Sie ist der Stolz vieler Hofheimerinnen und Hofheimer. Lokalpolitiker erzählen gerne, wie gelungen die Stadtbücherei sei und wie gerne Kinder und Jugendliche sie besuchen. Gleichzeitig aber wird im Rathaus der vielfach geäußerte Wunsch nach besseren Öffnungszeiten konsequent ignoriert. Was steckt dahinter?
UPDATE: Einen Tag nach Erscheinen unseres Berichts veröffentlichte der Magistrat eine Erklärung. Wir dokumentieren sie im Wortlaut.
Unter SPD-Bürgermeisterin Gisela Stang wurde sie geplant, und Millionen wurden investiert. CDU-Bürgermeister Christian Vogt durfte später die feierliche Einweihung übernehmen, und er stellte zu Recht fest: “Unsere schöne Stadtbücherei im Herzen der Hofheimer Kreisstadt ist zum Anlaufpunkt für viele Menschen geworden; sie ist quasi das Wohnzimmer der Stadt.”
Immer wieder wird seither lobend hervorgehoben, dass gerade Kinder und Jugendliche die Bücherei gut annehmen. Für viele von ihnen sei die Stadtbücherei zu einem beliebten Treffpunkt geworden, heißt es. Von Axel Wintermeyer, dem CDU-Landespolitiker, der auch im Stadtparlament sitzt, ist dieser Satz überliefert: „Gerade in einer sich so schnell wandelnden Zeit, in der die Digitalisierung für uns alle und vor allen Dingen die jungen Menschen eine ganz große Rolle spielt, halte ich es für geboten, Institutionen wie Büchereien zeitgemäß zu fördern.“
Doch zwischen den Worten unserer Politiker und ihren Taten klafft wie so oft eine große Lücke:
Wenn die Stadtbücherei, also das “Wohnzimmer der Stadt”, wirklich eine so große Rolle spielt und gefördert werden sollte: Warum, so fragen sich viele Bürger, warum ist sie dann nur sporadisch geöffnet?
Denn das ist die Realität: Die Öffnungszeiten sind stark begrenzt, und man muss sie sich auch gut merken, sonst steht man beim nächsten Besuch – Murphys Gesetz! – vor einer verschlossenen Tür:
Sonntags und montags ist die Stadtbücherei geschlossen. Dienstags ist sie von 13 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs von 9 bis 13 Uhr, donnerstags und freitags von 13 bis 18 Uhr. Samstags darf man noch einmal vier Stunden rein, von 9 bis 13 Uhr.
Damit stehen den Hofheimerinnen und Hofheimern gerade mal 23 Stunden zum Stöbern in ihrem „Wohnzimmer“ zur Verfügung.
Das ist zu wenig, befanden die Grünen. Und sie stellten, es war im Mai letzten Jahres, einen Antrag im Stadtparlament: Der Magistrat möge bitte dafür sorgen, dass die Öffnungszeiten ausgeweitet werden, und zwar “um mindestens zehn Stunden wöchentlich, gerne mehr”. Und: “Die Schließung in den Ferien muss entfallen.” Falls notwendig, solle die Stadt eine weitere Mitarbeiterin einstellen, “um dann diesen Antrag komplett umzusetzen”.
Zur Wahrheit gehört, dass die Grünen den Antrag von den Linken übernommen haben. Barbara Grassel hatte bereits Ende 2022 vorgeschlagen, die Bücherei länger zu öffnen: Dafür müssten die Dienstpläne des Personals angepasst oder aber eine zusätzliche Stelle geschaffen werden. Die Stadtpolitikerin hatte nachgerechnet:
Die Bücherei – laut Stellenplan 7,29 Mitarbeiter – kostet die Stadt 743.000 Euro im Jahr. Bei wöchentlich 23 Stunden Öffnungszeit sind das 646 Euro pro Stunde.
Das Stadtmuseum mit weniger Mitarbeitern (4,91 Stellen) und längeren Öffnungszeiten (29 Stunden/Woche) kostet dagegen “nur” 543.000 Euro – macht 374 Euro pro Stunde.
Mit anderen Worten: Es müsste eigentlich möglich sein, die Öffnungszeiten der Stadtbücherei schnell und unkompliziert auszuweiten.
Stadtbücherei: Rathauschef steckt Kopf in den Sand
Zurück zum Antrag der Grünen: Er wurde von den Stadtverordneten zunächst in den Kulturausschuss verwiesen. Und weil es um Personal und damit um Geld geht, sollte sich auch der Haupt- und Finanzausschuss damit befassen.
Seitdem sind bald zwei Jahre vergangen. In beiden Ausschüssen kam der Antrag nie an.
Nach knapp einem Jahr fragte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bettina Brestel, nach, was aus dem Antrag geworden sei: “Gibt es bereits Planungen für die Erweiterung der Öffnungszeiten?”
Das war im Februar dieses Jahres. Im Rathaus tat man so, als würde es die Frau bzw. ihre Anfrage nicht geben. Frau Brestel bekam keine Antwort, bis heute nicht.
Für die Themen Kultur und Personal ist im Rathaus Christian Vogt zuständig. In der Stadtverwaltung wird offen kolportiert: Wenn dem CDU-Bürgermeister ein Schreiben nicht gefällt, lässt er es einfach in der Schublade verschwinden…
Wir hätten von Vogt gerne gewusst, warum er die Stadtbücherei so stiefmütterlich behandelt. Gefällt ihm der Antrag nicht, weil er von den “falschen Parteien” kam?
Wir haben ihn auch gefragt, warum der Antrag nicht längst in den Ausschüssen diskutiert wurde.
Vogt macht Vogel-Strauß-Politik.
Er steckt einfach den Kopf in den Sand.
Dafür hängt jetzt an der gläsernen Eingangstür der Bücherei ein Zettel: “Am 21. Dezember ist der letzte Öffnungstag der Stadtbücherei in 2024. Der erste Öffnungstag im neuen Jahr ist der 07. Januar 2025.”
Fast drei Wochen lang ist das “Wohnzimmer der Stadt” also demnächst wieder geschlossen.
Na klar, es sind ja auch Ferien!
Wer liest da schon ein Buch?
Sollen sich die Kinder und Jugendlichen doch woanders vergnügen!
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– UPDATE – Magistrat reagiert: Team der Stadtbücherei ist voll ausgelastet
Einen Tag nach Erscheinen unseres Berichts reagierte das Rathaus. Sie veröffentlichte ein Schreiben, in dem der Magistrat erklärt, warum die Öffnungszeiten der Stadtbücherei nicht verlängert werden.
Zusammengefasst heißt es in dem knapp zweieinhalbseitigen Schreiben: Die Mitarbeiter würden neben den “normalen” Öffnungszeiten auch “pädagogische Angebote” für Schulen und Kindertagesstätten machen, bei denen andere Besucher der Stadtbücherei nur stören würden. Auch müssten sie zurückgegebene und neue Medien einsortieren und darüber hinaus einmal im Monat Medien an mobilitätseingeschränkte Personen im Stadtgebiet verteilen. Damit seien die Mitarbeiter weitere 21 Stunden pro Woche beschäftigt, so dass man “insgesamt 44 Wochenstunden” zur Verfügung stehe.
Die Frage, ob es bereits Planungen für die von vielen gewünschte Ausweitung der Öffnungszeiten gibt, wird vom Magistrat nicht beantwortet. Ebenso wenig wird erklärt, warum die Bücherei in den Ferien geschlossen wird.
Und auch auf den Beschluss des Stadtparlaments aus Mai 2023, wonach das Thema im Kulturausschuss sowie im Haupt- und Finanzausschuss zu beraten sei, wird von der Stadtspitze nicht weiter eingegangen.
Wir dokumentieren die Antwort des Magistrats im Wortlaut:
Gemäß § 2 des Hessischem Bibliotheksgesetz haben Bibliotheken, darunter auch öffentliche Büchereien in städtischer Trägerschaft, folgende Aufgaben:
- Als Bildungseinrichtung Partner für lebensbegleitendes Lernen sein.
- Orte der Wissenschaft, der Kultur, der Begegnung und Kommunikation sein.
- Den Erwerb von Wissen und damit gesellschaftliche Integration fördern.
- Aktiv an der Weiterentwicklung der Gesellschaft mitwirken.
- Dienstleister der modernen Wissensgesellschaft zu sein, die Wissen als Allgemeingut verstehen, an dem jedes Mitglied der Gesellschaft teilhaben und mitwirken kann.
- Lese-, Medien- und Informationskompetenz ihrer Nutzerinnen und Nutzer durch geeignete Maßnahmen zu stärken.
- Mit anderen Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kitas zusammenzuarbeiten.
- Durch kulturelle Veranstaltungen in der Öffentlichkeit präsent zu sein.
- Kooperationspartner für andere kulturelle Einrichtungen zu sein, um an einem spartenübergreifenden Kulturangebot mitzuwirken.
- Bibliotheken sind Teil der kulturellen Infrastruktur.
- Bibliotheken sollen Autorinnen und Autoren der Region ein Forum für ihre Werke geben.
- Sie ermöglichen die demokratische Teilhabe an der politischen Willensbildung, in dem sie Zugang zu allgemeinen Informationsquellen durch einen politisch, weltanschaulich und religiös ausgewogenen Bestand gewährleisten.
- Durch ihre digitalen Informations- und Publikationsangebote tragen Bibliotheken zum freien Zugang zu Wissen und Bildung sowie zur Meinungs- und Informationsfreiheit in Gesellschaft und Wissenschaft bei.
- In der Auswahl ihrer Medien und Informationsmittel sind sie unabhängig.
- Sie unterstützen Menschen mit Behinderungen sowie Menschen in schwierigen Lebenssituationen durch geeignete Informations- und Medienangebote.
- Sie sind barrierefreie Orte der Begegnung und der Kommunikation.
- Sie fördern bürgerschaftliches Engagement.
- Sie binden Nutzerinnen und Nutzer in ihre Arbeit ein und entwickeln Konzepte der Partizipation.
- Sie leisten einen Beitrag zu sinnvoller und erfüllender Freizeitgestaltung.
Der Gesetzgeber hat damit eine Fülle von Aufgaben für Bibliotheken und damit auch für unsere Stadtbücherei definiert. Um diesen Aufgaben und allen Nutzerinnen und Nutzern gerecht zu werden differenzieren wir bei der Definition von „Öffnungszeiten“ zwischen den „öffentlichen Zeiten“, in denen die Tür unserer Einrichtung allen offensteht (insgesamt 23 Wochenstunden) UND den Zeiten, in denen wir für Schulen und Kindertagesstätten pädagogische Angebote anbieten (insgesamt 21 Wochenstunden). Diese Angebote erfordern, dass ein störungsfreies Arbeiten möglich sein muss, d.h. außerhalb der vorgenannten Öffnungszeit im Sinne von „offener Tür“. Diese Angebote finden ausschließlich montags, sowie vor und nach den öffentlichen Zeiten statt.
Dass beides nicht parallel funktioniert belegen folgende Fakten:
- Während der allgemeinen Öffnungszeiten haben wir stabil 300 Nutzerinnen und Nutzer pro Tag. In der Regel sind alle Lern- und Arbeitsplätze belegt.
- Wir arbeiten aktuell an einem Konzept, wie unser Kreativraum für kreative Angebote genutzt werden kann. Dieser ist als Lern- und Arbeitsplatz während der öffentlichen Zeiten regelmäßig belegt und kann somit auch nur außerhalb der öffentlichen Zeiten für kreative Angebote genutzt werden.
- Das Personal hat während der öffentlichen Zeiten andere Aufgaben. Jede öffentliche Zeit fordert (pro Tag) eine personelle Besetzung von sechs Mitarbeitenden.
Bis Jahresende finden folgende pädagogischen Angebote statt:
- 13 Führungen mit Kindergartengruppen
- Start des Projekts „Bücherwind“ (Leseförderprojekt für Kitas)
- Kita-Führungen zum Thema „Kinderrechte“
- Kita-Führungen zum Thema Weihnachten
- Kita-Führungen zum Bücherei-Führerschein
- Angebote für Kindergruppen U3
- Fünf Veranstaltungen der Bilderbuchzeit
- Drei Veranstaltungen im Rahmen des Märchenprojekts in Zusammenarbeit mit der Kulturwerkstatt
- Drei Veranstaltungen „Bibliomania“ für 6. Schulklassen
Somit haben wir Stand 19.11.2024 in 24 verbleibenden Arbeitstagen bis Jahresende 24 pädagogische Angebote.
Addieren wir die öffentlichen und pädagogischen Zeiten steht die Stadtbücherei insgesamt 44 Wochenstunden unseren Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung.
Zur Arbeit in der Stadtbücherei gehören darüber hinaus:
- Täglich rd. 400 zurückgegebene Medien zurück zu sortieren (incl. Außenrückgabe),
- Pro Woche rd. 75 neu erworbene Medien in den Bestand einzuarbeiten
- Und pädagogische Angebote vorzubereiten (Konzeption, Einkauf von Material, etc.)
- Jeden ersten Dienstag im Monat ist das Team zudem im gesamten Stadtgebiet unterwegs, um mobilitätseingeschränkte Personen mit Medien zu versorgen. Dieser Service ist für Inhaberinnen und Inhaber eines gültigen Leseausweises nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Fazit:
Die Öffnungszeiten unserer Stadtbücherei betragen 44 Wochenstunden und gehen deutlich über das Maß der öffentlichen Zeiten von 23 Wochenstunden hinaus. Beide Zeiten haben ihre Berechtigung und ermöglichen uns die Erfüllung des vielfältigen gesetzlichen Auftrags.
Eine Erweiterung der öffentlichen Zeiten ginge zulasten der pädagogischen Angebote und damit vor allem zulasten der Kinder und Jugendlichen und kann daher von uns als Bildungseinrichtung in Hofheim als Kreisstadt und Schulstandort nicht empfohlen werden.
Nur mal so:
Stadtbücherei Frankfurt
Mo-Fr 10 – 19 Uhr / Sa 11 – 17 Uhr
Winterpause vom 24.12. bis 26.12.2024 und vom 29.12.2024 bis 1.1.2025
Hofem Schlofem halt.
Als Bibliothekarin leuchtet mir das Antwortschreiben des Magistrats ein. Das ändert aber nichts am schlechten Politikstil (Anträge verschleppen, Anfragen nicht oder erst sehr spät beantworten).