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Kreisblatt in Not: Leser flüchten – und jetzt schrumpfen auch noch die Zeitungsseiten

Gepostet in Allgemein

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Das Kreisblatt schrumpft, und zwar gewaltig! Mit Beginn des neuen Jahres wird die Zeitung deutlich verkleinert: Die einst so stolze Lokalzeitung wird dann so mini sein wie jetzt schon die Hofheimer Zeitung. Wir blicken hinter die Kulissen, nennen Ihnen die neuesten Auflagenzahlen (die leider wieder gar nicht gut aussehen) und erklären auch, warum die Leserinnen und Leser flüchten. Sie haben allen Grund dazu.

Die Nachricht wurde von der Redaktion so unauffällig wie möglich platziert. Klein und unscheinbar stand sie auf der ersten Lokalseite des Kreisblatts, in der linken Randspalte, dort, wo die Leser sie nicht gleich entdecken:

„155 Euro sind beim großen Leserfest zum 175. Geburtstag des Höchster Kreisblatts, das wir Mitte September vorm Alten Rathaus in der Hofheimer Hauptstraße feierten, zusätzlich für die Leberecht-Stiftung zusammengekommen…“

Meldung Leserfest 2024 09
Zum Vergrößern anklicken: Die Meldung vom Mini-Erlös beim Kreisblatt-Leserfest.

155 Euro! Bei einem großen Leserfest! Da landet ja bei jedem Kindergeburtstag mehr Geld im Sparschwein!

Vor nicht allzu langer Zeit hätte die Redaktion einen solchen Betrag noch schamhaft verschwiegen. Oder besser: Der Verlag hätte hinter die 155 eine Null gesetzt und den Betrag großzügig aufgerundet.

So aber steht der Mini-Erlös als Symbol für die schleichende Marginalisierung und den Relevanzverlust der Printmedien. Und jetzt kommt auch noch hinzu: Die einst führende Lokalzeitung Hofheims wird optisch zusammengestutzt. Mit Beginn des neuen Jahres erscheint sie in deutlich verkleinertem Format.

Die selbst verordnete Schrumpfkur – jede Seite des Kreisblatts wird um rund 40 Prozent verkleinert! – macht deutlich, was uns auch die aktuellen Verkaufszahlen verkünden:

Für Hofheims Lokalzeitungen geht es abwärts, immer weiter abwärts!

Firmenkonstrukt tarnt den Niedergang

Über die Nöte anderer Branchen berichtet das Kreisblatt immer wieder gerne: Wenn die Postfiliale in Marxheim oder die Apotheke in Lorsbach schließt, ein Laden in der Innenstadt aufgibt oder eine Solarfirma in Diedenbergen pleite geht… – das sind große Geschichten für die Redaktion.

Über die eigene prekäre Situation dagegen wird nicht berichtet. Kein Wort! Das Thema ist offenbar tabu für die Redaktion. Gleichzeitig wird mit einem Firmenkonstrukt die wirtschaftliche Misere vor den Lesern verschleiert. Wie das funktioniert? Ganz einfach:

Das Anzeigengeschäft des Kreisblatts wurde in ein Unternehmen namens RheinMainMedia GmbH (RMM) ausgelagert. RMM schnürte ein Anzeigenpaket, das nicht nur das Kreisblatt umfasst, sondern auch die MTK-Ausgaben der Frankfurter Rundschau und der FAZ-Lokalausgabe Rhein-Main.

Nur die Gesamtauflage dieser drei Zeitungen wird öffentlich genannt. So lässt sich die eigene Krise geschickt kaschieren: Auf den ersten Blick sehen die veröffentlichten Auflagenzahlen ganz propper aus. Bei genauerem Hingucken aber offenbart sich, dass der Absturz selbst im Verbund nicht mehr aufzuhalten scheint. Das sind die Fakten:

Zum Vergrößern anklicken: Diese Grafik zeigt die Entwicklung der Abo-Auflage von Kreisblatt, MTK-Rundschau und MTK-FAZ/Rhein-Main seit 2013 (jeweils 3. Quartal)
Zum Vergrößern anklicken: Diese Grafik zeigt die Entwicklung der Abo-Auflage von Kreisblatt, MTK-Rundschau und MTK-FAZ/Rhein-Main seit 2013 (jeweils 3. Quartal)

Die drei MTK-Lokalzeitungen hatten im dritten Quartal dieses Jahres zusammen nur noch 16.709 Abonnenten. Das sind 6,27 Prozent weniger als im dritten Quartal des Vorjahres.

Man kann es auch so sagen: Über tausend Abonnenten haben die Zeitung abbestellt – in nur einem Jahr. Das tut richtig weh!

Neben dem Abonnement werden die Zeitungen auch in Geschäften und Tankstellen zum Kauf angeboten, der sogenannte Einzelverkauf: Hier konnten nur noch 1.037 Exemplare abgesetzt werden – ein Minus von 18,79 Prozent.

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Zum Vergrößern anklicken: Diese Grafik nennt die Zahlen aus dem Einzelverkauf von Kreisblatt, MTK-Rundschau und MTK-FAZ/Rhein-Main seit 2013 (jeweils 3. Quartal)

Um diese Zahlen richtig einzuordnen, muss man wissen, dass die drei MTK-Lokalzeitungen – anders als der Name vermuten lässt – nicht nur im Main-Taunus-Kreis verkauft werden. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst auch die westlichen Stadtteile Frankfurts, dazu die Landeshauptstädte Wiesbaden und Mainz sowie den Rheingau-Taunus-Kreis.

Da fragt man sich natürlich schon: Welche Bedeutung hat das Kreisblatt eigentlich noch in der Kreisstadt? Wie viele Hofheimerinnen und Hofheimer kaufen diese Zeitung? Wie viele lesen sie noch?

Sind es überhaupt noch 1000?

Oder sind es nicht längst viel weniger?

In Berlin gibt es einen Verein mit dem etwas sperrigen Namen “Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern”, kurz: IVW. Hier melden die Verlage die durchschnittliche Auflage ihrer Zeitungen. Die IVW prüft die Angaben und veröffentlicht sie vierteljährlich:

Genannt werden neben der Druckauflage unter anderem die Abonnements und Einzelverkäufe. Diese Zeitungen werden zum regulären Preis verkauft und gelten als “harte Auflage”.

Daneben gibt es die so genannten “Bordexemplare”: Diese Zeitungen werden zu einem stark reduzierten Preis an Fluggesellschaften abgegeben (die sie wiederum an die Passagiere verschenken). Zudem werden Zeitungen zu einem geringen Preis an Unternehmen (z. B. Hotels) abgegeben: Das sind die “Sonstigen Verkäufe”.

Sowohl die “Bordexemplare” als auch die “Sonstigen Verkäufe” sind Marketinginstrumente, mit denen die Verlage ihre Auflagenzahlen aufhübschen können.

Das nutzen auch Kreisblatt, MTK-Rundschau und MTK-FAZ/Rhein-Main: Zu den Abos (16.709) und Einzelverkäufen (1.037) rechnete der Verlag im dritten Quartal 3.415 Bordexemplare plus 248 Sonstige Verkäufe hinzu.

Heraus kommt eine Zahl, die der Verlag dann als als “verkaufte Auflage” angibt: 21.409 Exemplare.

Pressevielfalt in Hofheim - das war einmal

Um die Tristesse der medialen Realität besser verstehen zu können, werfen wir zunächst einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Hofheim am Taunus, die selbstbewusste Kreisstadt im Speckgürtel der Mainmetropole Frankfurt, hat eine blühende Presselandschaft – gehabt:

Das Höchster Kreisblatt ist eine Lokalausgabe der Frankfurter Neuen Presse (FNP), die im Frankfurter Societäts-Verlag erschien. Man leistete sich großzügige Büroräume am Untertorplatz, mit einer eigenen Anzeigenabteilung und Geschäftsstelle.

Die Hofheimer Zeitung, eine kleine Lokalzeitung aus einem Mainzer Verlag, unterhielt ein Büro unweit des Bahnhofs.

Die überregionale Frankfurter Rundschau hatte für ihre MTK-Lokalredaktion ein eher bescheidenes Hinterhofbüro ganz in der Nähe angemietet.

Die große FAZ schickte gelegentlich Mitarbeiter in die Kreisstadt, die für den FAZ-Lokalteil „Rhein-Main“ berichteten.

Vier Lokalzeitungen in einer Stadt mit rund 40.000 Einwohnern: Das ist enorm!

Für redaktionelle Vielfalt war bestens gesorgt!

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Das Werbeschild des Kreisblatts an der Häuserzeile am Untertorplatz. Die einst großzügigen Räumlichkeiten der Zeitung sind inzwischen stark geschrumpft.

Der Niedergang vollzog sich in nur wenigen Jahren und unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Hier im Zeitraffer:

Vor gut zehn Jahren übernahm der eher konservativ ausgerichtete Societäts-Verlag die linksliberale Frankfurter Rundschau. Das Blatt war wirtschaftlich und redaktionell heruntergewirtschaftet und in die Insolvenz geschlittert.

Wenige Jahre später ging der Societäts-Verlag samt Kreisblatt und Rundschau an ein Unternehmen namens Zeitungsholding Hessen mit Sitz in Kassel: Dahinter stehen Verlage in Gießen und im westfälischen Hamm – und vor allem der Großverleger Dirk Ippen (Sitz: München), der bundesweit ein verschachteltes Medienimperium mit zahlreichen Tageszeitungen, Radiosendern und Anzeigenblättern aufgebaut hat.

Zwei Jahre später wechselte schließlich auch die Hofheimer Zeitung den Besitzer: Das Blatt wurde von einem Gießener Verlag übernommen, der über Miteigentümer in der Zeitungsholding Hessen vertreten ist.

Damit sind Kreisblatt, Rundschau und Hofheimer Zeitung heute de facto “in einer Hand”.

Die Pressevielfalt in der Kreisstadt ist endgültig Geschichte.

Publizistischer Einheitsbrei für Zeitungsleser

Schauen wir über den regionalen Tellerrand, sehen wir, dass Lokalzeitungen überall im ganzen Land mit sinkenden Auflagen, schrumpfenden Werbeeinnahmen und finanziellen Engpässen zu kämpfen haben. Die Folge: Kleinere Zeitungen werden von großen Verlagen aufgekauft, und dann heißt es Kosten sparen:

Seitenumfänge werden reduziert. Personal wird „abgebaut”. Redaktionen werden zusammengelegt

Verlagsmanager sprechen in solchen Fällen blumig von einer „Stärkung durch Synergie- und Transformationspotenziale“. Sie argumentieren, nur so ließen sich sinkende Anzeigenerlöse und anhaltende Auflagenverluste kompensieren. „Strategisches Kostensenkungsprogramm“ nennen sie es: Das sei die einzige Überlebenschance für Lokalzeitungen.

Kritiker sehen die Konzentration im Medienbereich mit großer Sorge: Monopolistische Tendenzen auf dem Informationsmarkt, so die Befürchtung, hätten bedrohliche Folgen für unsere Demokratie. Das Verschwinden ehemals unabhängiger Lokalzeitungen führe in vielen Kommunen zu einem Informationsvakuum, in dessen Folge politische Entscheidungen intransparent getroffen würden und das öffentliche Bewusstsein für lokale Probleme abnehme.

Drei Zeitungen - überall derselbe Bericht

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Ein Beispiel von vielen: Der Bericht "Stadt macht noch keine Jagd auf Nutrias" stand erst im Kreisblatt...
Rundschau 20240307 e1710006558552
...wurde einen Tag später von der Frankfurter Rundschau im Lokalteil noch einmal abgedruckt...
HZ 20240308
...und war zwei Tage später als Titelgeschichte in der Hofheimer Zeitung zu lesen.

Diese Entwicklung erleben wir auch hier in Hofheim, jeden Tag:

Kreisblatt und Rundschau, die früher um die besten Informationen und Geschichten konkurrierten, tauschen heute ihre Berichte untereinander aus: Das spart Arbeit und damit Personal und damit Kosten. Wobei die Rundschau, die ihr Redaktionsbüro in Hofheim längst aufgegeben hat, die Berichterstattung aus der Kreisstadt von “manchmal” auf “sehr sehr selten” reduziert hat.

Die Hofheimer Zeitung, die heute in den Kreisblatt-Räumen sitzt, hat sich von einer eigenständigen Berichterstattung fast völlig verabschiedet. Sie recycelt Kreisblatt-Artikel und ergänzt sie mit kostenlos angelieferten Vereinsberichten und zusammengeklaubten Behördenmitteilungen.

Das ist die traurige Zeitungsrealität in der 40.000-Einwohner-Kreisstadt: Die Hofheimer Zeitungsleser bekommen publizistischen Einheitsbrei vorgesetzt.

Kreisblatt verkauft seinen Lesern Behördentexte

Im Zuge redaktioneller Sparmaßnahmen wurden auch journalistische Standards geschreddert. Früher galt es als No-Go, behördliche Mitteilungen im Wortlaut zu veröffentlichen: Denn auf diese Weise wird die journalistische Glaubwürdigkeit – einst das große Kapital der Lokalzeitungen – untergraben und letztlich zerstört.

Die Redaktion des Kreisblatts scheint damit kein Problem zu haben: Immer wieder veröffentlicht sie Artikel, die in den Pressestellen der Rathäuser entstanden sind. Dass der Magistrat und seine Arbeit darin ausschließlich positiv dargestellt werden, dürfte kaum überraschen. Die Zeitung kennt da kein Pardon: Sie druckt die Rathaus-Texte einfach ab, oft wörtlich.

Da freut sich die Stadtspitze und lobt die Redaktion: Tolle Zeitung!

Vogt-Fotos im Kreisblatt - der Steuerzahler zahlt

Die Pressestelle des Hofheimer Rathauses verschickt nahezu täglich Meldungen und Fotos, die über die Arbeit des Magistrats informieren sollen – naturgemäß ausschließlich positiv. Auffallend häufig dabei: Berichte mit und über Bürgermeister Christian Vogt, der sich zu nahezu jedem Thema äußert. Wir dokumentieren hier seine Bilanz eines einzigen Monats: Im Juli schaffte es die Pressestelle des Rathauses, sieben Berichte mit jeweils einem Vogt-Foto im Kreisblatt zu lancieren (ein Klick auf das Foto zeigt den jeweiligen Zeitungsartikel). Das sind fast zwei Vogt-Fotos pro Woche – rekordverdächtig!

Das Kreisblatt geht sogar noch einen Schritt weiter: Es druckt Pressemitteilungen der Verwaltung oftmals nicht nur wörtlich ab, sondern setzt als Autorenkürzel die Buchstaben „red“ darunter.

„red“ steht für „Redaktion“: Der Leser soll offenbar glauben, dass es sich bei den – im Rathaus verfassten – Texten um redaktionelle Beiträge handelt.

Nachdem der Hofheim/Kriftel-Newsletter diese Praxis als Lesertäuschung und als klaren Verstoß gegen den Pressekodex (Ziffer 1.3: „Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden.“) kritisiert hatte, wird inzwischen – nicht immer, aber zumindest manchmal – ein kleiner Hinweis in die Verwaltungstexte eingeflochten:

“Wie die Stadtverwaltung mitteilt”, heißt es dann. Oder: “…teilt die Pressestelle der Stadt mit”. Mehr Mühe wird nicht investiert: Der Rest des Textes wird meist so übernommen, wie ihn das Rathaus vorgegeben hat.

Eine Lokalseite aus dem Kreisblatt: Die hier rot unterlegten Berichte und Fotos wurden von der Pressestelle der Stadtverwaltung Hofheim erstellt. Die Zeitung hat sie unverändert übernommen. Die Redaktion nennt nicht das Rathaus als Quelle, sondern setzt unter jeden Bericht das Autorenkürzel "red" - als wäre der Text in der Redaktion entstanden.
Eine Lokalseite aus dem Kreisblatt: Die hier rot unterlegten Berichte und Fotos wurden von der Pressestelle der Stadtverwaltung Hofheim erstellt. Die Zeitung hat sie unverändert übernommen. Die Redaktion nennt nicht das Rathaus als Quelle, sondern setzt unter jeden Bericht das Autorenkürzel "red" - als wäre der Text in der Redaktion entstanden.

Wir haben Max Rempel dazu befragt. Der Mann ist Miteigentümer der “Zeitungsholding Hessen” und in Personalunion Geschäftsführer und Chefredakteur des Kreisblatts, er steht außerdem als Geschäftsführer im Impressum der Hofheimer Zeitung.

Rempel findet nichts dabei, Behördentexte als redaktionelle Arbeit auszugeben: Das Kürzel “red” werde “seit jeher verwendet”, teilt er uns auf Anfrage mit. “Inhaltliche Autorenschaft maßen wir uns damit nicht an. Es signalisiert, dass die betreffenden Texte durch die Redaktion geprüft und bearbeitet worden sind.”

Was die Leser von solchem „Journalismus“ halten, spiegelt sich in der Auflage wider: Sie geht immer weiter runter. Längst spricht die Branche von einem Teufelskreis:

Erst sinkt die Qualität, dann die Auflage.

Weitere Konzentrations- und Sparrunden folgen.

Wenn wir die aktuellen Auflagenzahlen mit denen von vor zehn Jahren vergleichen, wird das ganze Ausmaß des Hofheimer Zeitungselends deutlich:

Im dritten Quartal 2014 hatten die drei MTK-Zeitungen stolze 31.724 Abonnenten. Seitdem ist diese Zahl um 47,33 Prozent regelrecht eingebrochen.

Im Einzelverkauf wurden damals 2.583 Exemplare abgesetzt. Heute sind es nur noch 1.037- ein Minus von fast 60 Prozent.

Längst ist das Schicksal der Lokalzeitungen mit dem der Schallplatten vergleichbar: Kaum jemand kann noch etwas mit ihnen anfangen. Wobei der Unterschied eklatant ist:

Schallplatten werden von begeisterten Musik-Enthusiasten gehört.

Gedruckte Zeitungen werden fast nur noch von älteren Menschen gekauft. Print-Leser sind überwiegend im Rentenalter oder kurz davor.

Kreisblattseiten schrumpfen ab Januar 2025

Der Verlag ist jetzt in die Offensive gegangen, er kündigt sie als “klares Bekenntnis zur gedruckten Zeitung für das nächste Jahrzehnt” an. Es geht allerdings nicht um eine Verbesserung der Inhalte, eher um einen weiteren Versuch, die Kosten zu senken:

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Zum Vergrößern anklicken: Diese Grafik zeigt, wie das Kreisblatt ab 2025 schrumpfen wird.

Das Format des Kreisblatts wird deutlich kleiner. Die einzelnen Zeitungsseiten werden nahezu halbiert.

In einer Beilage wird versucht, die Leser davon zu überzeugen, dass man dem Schrumpfen der Seiten ja auch Positives abgewinnen könne: Man habe Millionen in eine neue Druckerei investiert – das neue Format sei ein Schritt, “um die gedruckte Zeitung zu stärken”.

Das Kreisblatt gibt sich richtig staatstragend:  Unsere Demokratie sei in Gefahr und deshalb gesellschaftlicher Zusammenhalt gefordert: “Unsere Hoffnung ist, dass viele Menschen es auch so sehen und bereit sind, unsere Arbeit zu finanzieren.”

Die Wahrheit hinter solch hehren Worten: Für den Verlag ist es schlicht günstiger, alle seine Zeitungen nur noch in einem Format zu drucken – deshalb muss das Kreisblatt schrumpfen.

Die Hofheimer Zeitung wurde bereits vor zwei Monaten auf das neue – kleinere – Format umgestellt.

Und auch die Frankfurter Rundschau – die, siehe oben, zur Zeitungsgruppe Hessen gehört – bekommt ab 1. Januar 2025 das neue Format verpasst.

Auch die Frankfurter Rundschau?

Aufmerksame Beobachter der Zeitungsszene werden sich erinnern: Im Jahr 2007 hatte die Rundschau ihr Format geradezu revolutionär verkleinert: Sie erscheint seither und bis heute im sogenannten Tabloid-Format. Auch damals wurden die Leser umgarnt: “Die Zeitung der Zukunft – und es gibt eine Zukunft für die Printmedien – wird kleiner sein”, hieß es. Man wolle der Rundschau “einen neuen, jüngeren und unverwechselbaren Klang” geben. Das Tabloid-Format sei handlicher, besser mitzunehmen und leichter zu lesen

Nun die Rolle rückwärts: Die Frankfurter Rundschau wird größer. Die Sprüche von damals – “die Zukunft wird kleiner sein” – sollten wohl nur die Leser einlullen.

Warum sollte das heute anders sein?

Bald gar keine Lokalzeitung mehr?

In der Kreisblatt-Beilage zur Formatumstellung kommt eine junge  Redakteurin zu Wort: “Auf die Größe sollte es bei einer Tageszeitung nicht ankommen, sondern auf den Inhalt.”

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Leider hapert es genau daran: am Inhalt.

In einer kritischen Analyse des Lokaljournalismus stellt Ellen Nebel vom Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt eine Frage, auf die auch hier eine Antwort gesucht wird: “Wo gibt es den wirklich guten, kritischen Zeitungs­lokal­journalismus denn eigentlich noch?”

Wie die Zeitung ihre eigenen Leser vergrault

Hoechster Kreisblatt 11.11.2024
Rot eingekreist: Gleich zweimal schreibt das Zeitung von einer Gedenktafel aus Sandstein, die zerbröselte. Dabei war die Tafel aus Stahl.

Ein Beispiel dafür, warum die Zeitung Leser verliert: Zum Jahrestag der Reichspogromnacht weihte die Stadt eine neue Gedenktafel hinter dem Türmchen ein. Zur Begründung hieß es im Kreisblatt gleich zweimal: “Die alte Tafel aus Sandstein” sei “zunehmend zerbröselt”. Das war blanker Unsinn: Die alte Tafel bestand aus knallhartem Cortenstahl, der Rost angesetzt hatte – die eingravierten Namen der ermordeten Juden waren unleserlich geworden. Der Hofheim/Kriftel-Newsletter hatte vor einem Jahr berichtet, woraufhin die Stadt eine neue Tafel anfertigen ließ – nun aus Acrylglas. Eine Leserin beschwerte sich beim Kreisblatt über den “peinlichen Fauxpas”, doch die Redaktion hielt eine Korrektur nicht für nötig. Die Frau verärgert: “Fehler passieren. Aber man muss auch dazu stehen können. Ich habe das Blatt abgestellt.”

Frau Nebel beschreibt, was auch die Zeitungsleser in Hofheim erleben: Fehlender Konkurrenzdruck befeuere “die ohnehin vorhandene Tendenz, Lokalredaktionen verschiedener Städte zusammenzulegen und kleinzusparen“. Unterm Strich bekämen Zeitungsleser heute vielerorts eine schlechte journalistische Qualität – bei gleichzeitig steigenden Abo-Preisen.

Und deshalb seien immer weniger Menschen bereit, mehrere hundert Euro im Jahr für etwas auszugeben, das kaum noch einen Mehrwert für sie hat. Die Journalistin: “Um es mit den Worten einer 80- jährigen treuen Lokalzeitungsleserin aus dem Taunus zu sagen: ,Die Zeitung kostet inzwischen fast 680 Euro jährlich, dafür kann ich eine Woche in den Westerwald fahren.’”

Immer mehr Journalisten läuten dem gedruckten Medium das Totenglöckchen: Die einen bezeichnen die gedruckte Zeitung als “Abfallprodukt”: Denn die Zukunft, davon sind sie überzeugt, ist digital.

Andere sprechen offen von “Verlierermedien”, weil Auflagenschwund, Anzeigenrückgang, Personalabbau und nicht zuletzt Reputationsverlust die Zeitungen zur Bedeutungslosigkeit verdammten.

Erste Zeitungsverlage in Deutschland haben bereits drastische Konsequenzen gezogen: Sie stellten die Zustellung der gedruckten Zeitung in ländlichen Gebieten ein. Andere reduzieren die gedruckte Zeitung auf eine Wochenendausgabe.

Die Süddeutsche berichtete, anderthalb Jahre ist es her: Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) rechne damit, dass bis 2025 rund 4.400 Kommunen von gar keiner Lokalzeitung mehr beliefert werden könnten. “Das wären knapp 40 Prozent aller deutschen Gemeinden.”

Nun steht das Jahr 2025 vor der Tür – und das Kreisblatt schrumpft gewaltig. Dass die Leserinnen und Leser jubeln werden, ist unwahrscheinlich. Eher werden sich noch mehr abwenden

Und so ist nicht auszuschließen, dass sich die düsteren Vorahnungen der Zeitungsverleger bewahrheiten – und eines Tages die kleine Kreisstadt Hofheim ganz ohne eigene Lokalzeitung dasteht.

Jetzt mal ehrlich: Wer würde dann weinen?

In der nächsten Folge:

Die “Hofheimer Zeitung” in der Tiefenanalyse. Zahlen, Daten und gar nicht schöne Fakten. Bonus: Wie der Hofheim/Kriftel-Newsletter den Verlag vor möglicherweise teuren Strafzahlungen bewahrte

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Transparenz-Hinweis: Der Autor gehörte von 2008 bis 2017 zur Chefredaktion von FNP/Kreisblatt; 2013 koordinierte er die redaktionelle Integration der Frankfurter Rundschau in den Societäts-Verlag.

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2 Kommentare

  1. Ron

    Wer braucht schon MTK- Prawdas?

    6. Januar 2025
    |Antworten
  2. Nur eine Meinung

    Ist der Inhalt in den Online-Versionen besser? Ich denke nicht. Daher ist das keine Lösung.
    Wenn Berichterstatter nicht wissen, wo oder ob ihr Bericht veröffentlicht wird, dann ist doch schon was falsch. Ist der investigative Journalismus noch gefragt?
    Wie gefährlich leben diese Journalisten?
    Soll dieser unaufgeregte Inhalt eine Überlebensversicherung sein. Haben die Zeitungen Angst um ihre Auflagen, wenn es zu kritischen Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft kommt? Wohl kaum, der Niedergang erfolgt trotzdem, er ist in dem heutigen Blog beschrieben.

    7. Januar 2025
    |Antworten

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