration – tagte diesmal nicht, wie sonst üblich, in der Stadthalle, sondern in einem engen Sitzungszimmer im Rathaus. Keine Mikrofone. Grottenschlechte Akustik. Eine Handvoll Eltern als Zuhörer.

Der Vorsitzende des Gremiums, Kaya Haluk, ein Grüner, sitzt am Kopfende der Tischreihen und nuschelt sich wenig kenntnisreich durch die Sitzung. Rechts neben ihm: Christian Vogt, Hofheims amtierender Rathauschef, der bei den Bürgermeisterwahlen im März 2025 wiedergewählt werden will. Er wirkt angespannt, gegen Ende der Sitzung zunehmend biestrig bis aggressiv.

Auf der Tagesordnung ein Thema, das regelmäßig auftaucht: “Situation Kita-Betreuung/Stand der Ausbauplanungen”. Es ist in der Regel unspektakulär: Die Verwaltung legt Zahlen vor, die Bekanntes bestätigen – in Hofheim gibt es für viel zu viele Kinder keinen Platz in einer Kita.

Diesmal verspricht das Thema etwas mehr Brisanz: Vogt hatte kurz vor der Sitzung ein sechsseitiges Schreiben eingereicht. Absender: der Magistrat. Aktenzeichen: STV2024/146. Titel: “Novellierung der Kita-Quartalsberichte”.

Der im Magistrat für Kita-Themen zuständige Beigeordnete Bernhard Köppler ist in der Sitzung nicht anwesend. Er sei erkrankt, heißt es. Es wird gemunkelt, er habe im Vorfeld dringend darum gebeten, das Kita-Thema zu vertagen. Was Vogt aber abgelehnt habe.

Nun kann man – und muss man sicher auch – Köpplers Arbeit im Rathaus insgesamt sehr kritisch beurteilen. Aber jetzt war er krankheitsbedingt nicht anwesend. Er konnte sich gegen die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, nicht wehren. Er konnte nicht mal eine Stellungnahme abgeben.

Die Art und Weise, wie der Bürgermeister in dieser Ausschusssitzung gegen seinen Magistratskollegen agierte, war beispiellos.

Auch würdelos.

Mit Polit-Hymnen die Kita-Misere verschleiert

Kommen wir zur Sache: Für Hunderte von Kindern wird dringend ein Kita-Platz benötigt – hieß es bisher. Der Unmut unter Eltern wird immer lauter, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, letztens fand sogar eine Demonstration vor dem Rathaus statt, bei der unerwartet viele Eltern, 300 sollen es gewesen sein, gegen die Lokalpolitik protestierten…

Kita Plaetze Instagram 202410
Screenshot vom Instagram-Post, mit der die Bürgerinitiative "Hofheimer Kinder – Für mehr Betreuungsplätze" über ihre Demonstration informierte.

Die kommunalpolitisch Verantwortlichen beteuern, sie seien bemüht, Abhilfe zu schaffen. Tatsächlich werden Millionen investiert, rund 370 Betreuungsplätze sind in Planung (an der Hattersheimer sowie Homburger Straße und am Thüringer Weg); der Bürgermeister lässt sich dafür feiern und jauchzt per Rathaus-Pressemitteilung: Das sei “ein wichtiger Schritt für die Stadt und wird maßgeblich zu einer attraktiven und lebendigen sozialen Infrastruktur für die Hofheimer beitragen“.

Mit solchen Hymnen wird die wahre Ursache der Kita-Misere verschleiert:

Viel mehr Kinder könnten schon heute in Krippen und Kindergärten betreut werden – Räumlichkeiten sind reichlich vorhanden. Aber sie stehen leer: Es fehlen Erzieherinnen und Erzieher.

Im zuletzt vorgelegten Kita-Quartalsbericht aus dem Köppler-Dezernat ist nachzulesen: Im Stadtgebiet gibt es 1.909 Kita-Plätze. Doch betreut werden konnten zuletzt nur 1.588 Kinder.

Das bedeutet: 321 Kinder müssen zu Hause bleiben: Für sie ist eine Kita-Betreuung nicht möglich, weil das Personal fehlt.

Laut den Magistratsunterlagen sollen aktuell (Stand: 18.09.2024) 404 Kinder auf der Warteliste für einen Kita-Platz stehen.

Kita-Quartalspläne sollten Politik Überblick geben

Kita-Quartalsberichte wurden erstmals Ende 2022 von den Stadtverordneten angefordert. Die Lokalpolitiker wollten den Überblick behalten: Wie viele Kinder wurden angemeldet? Wie viele Kinder wurden aufgenommen, wie viele Namen stehen auf Wartelisten? Auch die Personal- und Platzsituation sowie Kita-Bauprojekte sollten aufgelistet werden, das Ganze unterteilt nach U3 (Kinder unter drei Jahren) und Ü3 (Kinder über drei Jahren) sowie nach Stadtteilen

Nach drei Quartalsberichten musste Köppler passen: Das sei zu viel Arbeit für zu wenig Mitarbeiter.

Für das Personal im Rathaus ist übrigens der Bürgermeister zuständig. Ob er dem Beigeordneten in dessen prekärer Situation beigestanden hat, ist nicht bekannt.

Seit Ende 2023 fehlt auch noch der Kita-Fachbereichsleiter: Er ist krankgeschrieben, bis heute. 

Köpplers Resttruppe erstellte inzwischen einen Quartalsbericht für die ersten drei Monate dieses Jahres. Darin dieser Schlusssatz:

“Wegen krankheitsbedingter Abwesenheit und Stellenvakanzen kann der Entwicklungsplan Kindertagesbetreuung frühestens im 3. Quartal 2024 aktualisiert werden.”

Es dürfte niemanden überraschen, dass bis heute – wir sind im 4. Quartal – der Entwicklungsplan auf sich warten lässt. Und auch der 2. Quartalsbericht 2024 wurde noch nicht vorgelegt…

Mit einem Schlag: Vogt lässt Wartelisten schrumpfen

Negative Nachrichten kann Christian Vogt gar nicht leiden. Deshalb schüttet er jeden Freitag einen Eimer rosa Farbe über Hofheim aus: In Internetvideos malt er ein Bild von einer Stadt, in der angeblich pure Glückseligkeit und satte Zufriedenheit herrschen – natürlich nur dank seines unermüdlichen Kümmerns.

Vogts verklärter Blick auf die Realität kommt allerdings nicht mehr so richtig an. Schon sind seine Parteifreunde in großer Sorge, dass die CDU nach der Bürgermeisterwahl im März 2025 den Chefsessel im Rathaus wieder räumen muss. Die Bürgerinnen und Bürger, so die Befürchtung, finden’s bestimmt nicht so toll, dass ihr Bürgermeister eine Behörde verkörpert, in der Probleme nur verwaltet und nicht gelöst werden.

Angesichts der wachsenden Kritik an seiner Amtsführung und seinem Führungsstil versucht Vogt nun offenbar, sich als Macher zu profilieren. Der Kita-Notstand muss weg! Also zumindest auf dem Papier…

Vogt ließ die Kita-Wartelisten (die im Köppler-Dezernat erstellt wurden) vom Fachbereich “Zentrales” (der ihm, Vogt, untersteht) überprüfen. Das Ergebnis findet sich in der Magistratsvorlage, die Vogt jetzt in der Ausschusssitzung vorstellte. Darin diese beiden zentralen Punkte:

Punkt 1: Auf der aktuellen Kita-Warteliste stehen laut Köppler 151 Kinder unter 3 Jahren (U3-Kinder) und 253 Kinder über 3 Jahren (Ü3-Kinder). Macht zusammen 404 Kinder ohne Kita-Platz.

Die Zahlen, die Vogt vorlegte, bieten ein völlig anderes Bild:

Demnach stehen 79 U3-Kinder und 118 Ü3-Kinder auf der Warteliste. Das wären zusammen “nur” 197 Kinder. 

Etwas peinlich: 79 U3-Kinder plus 118 Ü3-Kinder – in Vogts Rechnung ergibt das 203 Kinder. Hoffentlich ist diese Schlamperei nicht symptomatisch…

Ausschnitt aus Vogts neuer Kita-Statistik: Bisher standen auf den Kita-Wartelisten 404 Kinder. Vogt will dort nur noch 203 Kindernamen sehen. Aber vielleicht hat er sich auch verrechnet...
Ausschnitt aus Vogts neuer Kita-Statistik: Bisher standen auf den Kita-Wartelisten 404 Kinder. Vogt will dort nur noch 203 Kindernamen sehen. Aber vielleicht hat er sich auch verrechnet...

Punkt 2: Nach Angaben des Kita-Fachdezernats von Köppler müsste die Stadt 111 weitere Kita-Plätze schaffen, um jedem Kind einen Platz bieten zu können.

Nach Vogts Berechnungen – wenn sie denn richtig sind – fehlen zwar 41 Plätze für U3-Kinder. Gleichzeitig soll es auch 137 Plätze für Ü3-Kinder zu viel geben.

Das würde bedeuten: In Hofheim gibt es heute ein Überangebot von 96 Kita-Plätzen!

Das ist nahezu ein Mysterium: Seit Jahr und Tag erzählt der Magistrat, es gebe zu wenig Kita-Plätze. Und jetzt will er plötzlich zu der Erkenntnis gekommen sein, dass es viel zu viele Plätze gibt?

Da muss man sich natürlich auch fragen:

All die vielen Millionen, die gerade in neue Kita-Projekte investiert werden: Alles für die Katz!?

Noch eine Tabelle, die Vogt präsentierte: Bisher ging man davon aus, dass 111 Plätze für Kinder neu gebaut werden müssten. Laut Vogt-Rechnung gibt es aber 96 Plätze zu viel.
Noch eine Tabelle, die Vogt präsentierte: Bisher ging man davon aus, dass 111 Plätze für Kinder neu gebaut werden müssten. Laut Vogt-Rechnung gibt es aber 96 Plätze zu viel.

Hat Kita-Dezernent gegen das Gesetz gehandelt?

Wie kann es zu derart unterschiedlichen Ergebnissen kommen?

Vogts Erklärung: Bei einer Überprüfung von Köpplers Zahlen habe sich herausgestellt, dass auf der Warteliste alle Kinder stehen, für die ein Krippen- oder Kita-Platz beantragt wurde. Auch Kinder seien aufgenommen worden, die rein rechtlich keinen Anspruch auf einen Kita-Platz haben.

Das gehe so nicht! sagt Vogt. Eine solche Statistik sei falsch, die Warteliste entspreche “nicht der Gesetzeslage”.

Die Statistik müsse deshalb geändert werden.

Vogt argumentiert: Ein Rechtsanspruch auf einen Krippen- oder Kita-Platz besteht nur für Kinder, die das erste bzw. das dritte Lebensjahr vollendet haben. Daraus folgert er: Es sei “sinnvoll, eine Warteliste zu führen, die den Rechtsanspruch abbildet”. Das sei auch Verwaltungspraxis in den anderen Kommunen des Main-Taunus-Kreises.

Zwei Beispiele sollen zeigen, was das in der Praxis bedeutet:

Wenn bisher ein Kind für einen Ü3-Platz angemeldet wurde, weil es demnächst drei Jahre alt wird, kam es auf Köpplers Warteliste.

Künftig, so Vogt, werde ein solches Kind nicht mehr auf der Warteliste auftauchen: Denn ein Kind, das noch keine drei Jahre alt ist, hat keinen Rechtsanspruch auf einen Ü3-Kita-Platz. Also wird es gestrichen.

Wenn – anderes Beispiel – eine Familie demnächst nach Hofheim zieht und dies mit einem Kauf- oder Mietvertrag nachweist, wurde die Anmeldung des Kindes bisher akzeptiert: Es kam auf Köpplers Warteliste.

Vogt ist da anderer Ansicht: Auch wenn ein Umzug unmittelbar bevorsteht, hat ein solches Kind auf der Warteliste nichts zu suchen. Dort dürfen nur Hofheimer Kinder stehen.

Hat Kita-Dezernent gegen das Gesetz verstoßen?

In dem von Vogt vorgelegten Schreiben des Magistrats finden sich weitere Formulierungen, die einer offenen Demontage des SPD-Dezernenten gleichkommen:

Köpplers Zahlen hätten “ein falsches Bild der auf einen Platz wartenden Kinder bzw. Eltern” vermittelt. Der implizierte Vorwurf ist happig: Soll Köppler die Eltern getäuscht haben? Oder die Stadtverordneten? Auch unklar: Soll er fahrlässig gehandelt haben – oder gar vorsätzlich?

Vogt sagt auch: Eine ordnungsgemäße Verwaltung sei “angehalten, streng nach Gesetzeslage ihr Verwaltungshandeln abzuleiten”. Da schwingt der Vorwurf mit, Köppler habe nicht ordnungsgemäß gehandelt oder sogar gegen Recht und Gesetz verstoßen.

Stimmt das wirklich?

Im Magistrat gab es wohl unterschiedliche Auffassungen. Zwei Sitzungen sollen nötig gewesen sein, bis Vogt die gewünschten Änderungen in den Kita-Quartalsberichten durchsetzen konnte. Köppler, so wird im Rathaus kolportiert, sei erst auf den letzten Drücker einbezogen worden. Das, so erzählen Behördenmitarbeiter, sei eine “typische Mobbing-Attacke” auf der Rathaus-Chefetage…

Und so geht es weiter: Köppler wird seine bisherigen Zahlen komplett korrigieren müssen, und er soll künftig ganz andere Kita-Statistiken schreiben als bisher. 111 Kita-Plätze werden benötigt? Vergiss es! Das war gestern!

Das Magistratspapier gibt vor, was ab sofort Sache ist:

Für U3-Kinder gibt es in Hofheim nur “einen überschaubaren Bedarf” an Kita-Plätzen, für Ü3-Kinder ist “kein Raumbedarf vorhanden”.

Städtische Kitas: Hat das Rathaus die Personalzahlen geschönt?

Kita Freitagsvideo 2024 08
Screenshot vom Vogt-Video, das er im August ins Netz stellte. Er sagt darin, dass die Personalsituation in den Kitas teilweise frappierend sei - vor allem bei den nicht-städtischen Trägern. So richtig kennt sich Vogt mit der Thematik aber wohl nicht aus: Das Transskript, also die schriftliche Wiedergabe der gesprochenen Worte, zeigt an: Vogt spricht von vier städtischen Kitas. Es gibt aber nur drei.

Ja, es gibt Personalprobleme in den Kitas. Das bestreitet auch Bürgermeister Christian Vogt nicht. Er wird allerdings nicht müde zu versichern: In den den städtischen Kitas gebe es kaum Mangel bei Erzieherinnen und Erziehern. Dagegen sei bei einigen nicht-städtischen Trägern die Lage “frappierend”. 

Inzwischen sind Zweifel an Vogts Darstellung aufgekommen. In der Magistratsvorlage zur Neugestaltung der Kita-Quartalspläne wird die Personalsituation in drei städtischen Kitas dargestellt. Ein Kita-Experte hat sich die Unterlagen angesehen und vermutet, dass die Angaben geschönt wurden:

Vogt habe mehr als zehn Hilfs- und Nachwuchskräfte voll mit einberechnet, was laut Hessischem Kinder- und Jugendhilfe-Gesetzbuch nicht zulässig sei. Auf diese Weise könne man jede Kita zum Glänzen bringen. Würden die vielen Hilfskräfte aus der Statistik herausgenommen, sähe es auch in den städtischen Kitas recht traurig aus.

Alle Anträge der Stadtpolitik: alle fürn Papierkorb?

Die neuen statistischen Erkenntnisse konterkarieren nicht nur alle bisherigen Angaben des Magistrats, sondern auch die vielfältigen Bemühungen der Stadtverordneten. Immer wieder hatten sie darauf gedrängt, mehr Kita-Plätze zu schaffen. Widerspruch gab es nicht, auch nicht aus den Reihen des Magistrats:

Im April dieses Jahres hatte der Ortsbeirat Marxheim den Magistrat aufgefordert zu prüfen, ob die Kita-Kapazitäten “durch die Aufstellung von Bauwagen” kurzfristig erweitert werden könnten.

Im Mai beantragte die CDU/FDP/FWG-Koalition “zur Deckung des aktuellen Fehlbedarfs an Kita-Plätzen im Ü3 Bereich”, dass “eine Interims-Kita für bis zu 50 Kinder in Container- oder in Modulbauweise” eingerichtet wird, und zwar “kurzfristig (ab Sommer 2024)”.

Im Juni stellte die CDU Diedenbergen einen Antrag: “Bei der Vergabe der U3- und Kindergartenplätze in Diedenbergen finden viele Eltern keine Berücksichtigung.” Der Magistrat solle prüfen, ob eine zusätzliche Waldkita-Gruppe helfen könne, “den derzeitigen Bedarf weitestgehend abzudecken”.

Zuletzt hatten SPD und Grüne den Antrag gestellt, einen Wald-Kitawagen an der Viehweide aufzustellen.

Alle diese Anträge sind jetzt wohl für den Papierkorb: Schließlich gibt es nach Vogts neuer Statistik mehr als genug Kita-Plätze im Stadtgebiet.

Es versteht sich von selbst: Auch die bisherigen Wartelisten können geschreddert werden.

Wir hätten dazu gerne eine Stellungnahme von Bernhard Köppler eingeholt. Wir erreichen den Dezernenten am Telefon.

Er will sich nicht äußern. Er sei erkrankt

Stadtverordnete konsterniert: War alles falsch?

Zurück in die Ausschusssitzung: Dessen Mitglieder zeigten sich von Vogts neuen statistischen Erkenntnissen schwer irritiert.

Christa Katzenbach von den Grünen: “Das stellt alles auf den Kopf, was wir bisher gehört haben.” Jahrelang habe man diskutiert, viel Geld bewilligt, passende Standorte gesucht, Container aufstellen wollen… “Und jetzt soll es plötzlich genug Kita-Plätze geben?” Das könne sie nicht nachvollziehen.

Für Anette Wenzel (SPD) wirft die Statistik von Vogt mehr Fragen auf als sie beantwortet. Man brauche dringend mehr Zahlen, um Klarheit zu bekommen. Jahrelang habe sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt: “Und jetzt soll alles falsch gewesen sein, was man uns gesagt hat?” Das verunsichere nicht nur die Stadtverordneten. Das lasse auch die Eltern an der Stadtpolitik zweifeln.

Auch Andreas Hegeler, Stadtverordnetenvorsteher und Parteifreund von Vogt, zeigte sich verärgert: Eltern wollten Lösungen – die müssten geschaffen werden. Was sei denn aus den Beschlüssen des Parlaments geworden? Und wenn Vogt jetzt auch noch sage, in den städtischen Kitas gebe es genügend Personal, das Problem läge allein bei den kirchlichen und freien Trägern: “Ich hätte gerne mal konkrete Zahlen dazu!”

Unter den Zuhörern saß auch Tobias Undeutsch, SPD-Stadtverordneter und Bürgermeisterkandidat seiner Partei. Er ist zwar nicht Mitglied des Ausschusses, hatte sich aber in das Kita-Thema eingearbeitet und zog am Ende der Sitzung eine Presseerklärung aus der Tasche, die er mit seinem Parteichef Aaron Kowacs vorbereitet hatte:

“SPD-Fraktion kritisiert Novellierung der Kita-Quartalsberichte”, steht oben drauf. Kernsatz: “Die Betrachtungsweise, welche in den Fachbereichen des Bürgermeisters entwickelt wurde, lässt wesentliche Fakten außen vor.” Vogts neue Warteliste “verhindert langfristige Planungen”.

Sie haben’s freundlich formuliert. Ob das reicht, den eigenen Dezernenten wieder in die Spur zu bringen?

Vogt will alle Köppler-Zahlen überprüfen

Es ist allerhöchste Zeit, in eine offene, ehrliche Diskussion einzusteigen. Vor allem wäre es an Vogt, seine neue Kita-Statistik mit belastbaren – und bitte korrekten – Daten zu untermauern.

Noch ein Beispiel, wie ungenau die Magistratsvorlage ausgearbeitet ist?

In einer weiteren Tabelle werden die Kita-Plätze aufgeschlüsselt, die wegen Personalmangel nicht belegt werden können: Betroffen sind demnach 38 U3-Kinder und 255 Ü3-Kinder. Das wären zusammen 293 Kinder…

Haben Vogts Fachleute falsch gerechnet? Oder fehlen Angaben? In der Tabelle steht als Summe: 321 Kinder.

Aus der Magistratsvorlage: 38 U3-Kinder plus 255 Ü3-Kinder - das soll 321 Kinder ergeben?
Aus der Magistratsvorlage: 38 U3-Kinder plus 255 Ü3-Kinder - das soll 321 Kinder ergeben?

Selbst die Lokalpresse, dem Bürgermeister gewöhnlich stets wohlgesonnen, reagiert angesichts des unausgegorenen Magistratspapiers kritisch-skeptisch: “Tohuwabohu bei den Kita-Zahlen” lautet die Überschrift. Die Magistratsvorlage enthalte “ungewohnt viele sprachliche und grammatikalische Fehler – das erweckt den Verdacht, dass es mit sehr heißer Nadel gestrickt wurde”, schreibt Rathaus-Berichterstatter Manfred Becht. Und weiter: “Formale Unzulänglichkeiten lassen immer vermuten, dass auch inhaltlich etwas im Argen liegen könnte.”

In der Sitzung des Ausschusses reagierte Hofheims Bürgermeister ob der vielen Widerworte zunehmend ungehalten: Die Neugestaltung der Wartelisten, so ließ er die Stadtverordneten schließlich wissen, stehe überhaupt nicht zur Abstimmung. Er habe sie den Stadtverordneten lediglich “zur Kenntnisnahme” vorgelegt.

Im Klartext: Was in der Magistratsvorlage steht, ist längst beschlossene Sache.

Für Kita-Dezernent Köppler findet sich zudem eine etwas kryptisch formulierte Direktive in dem Papier: Künftig wird ihm “ein an die kritische Situation angepasstes Berichtswesen” abverlangt.

Was auch immer damit gemeint sein mag – eine weitere Passage macht die öffentliche Demütigung des SPD-Dezernenten endgültig:

Der Bürgermeister will die Wartelisten aus Köpplers Fachbereich kontrollieren: Alle Zahlen, teilte Vogt mit, sollen künftig von den Mitarbeitern in seinem Fachbereich “Zentrales” “organisatorisch und rechtlich” überprüft werden.

Brandbrief der Kita-Leitungen: Protest gegen Polit-Tricksereien

Noch ein Kita-Thema, das für Irritationen sorgt: Die Regierungskoalition im Stadtparlament aus CDU, FDP und FWG wollte mit einem Trick die Personalknappheit in den Kitas beseitigen. Man müsse nur die Betreuungszeiten für jedes Kind geringfügig reduzieren – schon könnten mehr Kinder bei gleichem Personal betreut werden. Die Hofheimer FDP hatte sich das ausgedacht und mit Formulierungen wie “Kinderbetreuung für mehr Kinder ermöglichen” oder “Optimierung der Betreuungszeiten” ausgeschmückt.

Nicht nur etliche Stadtverordnete haben sich inzwischen dagegen ausgesprochen. Auch die Leitungskräfte mehrerer Kitas protestierten in einem Brief ans Rathaus: Der Vorschlag sei “auf keinen Fall zielführend, um Personal zu gewinnen und zu halten”, heißt es in dem Schreiben. Auch dürfe es “unter keinen Umständen zu einer weiteren Verschlechterung der Qualität in den Einrichtungen kommen”. Um qualifizierte Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen sei es “unerlässlich, eine wertschätzende Haltung einzunehmen und attraktive Anreize zu schaffen”.

Man wisse sehr gut, schreiben die Kita-Leiterinnen auch, wie “brisant die Stimmung in den Einrichtungen” sei und wie gering die Bereitschaft des Personals sei, “unter noch schlechteren Bedingungen zu arbeiten”. Die pädagogische Arbeit habe sich in den letzten Jahren stark verändert: zunehmend Kinder mit herausforderndem Verhalten, zunehmend Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse, zunehmend Eltern, die ihrem Erziehungsauftrag kaum nachkommen können… “Diese Veränderungen müssen bei der Lösungsfindung mitgedacht und berücksichtigt werden.”

Bürgermeister Christian Vogt, während der Ausschusssitzung auf das Schreiben angesprochen, zuckte mit den Schultern: Er sei nicht informiert, ein solches Schreiben kenne er nicht.

Dem kann abgeholfen werden. Wir veröffentlichen den Brief im Wortlaut…

Die Stadtverordneten wussten nicht Bescheid, der Bürgermeister gab sich ahnungslos – hier kommt die Aufklärung: Wir veröffentlichen den Brandbrief der Kita-Leitungen, der Anfang Juli im Rathaus übergeben worden war. Wir dokumentieren den Brief im Wortlaut (gekürzt lediglich um einen Abschnitt, in der eine Kita-Konzeption zitiert wird).

Die Kita-Leiterinnen bezogen sich in ihrem Schreiben auf eine Sitzung des  Stadtparlaments im Mai dieses Jahres, in der auf Antrag der CDU/FDP/FWG-Koalition folgende sechs Punkte mehrheitlich beschlossen worden:

1. Der Magistrat soll für die Kindertagesstätten in städtischer Trägerschaft prüfen, ob die Betreuungszeiten dahingehend optimiert werden können, dass für mehr Kinder ein Betreuungsangebot unterbreitet werden kann. Dies sollte entsprechend umgesetzt werden.

2. Für die Kindertagesstätten in nicht-städtischer Trägerschaft soll der Magistrat auf eine entsprechende Prüfung und gegebenenfalls Umsetzung hinwirken.

3. Der Magistrat soll den Einsatz von anders qualifiziertem Personal und/oder qualifiziertem ausländischen Personal nach § 25 HKJGB prüfen.

4. Die Ergebnisse sind im nächsten Ausschuss für Jugend, Sport, Kultur, Soziales und Integration vorzustellen.

5. Diese Maßnahmen stellen eine zeitlich begrenzte Übergangslösung dar, die im Austausch mit den Trägern erfolgen soll. Individuelle Lösungen für die jeweilige Situation sind zu finden.

6. Der Magistrat soll für ca. 70.000 Euro kurzfristig eine zentrale Anmelde-Software kaufen. Dafür soll der Magistrat mit allen Trägern sprechen und Angebote für Produkte/Systeme einholen und in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Jugend, Sport, Kultur, Soziales und Integration vorstellen.

Daraufhin schrieben die Hofheimer Kita-Leitungen folgenden Brief ans Rathaus:

Wir haben uns in einer Arbeitsgruppe mit der Sinnhaftigkeit der Inhalte des Beschlusses in Bezug auf die Verbesserung der Betreuungssituation in Hofheim auseinandergesetzt.

Jede Maßnahme, die eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von päd. Fachkräften zur Folge hat, oder eine Verschlechterung der Betreuungsqualität mit sich bringt, ist als kontraproduktiv zu werten und wird eine weitere Verschlechterung der Fachkraftsituation zur Folge haben.

Ergo: Sämtliche Maßnahmen, die ergriffen werden – kurz-, mittel- und langfristig – MÜSSEN an den bestehenden Standards ansetzen und auf Fachkraftgewinnung und Fachkraftbindung abzielen.

Es sollen gezielt Anreize geschaffen werden, die die Träger der Einrichtungen in Hofheim so attraktiv machen, dass päd. Fachkräfte in unseren Einrichtungen arbeiten möchten.

Um eine sinnvolle Einschätzung treffen zu können, wurden folgende Faktoren mitgedacht:

  • Der gesetzlicheAuftrag, der von Kitas umgesetzt werden muss
  • Die  gesetzlichen Grundlagen (HKJGB, KiföG, Kita-Qualitätsgesetz, SGB VI, Kinderschutzgesetz, Kinderrechte, Kinderrechtskonvention, Inklusion im GG)
  • Inhalte des Hessischen Bildungsplans als Fördervoraussetzung für Kitas
  • Päd. Anforderungen an Kindertagesbetreuung heute
  • Personalberechnung
  • Risikoeinschätzung
  • Einschätzung von Fach-Expertinnen
  • Fachkraftausbildung
  • Personalüberlastung und Stimmung/Tendenzen der Mitarbeitenden in den Kitas

Im Folgenden beziehen wir uns auf die einzelnen Punkte aus dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 22.5.2024:

Zu Punkt 1:

  • Verweis zum gesetzlichen Auftrag HKJGB: Diese Maßnahme entspricht nicht dem gesetzlichen Auftrag.
  • Personalberechnung nach KiföG:
    • Verkürzte Offnungszeiten führen häufig zu gekürzten Personalstunden, d.h. zu weniger Personal. Gleichzeitig werden dadurch keine Kapazitäten zur Betreuung geschaffen.
    • Kürzung der Randzeiten kann zu Personalkürzung führen, dieses Personal fehlt auch in den Kernzeiten.
    • Kleine Kitas: Es müssen immer zwei Fachkräfte vor Ort sein. Es darf nicht eine Fachkraft alleine im Haus sein.
    • Die Stunden der Vollzeitkräfte müssten entsprechend der Öffnungszeiten ebenfalls gekürzt werden, da dann keine 39 Stundenwoche möglich ist.
  • Platzberechnung für Kita, Krippe, Integration:
    • KiföG berechnet das Personal für Kita, Krippe, Kita mit Integrationskindern u.ä.
    • Der Personalschlüssel für eine Integrationsgruppe wird anders berechnet, als der für die Kita. Krippengruppen werden mit einem noch höheren Fachkraftschlüssel berechnet. Die Berechnungen müssen verpflichtend umgesetzt werden.
  • Jede Einrichtung ist an ihre Betriebserlaubnis gebunden.
    • Die Anzahl der aufzunehmenden Kinder ist standardmäßig festgelegt und darüber hinaus an Raumgrößen angepasst. Die maximale Gruppengröße kann 25 Kinder pro Gruppe betragen, bei sehr kleinen Räumen auch weniger. Die Voraussetzungen zur Betreuung von Kindern mit einer Integrationsmaßnahme wären nicht mehr zu erfüllen, somit könnte der gesetzliche Auftrag nicht umgesetzt werden.

Zu Punkt 2:

Es ist uns unklar, was mit dieser Aussage gemeint ist. Die Aussage liest sich wie eine Kritik an den nicht-städtischen Trägern und sollte erklärt werden.

Was ist gemeint mit „die Stadt prüft” und was soll geprüft werden? Vor welchem Hintergrund?

Was bedeutet die Aussage „Ziel eines verbesserten Betreuungsangebotes?” Dies lässt die Unterstellung vermuten, dass die Einrichtungen unter freier Trägerschaft ihre Betreuungskapazitäten nicht ausschöpfen.

Ale Träger arbeiten nach den gleichen Gesetzen, Vorgaben, Qualitätskriterien und Standards der päd. Arbeit. Sie richten sich nach denVorgaben aus dem Hessischen Bildungsplan, nach den festgelegten Aufnahmekriterien, nach der Betriebserlaubnis und den Personalberechnungsgrundlagen.

Die Einrichtungen in freier Trägerschaft in Hofheim arbeiten alle auf einem gleichermaßen hohen Standard. Die Trägervielfalt bereichert das Betreuungsangebot in Hofheim und macht die Kita-Landschaft bunter. Verschiedene Ansätze und Konzepte, unterschiedlicher Träger führen dazu, für alle Familien das passende Angebot zu haben.

Für arbeitsuchende päd. Fachkräfte ist es attraktiv, sich in der Trägervielfalt den für sie passenden Arbeitgeber aussuchen zu können. Die freien Träger tragen auf diesem Weg zu einer gesicherten Betreuung von Hofheimer Kindern in hohem Maße bei.

Die Kommune ist gesetzlich zur Förderung der Trägervielfalt verpflichtet.

Hier sollte auch ein Augenmerk auf den wertschätzenden Umgangston mit den freien Trägern in der öffentlichen Diskussion gelegt werden.

Zu Punkt 3:

  • Die Beschäftigung von qualifizierten Erzieherinnen aus dem Ausland (Spanien) ist grundsätzlich positiv zu werten. Voraussetzung ist die Prüfung der Qualität der Ausbildung, besonders hinsichtlich Aussagen aus dem Hessischen Bildungsplan und dem Kinderschutzgesetz. Hier sollte es keine großen Abweichungen von unseren Standards geben.
  • Der Einsatz von „anders qualifizierten” Personal ist differenziert zu betrachten.

Für Kitas ist der Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal (Pädagogen!) gesetzlich vorgeschrieben und in der Praxis unerlässlich, um eine qualitätsvolle (gesetzlicher Anspruch) päd. Arbeit umzusetzen. Kinder fördern, bilden und betreuen. Hier wurden die gesetzlichen Vorgaben in den letzten Jahren nicht ohne Grund angehoben.

Anders oder nicht qualifizierte Mitarbeitende können zwar unterstützend zuarbeiten, nicht aber die anspruchsvolle und an Kriterien gebundene pädagogische Bildung, Förderung und Erziehung der Kinder übernehmen. Die Elternberatung kann ausschließlich durch qualifiziertes Personal stattfinden.

So wird es in unseren Kitas seit langer Zeit umgesetzt. Dieser Standard muss gewahrt bleiben, der Fachkraftschlüssel darf nicht unterschritten werden. Die Aufsichtspflicht liegt immer zu 100% bei der päd. Fachkräften in den Gruppen und bei der Leitung. Das heißt, je mehr unqualifiziertes oder anders qualifiziertes Personal eingestellt wird, desto größer wird die Verantwortung für die wenigen päd. Fachkräfte und die Belastung steigt.

Angebote durch Externe (bspw. Musikschule in der Kita) können nur ergänzend, nicht ersetzend sein. Die Personen können nicht auf den Mindestpersonalbedarf angerechnet werden, haben keine Aufsichtspflicht, können die Beziehungsarbeit nicht ersetzen, übernehmen auch keine pflegerischen oder organisatorischen Aufgaben und sind nur für einen kurze Zeitspanne in der Kita (max. 3Std. pro Woche). In der Regel muss für ein solches Angebot auch noch ein Raum zur Verfügung gestellt werden. Die wenigsten Kitas verfügen über Zusatzräume.

Zu Punkt 4:

Bei der Vorstellung der Ergebnisse im nächsten Ausschuss für Jugend, Sport, Kultur, Soziales wird es von unserer Seite als dringend notwendig erachtet, päd. Fachkräfte aus der Kita (Leitungen) zur Fachexpertise hinzuzuziehen. Dies sollte grundsätzlich für Sitzungen und Arbeitsgruppen gelten, in denen Lösungen zur Verbesserung der Situation gesucht werden. Es ist nicht verständlich, dass Entscheidungen ohne fundierte Kenntnisse der Kitapraxis getroffen werden.

Zu Punkt 5:

Die Aussage „zeitlich begrenzte Übergangslösung” ist riskant. Sie wird ziemlich sicher dazu führen, Fachkräfte zu verlieren.

Päd. Fachkräfte in den Einrichtungen laufen permanent am Limit und haben mit ständig steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz zu kämpfen: Personalmangel, zunehmend höhere Krankheitszeiten, steigende Bedarfe der Kinder (bspw. Inklusion, Migration), zunehmend viele herausfordernde Kinder und Eltern und der hohe Anspruch an die päd. Leistung bei gleichzeitig geringer gesellschaftlicher Wertschätzung. Da die vorgeschlagene Übergangslösung auch bei zeitlicher Begrenzung definitiv zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Qualität führen würde, würden MitarbeiterInnen abwandern. Die Toleranzgrenze ist ausgereizt, es gibt keine Bereitschaft, weitere Verschlechterungen in Kauf zu nehmen. Die Fachkraftsituation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt macht eine Umorientierung leicht. Hier sind auch die Nachbarkommunen in den Blick zu nehmen, die mit durchaus attraktiven materiellen Anreizen werben.

Schlechtesten Falls orientieren sich die Mitarbeitenden auch ganz neu und gehen dem Fachkräftemarkt verloren. Eine Herabsetzung der Standards ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Die zeitliche Begrenzung der „Übergangslösung” birgt darüber hinaus die große Gefahr, sich zum Dauerzustand zu etablieren. Die Folgen liegen auf der Hand.

Zu Punkt 6:

Wir würden es sehr begrüßen, wenn eine gute und langfristig nutzbare Anmeldesoftware für alle Einrichtungen angeschafft werden könnte, die von allen Trägern genutzt wird und für mehr Transparenz der Belegungsituation sorgt. Die aktuelle Situation ist unbefriedigend.

Zwei weitere Lösungsvorschläge wurden in der Sitzung vom 28.5.24 angesprochen:

1. Platzsplitting: Für die Aufnahme von Kindern am Nachmittag müssten die Einrichtungen zusätzliches Personal vorhalten.

Außerdem wäre der Aufwand in der pädagogischen Arbeit und bei der Verwaltung um die Zahl der im Rahmen des Platzsplittings zusätzlich aufgenommenen Kinder erhöht. Das ist definitiv nicht leistbar.

Diese Maßnahme würde auch den Bedarfen der Familien nicht gerecht werden. Viele Familien sind auf einen Ganztagesplatz angewiesen.

2. „Die städtischen Einrichtung geben bei guter Besetzung Personal an die freien Träger ab.” Hier ist bei uns der Eindruck entstanden, dass Informationen falsch verstanden und interpretiert wurden.

Die städtischen Kitas haben keinen personellen Überhang und haben es auch nicht leichter, offenen Stellen zu besetzen.

Solche Aussagen müssen geprüft werden, bevor sie öffentlich kommuniziert werden. Sie stellen die freien Träger in ein falsches Licht und führen zu Unmut der Fachkräfte einschließlich der Leitungen.

Es gibt nur drei städtische Kitas, von denen eine nicht alle Gruppen öffnen kann und alle drei regelmäßig mit Zeitarbeitspersonal arbeiten.

(…)

Unser Fazit:

Die Vorschläge aus dem Beschluss der StVV vom 22.5.24 sind auf keinen Fall zielführend, um Personal zu gewinnen und zu halten.

Es darf unter keinen Umständen zu einer weiteren Verschlechterung der Qualität in den Einrichtungen kommen.

Um die in Hofheim beschäftigten päd. Fachkräfte zu halten und zusätzliches Fachpersonal zu gewinnen, ist es unerlässlich, eine wertschätzende Haltung einzunehmen und attraktive Anreize zu schaffen (siehe hierzu auch die Ausschreibungen von Nachbarkommunen!). Beispielhaft sind hier zu nennen:

  • Regelmäßige Supervision
  • Arbeitszeitmodelle wie bspw. die 4 Tage Woche
  • Verringerung der Gruppengröße auf max. 20 Kinder
  • Betriebliches Gesundheitsmanagement
  • Bezahlbarer Wohnraum (Kooperation mit der HWB) Kostenfreie/vergünstigte Sportmöglichkeiten (bspw. Rhein Main Therme)
  • Startprämienach drei Monaten/ Treueprämie nach 12 Monaten
  • E-Bike Leasing
  • Corporate Benefits in Form von verschiedenen Rabatten

Wir sehen die Verantwortung zur Schaffung guter Arbeitsbedingungen bei der Stadt Hofheim in Zusammenarbeit mit den freien Trägern. Gerne tragen wir mit unserm Fachwissen aus den Einrichtungen dazu bei, gute Lösungen zu entwickeln. Wir wissen, wie brisant die Situation der fehlenden Kita-Plätze und des Fachkräftemangels ist. Wir wissen jedoch auch, wie brisant die Stimmung in den Einrichtungen ist und wie wenig Bereitschaft es bei dem vorhandenen Personal gibt, unter noch schlechteren Bedingungen zu arbeiten.

Die pädagogische Arbeit hat sich in den letzten Jahren stark verändert: zunehmend Kinder mit herausforderndem Verhalten, zunehmend Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse, zunehmend Eltern, die ihrem Erziehungsauftrag kaum nachkommen können. Diese Veränderungen MÜSSEN bei der Lösungsfindung mitgedacht und berücksichtigt werden.

Wir freuen uns, auf eine gemeinsame konstruktive Weiterarbeit zur Verbesserung der Lage in Hofheim und in den Einrichtungen, um weiterhin qualitätsvolle pädagogische Arbeit für die Hofheimer Kinder leisten zu können

Die Leitungen aller Träger der Kreisstadt Hofheim vertreten durch die Leitungen:

E.v. Kita Thomasgemeinde — Kinderhaus Spatzennest — Kinder- und Familienhaus Freche Spatzen — Integrative Kindertagesstätte Caritas — Kita Johannesgemeinde — Kita Wandersmann — Kita Römerlagereine 

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9 Kommentare

  1. Der Helmut

    Also, auch wenn ich in der Kita-Problematik als Außenstehender nicht mitreden kann, so kann ich doch sagen :
    Wenn in den Ausschüssen und Sitzungen monate- / jahrelang über die Kita-Probleme diskutiert wird (und auch noch mit falschen Basisdaten), sollte es selbstverständlich sein, dass bei diesem sehr wichtigen Thema auch immer jeweils eine leitende Person aus einer städtischen Kita wie auch aus einer nicht-städtischen Kita bei den Meetings mit anwesend sein sollte. Denn nur diese Person kennt den Ablauf, die Organisation und die Besonderheiten des Kita-Alltags.

    Stattdessen werden hier intern irgendwelche fehlerhaften Statistiken diskutiert, verbreitet und wieder fehlerhaft korrigiert. Dies führt dann zu unnötigem Zeitverlust, Frust, öff. Anschuldigungen, höheren Kosten, Streß und Wut der betroffenen Eltern… toll.

    Es braucht wirklich am 16.3.2025 einen resoluten Neuanfang im Rathaus mit einem Bürgermeister, der nicht nur im Social-Media-Bereich sehr bewandert und beliebt ist, sondern der auch wegen seiner spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten in Hofheim sicher viel bewegen kann.

    6. Oktober 2024
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    • Karl Heinz Hellenkamp

      Entscheidet nicht der Ausschuss, welche Zahlen er von der Verwaltung geliefert bekommen möchte?

      7. Oktober 2024
      |Antworten
  2. Machtpolitische Spielchen haben hier nichts zu suchen!

    Ein solch wichtiges Thema, über das die letzten Jahre so viel diskutiert wurde und an dem gleichermaßen so viel dran hängt, wird hier absolut unwürdig und wie so oft schlecht aufbereitet kommuniziert.
    Als Stadtverordnete fühle ich mich zunehmend hinters Licht und vorgeführt.
    Die Pparteipolitischen Spielchen ziehen sich durch alle Themen und Ausschüsse.
    Seit letztem Montag ist die Parteispielerei ja auch im Forstausschuss angekommen, als unser CDU-Förster persönliche Erklärungen abgab, um eine Stadtverordnete, deren Meinung ihm nicht passt, hinzustellen als sei sie unfähig, überhaupt eine Meinung zu vertreten.
    Es wird zunehmend schwieriger, auf dieser Ebene vernünftige Politik in Hofheim zu betreiben.
    Anstatt der Brisanz des Themas Kindergartenplätze auch nur einmal angemessen gegenüber zu treten, verärgert man jetzt auch noch zunehmend die Menschen, die sich für unsere Kinder in Hofheim tagtäglich einsetzen.
    Das Bild, das die Politik hier in Hofheim dabei abgibt ist einfach nur traurig.
    Wir haben in Hofheim vor allem den freien Trägern viel zu verdanken, die unseren Auftrag in großem Umfang abdecken.
    Es geht hier um unsere Kinder, als Mutter macht mich der Umgang mit dem Thema extrem wütend.
    Als Stadtverordnete muss ich feststellen, dass man das Verhalten ja fast schon gewöhnt ist.
    Ich bin seinerzeit angetreten, um mit zu gestalten, um mich einzubringen.
    Das geschaffene Klima und die Machtversessenheit einzelner Männer unserer politischen Hofheimer ist ab- und erschreckend.
    Das es jetzt nicht mal vor den Kleinsten halt macht, ist ein trauriger neuer Höhepunkt.

    7. Oktober 2024
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  3. hebeling

    “Ein Magistrat soll ein Kollegialorgan sein, da geht es nicht um Partei, sondern gemeinsam um unsere Stadt”, sagte mir vor nicht langer Zeit ein Dezernent.

    Toxisch ist es… Das vergiftet die kleine und große Gesellschaft. Was ist das denn für ein Vorbild im Umgang?! Reines Gift für die Demokratie.

    Von Anfang an war klar, das Thema “Kita” ist explosiv. Deshalb wurde es möglichst weit weg vom “Chef” geschenkt. Mit guter Distanz zum Fingerzeigen und Schimpfen… Immer die Leute auf der anderen Seite des Teams anzünden statt selber zu löschen – das ist eine Kriegsregel.

    Bernhard Köppler hat sich bestimmt etwas bei seinen Zahlen gedacht, denn Stadtplanung ist sein Metier, und von ihm stammt der Satz oben… genau vor fünf Jahren.

    7. Oktober 2024
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  4. Ron

    Den Kitas liegen die Zahlen der Anmeldungswünsche und der erfolgten Anmeldungen mit Namen der “Glücklichen” vor. Es kann doch keine Raketenwissenschaft sein, das in einer Excel- Tabelle festzuhalten und die Diskrepanzen zu visualisieren. Dazu braucht einer meiner Mitarbeiter vielleicht ein paar Stunden, wenn die Daten erst zusammengefasst werden müssten. Ich bin immer wieder erschüttert ob der Inkompetenz dieser Stadtverwaltung. Es ist, als ob das Stellwerk des Bahnhofes einer Großstadt von einem Modelleisenbahner bedient würde… obwohl der das vermutlich besser hinkriegen würde, als unsere Stadtoberen in ihrem Geschäft.

    7. Oktober 2024
    |Antworten
  5. Bernd Hausmann

    Aufgabe verfehlt

    Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen dem errechneten Bedarf an Kita-Plätzen aus den Quartalsberichten des zuständigen Fachdezernats von Stadtrat Köppler und den vom Finanzdezernat des Bürgermeisters Vogt vorgelegten Zahlen:

    Der vom Bürgermeister Vogt vorgelegten Neuberechnung des Bedarfs an Kita-Plätzen liegt eine bereinigte Warteliste der Kinder zugrunde, deren Eltern sich bislang vergeblich um einen Kita-Platz bemühen. Den Bedarfsberechnungen der Quartalsberichte von Stadtrat Köppler liegen die Einwohnerzahlen der Kinder aus dem Melderegister zugrunde. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Datenquellen.

    Welche Daten die “richtige” Planungsgrundlage sind, kommt darauf an, welches (politische) Ziel man verfolgt. Will man lediglich einen artikulierten Bedarf decken, dann reicht es aus, eine Warteliste abzuarbeiten. Will man aber für jedes Kind im Kita-Alter, das in Hofheim wohnt und dessen Eltern einen Betreuungsplatz nachfragen, einen solchen zur Verfügung stellen (so wie es die Gesetzeslage mit ihrem Rechtsanspruch vorsieht), dann muss man mit den Einwohnerzahlen aus dem Melderegister rechnen.

    Die Zahl der Kinder auf der bereinigten Vogtschen Warteliste ist logischerweise eine Teilmenge der Kinder, die einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben. Daher muss das Finanzdezernat des Herr Vogt zu einem niedrigeren Fehlbedarf kommen, ja, auf dem Papier sogar zu einem Überschuss an Plätzen, während das Fachdezernat des Herrn Köppler zu einem hohen Defizit kommt.

    Bis dato war es immer einhelliges politisches Ziel aller Fraktionen in der Hofheimer Stadtverordnetenversammlung, möglichst allen Hofheimer Kindern einen wohnortnahen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, damit die Kleinen auch in ihrer Nachbarschaft Spielkameraden haben, gemeinsam mit ihren Freunden Kindergeburtstage feiern und gemeinsam in die Grundschule wechseln können. Daher ging man in Hofheim seit dem ersten Kita-Plan immer von den Einwohnerzahlen als Planungsgrundlage aus. In den Quartalsberichten werden die Zahlen aus den Warterlisten aus gutem Grund überhaupt nicht genannt, denn der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ist nicht davon abhängig, ob ein Kind auf irgendeiner Warteliste steht.

    Insbesondere die von Vogt verfügte Streichung von Kindern, die noch keinen Rechtsanspruch haben, macht die so bereinigte Warteliste als ein in die Zukunft gerichtetes Planungsinstrument völlig unbrauchbar: Früher konnte man an der Entwicklung der Zahl der Kinder unter einem Jahr, für die ihre Eltern vorsorglich schon einen Platzbedarf angemeldet haben, ansatzweise Rückschlüsse auf den zukünftigen Bedarf an Krippenplätzen ziehen. Heute ist diese bereinigte Warteliste nur noch dazu gut, das Versagen der Stadt bei einer ihrer wichtigsten Aufgaben, der Kinderbetreuung, zu dokumentieren.

    Der nunmehr von Bürgermeister Vogt vorgeschlagene Paradigmenwechsel, nur noch auf Grundlage der bereinigten Wartelisten zu planen, ist ein Rückschritt für eine bedarfsgerechte Planung.

    Und dem Magistrat ins Stammbuch: Den verzweifelt nach einem Kita-Platz suchenden Eltern ist es völlig wurscht, nach welcher Berechnungsmethode rein rechnerisch wieviele Plätze fehlen und warum. Sie brauchen dringend einen Betreuungsplatz. Dafür umgehend zu sorgen: Das wäre Eure Aufgabe, lieber Magistrat!

    7. Oktober 2024
    |Antworten
  6. Hofheim

    Hofheim ist das schlimmste Beispiel für Kitaplätze. In anderen Kommunen klappt das viel besser, hier wurde schon vorausschauend geplant und ein Großteil der Kinder abgefangen (siehe Wiesbaden).
    Hofheimer Stadtpolitik ist eine Schlafpolitik. Hier werden nur eigennützige Projekte möglich groß gestaltet, mit denen man nach außen glänzen kann! Das Kindergartenplätze fehlen, liegt leider auf der Hand und auch an der Politik, die den Beruf Erzieherin wirklich nicht attraktiv genug macht und unterbezahlt lässt. Das darf aber nicht die Ausrede sein für alles.
    Ich glaube, generell sollte in Hofheim ein grundlegend anderes Konzept für Kita-Plätze vorgelegt werden. In Diedenbergen zum Beispiel hat die Oberhand immer noch die Kirche. Kein Wunder, dass es keinen richtigen Überblick gibt, wenn jeder sein eigenes Ding macht. Es muss einen geben, der quasi alles überblickt, und gewisse Dinge müssen einfach abgegeben werden.
    Leider muss ich sagen, ist Herr Vogt jemand, der gerne große Reden schwingt, wo aber am Ende nur heiße Luft rauskommt. Schauen wir mal, was die nächsten Wahlen so zu bieten haben.

    7. Oktober 2024
    |Antworten
  7. Bibabutzemann

    Nicht zu vergessen: Die auf dem Instone-Gelände (Homburger Straße) geplante mehrzügige Einrichtung wird nach wie vor als “geplant” in der Statistik mitgeschleppt. Ist sie ja auch. Aber dass der Investor sein Projekt auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben hat, sollte auch der Stadt klar machen, dass diese Planung allenfalls als mittelfristig angesehen werden kann. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass der angedachte private Betreiber sich inzwischen vielleicht auch von seiner Zusage lösen könnte, wird es gruselig. Kinder, die heute geboren werden, werden die Eröffnung dieser Einrichtung allenfalls als Grundschulkind mitbekommen, aber nicht mehr dort betreut werden.

    7. Oktober 2024
    |Antworten
  8. DererVonZiethen

    Immer wieder interessant, den HK-Newsletter zu lesen, weil man als einfacher Bürger mal so sehen kann, was die “Regierung” in Hofheim so verzapft.
    Das jetztige Thema “Kitaplätze” und die Behandlung dessen durch den “Chef” erinnert mich eigenartigerweise sehr an das Gebahren von Donald Trump, der sich immer und überall erst feiern läßt und sich dann seine Probleme und Argumente so zurecht biegt, wie’s ihm paßt – und das dann als die “absolute Wahrheit” dem Wählervolk verkauft.
    Ich schließe mich voll dem Vorredner an, der da meinte (Zitat): “Es braucht wirklich am 16.3.2025 einen resoluten Neuanfang im Rathaus mit einem Bürgermeister, der nicht nur im Social-Media-Bereich sehr bewandert und beliebt ist, sondern der auch wegen seiner spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten in Hofheim sicher viel bewegen kann.”

    12. Oktober 2024
    |Antworten

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