Viele Hofheimer werden demnächst Post aus dem Rathaus bekommen, für manche wird es unangenehm: Die Bescheide über die Grundsteuer B werden verschickt – alle Wohnungseigentümer müssen diese Steuer zahlen, Vermieter können sie voll an ihre Mieter weitergeben. Die Steuer wurde neu berechnet, und das sorgt für große Verunsicherung: Habe ich Glück, muss ich weniger zahlen? Oder gehöre ich zu den Verlierern und werde vielleicht richtig zur Kasse gebeten? Die Stadt hält sich mit Informationen zurück – aus gutem Grund. Wir klären auf.
Diese “Preissteigerung” in Hofheim hat kaum jemand mitbekommen: Ohne große Diskussion stimmten die Stadtverordneten Ende letzten Jahres zu. Es ging alles ruckzuck:
Mitte November stellte CDU-Bürgermeister Christian Vogt seine Pläne für eine neue Grundsteuer vor.
Am 4. Dezember stimmte der Haupt- und Finanzausschuss zu.
Am 11. Dezember wurde die neue “Hebesatzsatzung” vom Stadtparlament beschlossen (3 Enthaltungen), und am 16. Dezember wurde sie per “Amtlicher Bekanntmachung” offiziell verkündet. Damit konnte sie am 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten:
Die Grundsteuer B beträgt in Hofheim nun 658,23 Prozent. Zuvor waren es 510 Prozent.
Gleichzeitig wurde die Grundsteuer A (für land- und forstwirtschaftliche Betriebe) gesenkt: Sie beträgt jetzt 336,20 Prozent (vorher: 400 Prozent).

Die Grundsteuer B betrifft fast alle Bürger: Sie wird auf bebaute und unbebaute Grundstücke erhoben. Jeder Eigentümer einer Wohnung muss sie zahlen. Auch Mieter sind direkt betroffen: Die Grundsteuer B kann vollständig auf die Miete umgelegt werden.
Die Hintergründe sind recht komplex, hier in vereinfachter Form: In Deutschland musste die Grundsteuer B nach einem höchstrichterlichen Urteil reformiert werden. In Hessen wurde ein so genanntes Flächen-Faktor-Verfahren eingeführt: Alle Eigentümern von Immobilien mussten ihre Grundstücksgröße sowie Wohn- und Nutzflächen angeben, und die Finanzämter errechneten daraus sogenannte Grundsteuermessbeträge.
Es gab noch diesen Zusatz: Die Umstellung sollte aufkommensneutral erfolgen. Die Gesamteinnahmen einer Kommune aus der Grundsteuer sollten gleich bleiben. Wobei das Wörtchen “sollte” wichtig ist: Die Kommunen können selbst entscheiden.
Nach entsprechenden Berechnungen empfahl das Land Hessen für Hofheim eine Senkung der Grundsteuer A von bisher 400 auf 336,30 Prozent und eine Erhöhung der Grundsteuer B auf 658,23 Prozent. Damit wird die Stadt zwar genauso viel einnehmen wie bisher. Für den einzelnen Bürger können sich jedoch deutliche Veränderungen ergeben.
Der Bund der Steuerzahler Hessen, der auf seiner Internetseite umfangreiche Informationen zu dem Thema zusammengestellt hat, formuliert es deutlich: “Es wird Verlierer und Gewinner geben, je nach Lage der Immobilie.”
Da fragen sich jetzt natürlich viele Hofheimer: Bin ich ein Gewinner? Oder gehöre ich zu den Verlierern?
Grundsteuer B: Deshalb schweigt der Bürgermeister
Die Pressestelle des Rathauses, die fast täglich Mitteilungen zu allen möglichen politischen und gesellschaftlichen Themen verschickt, macht bisher einen großen Bogen um das Thema: Auf der Internetseite der Stadt finden sich keine konkreten Informationen zu dem brandaktuellen Thema.
Auch CDU-Bürgermeister Christian Vogt, dem nachgesagt wird, er verbringe mehr Zeit in diversen Internetportalen mit Selbstdarstellung als an seinem Schreibtisch mit Verwaltungsarbeit, zeigt sich ungewöhnlich schweigsam. Der Grund ist schnell gefunden:
Ende 2022 stellte Vogt den städtischen Haushalt für das Jahr 2023 vor. Die Frankfurter Rundschau schrieb damals: Steuererhöhungen seien nicht geplant. “Man dürfe Hausbesitzer und Mieter angesichts steigender Nebenkosten nicht noch zusätzlich belasten, argumentiert Bürgermeister Vogt.”
Das klang doch gut…
Ein Jahr später, im Dezember 2023, brachte Vogt den Haushalt 2024/2025 ein, und wieder versprach er, dass die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer gleich bleiben. Noch heute ist das auf der CDU-Homepage zu lesen, und Jens Fleck, der ehrenamtliche Stadtrat und CDU-Vorsitzende, lobt dort sich und seine Partei für Vogts Entscheidung: ,,Die Arbeit der CDU zeichnet sich stets durch eine überlegte Finanzpolitik aus. Es ist uns enorm wichtig, trotz eines erhöhten Finanzbedarfs, ohne Steuererhöhungen oder Neuverschuldungen auszukommen.”
Überlegte CDU-Finanzpolitik? Ohne Steuererhöhungen? Das haben wir jetzt davon…

Das Schweigen des Vogt dürfte auch damit zu tun haben, dass im März die Bürgermeisterwahl ansteht. Im Vorfeld will sich der CDU-Kandidat natürlich nicht mit unangenehmen Themen belasten. Und schon gar nicht dem Vorwurf aussetzen, wieder ein Versprechen gebrochen zu haben…
Dabei ist das Informationsbedürfnis groß. Leser des Hofheim/Kriftel-Newsletters baten um Aufklärung, was auf sie zukommt. Einer schrieb: “Der erste Grundsteuerhebesatz, den ich in meinen Unterlagen finden konnte, stammt aus dem Jahre 1993 und lag bei 210 Prozent.” Damals regierte noch Bürgermeister Rolf Felix.
In den vergangenen Jahren ging’s steil bergauf. 2014 stieg die Grundsteuer von 310 auf 400 Prozent. 2017 dann auf 510 Prozent.
Und jetzt liegt der Hebesatz bei 658,23.
Was bedeutet das konkret für den Eigentümer und für die Mieter?
Zunächst einmal: Die neue Grundsteuer ist nicht eins zu eins mit den bisherigen Sätzen vergleichbar. Durch die Neuberechnung mit neuen Grundsteuermessbeträgen wird es Wohnungseigentümer und Mieter geben, die weniger zahlen müssen. Auf der anderen Seite – die Neuberechnung soll ja aufkommensneutral sein – wird es dann natürlich Menschen geben, die entsprechend höher belastet werden.
Wer sich mit bürokratischen Berechnungen auskennt, kann leicht ausrechnen, was auf ihn zukommt (Mieter müssten ihren Vermieter fragen):
Den neuen Grundsteuermessbetrag müssten inzwischen alle Hausbesitzer vom Finanzamt bekommen haben. Diesen Betrag muss man mit dem neuen Hebesatz von 658,23 multiplizieren und das Ergebnis dann durch 100 teilen – das ergibt die zu zahlende Steuer.
Beispiel: Wenn der neue Grundsteuermessbetrag 55 Euro ausmacht, geht die Rechnung so: 55 mal 658,23 – das Ergebnis geteilt durch 100, das ergibt 362,03 Euro.
Rathaussprecher Jonathan Vorrath teilte auf Nachfrage mit, dass die Bescheide – also die Rechnungen – demnächst verschickt werden sollen.
Dann haben Sie Gewissheit: Zählen Sie zu den Gewinnern der Reform?
Oder sind Sie ein Verlierer?
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UPDATE:
Drei Stunden nach Erscheinen unseres Berichtes hat auch das Rathaus einen Beitrag auf der städtischen Internetseite veröffentlicht: Informationen zur Grundsteuerreform. Wichtigste Nachricht darin: Der Stadtverwaltung liegen angeblich erst rund 90 Prozent aller zu bewertenden Grundstücke vor. Deshalb würden die Grundsteuerbescheide “voraussichtlich im Mai 2025” verschickt. Das heißt auch: Die Rechnungen gehen erst nach der Bürgermeisterwahl raus.
Hofhem – Schlofem
Den Skandal sehe ich eher nicht in der Höhe des von der Stadtverordnetenversammlung festgesetzten Hebesatzes, sondern in der Trägheit der Verwaltung, die nicht in der Lage ist, Bescheide zu verschicken, Jahre nachdem die Bürger ihre Erklärungen eingereicht haben.
Dazu kommt, dass die Stadt Hofheim damit mindestens 3 Monate auf Gelder verzichtet. Ob den Bürgern mit dieser “Stundung” gedient ist, wird sich zeigen, wenn im Mai dann nicht nur der neue Steuerbetrag mitgeteilt wird, sondern auch die Nachforderung für das erste Quartal erhoben wird!
Der Bürgermeister macht sich m.E. einen schlanken Fuß, wenn er die gesamte Schuld auf das Finanzamt Hofheim schiebt. Mit 90% vorliegenden Daten könnte man ja schon was machen, und sei es den Bürgern genau sagen, wann sie mit welcher Zahlung zu rechnen haben.
Nicht ganz falsch, aber wie hoch die Steuer sein wird, kann ein Grundschüler ausrechnen : Messzahl x 658,23%=Steuer, so schwer ist das nicht.
Die eigentliche Skandal liegt an anderer Stelle, nämlich bei der hessischen Finanzverwaltung. Diese begann nämlich schon im Herbst letzten Jahres damit, Einsprüche von Steuerpflichtigen gegen die neuen Grundsteuer Messbescheide mit Einspruchsentscheidungen zurückzuweisen, obwohl die jeweiligen Gemeinden noch gar keine Entscheidung zum Hebesatz ab 2025 getroffen hatten. Der Steuerpflichtige war also gezwungen, beim hessischen Finanzgericht in Kassel Klage gegen den Messbescheid zu erheben, obwohl er gar nicht wissen konnte, welche Grundsteuer denn zu zahlen sein würde.
Ich führe über 20 Verfahren in Kassel wegen solcher Messbescheide, meine eigenen Verfahren für Immobilien in Hofheim habe ich zurück genommen, weil ich zu den Gewinnern gehöre, um im Duktus des Artikels zu bleiben
Der ausschließlich für die Grundsteuer zuständige 3. Senat des hessischen Finanzgerichts ersäuft derweil in Klageverfahren
Zitat:
“Wichtigste Nachricht darin: Der Stadtverwaltung liegen angeblich erst rund 90 Prozent aller zu bewertenden Grundstücke vor. Deshalb würden die Grundsteuerbescheide ,voraussichtlich im Mai 2025′ verschickt.
Das heißt auch: Die Rechnungen gehen erst nach der Bürgermeisterwahl raus”
Ein Schelm, wer Böses denkt!
Wieso braucht die Stadt Hofheim für die Zustellung der Bescheide bis Mitte Mai, andere Gemeinden, Städte (z.B. Frankfurt) haben diese bereits Mitte Januar verteilt! Das gleiche gilt auch für das Finanzamt Hofheim (zwischen Abgabe der Erklärung und dem Bescheid liegen i.d.R. 4 Monate, auch hier gilt für Frankfurt ca. 4 – 6 Wochen)
Die Erhöhung des Hebesatzes von 510% auf 658% ist unverschämt. Früher sagte man dazu “Raubrittertum”. Herr Scholz hatte als Finanzminister bei Merkel gesagt: “Es wird für Niemand teurer”. Das weiß er wahrscheinlich heute nicht mehr. Das Land Hessen hat den Kommunen eine Rechnung aufgemacht, wie sie kein Geld verlieren ohne Anhebung des Hebesatzes. Das war aber nur eine Empfehlung, und die Kommunen brauchen sich nicht dran zu halten. Außerdem sind die Bewertungen der Häuser und Grundstücke schon höher ausgefallen und die Kommunen hätten davon profitiert. Der Bund der Steuerzahler und der Verein der Hausbesitzer hat schon alle Betroffenen zum Widerspruch aufgerufen.
Hofheim hat sich genau an die Empfehlungen aus Wiesbaden gehalten, dh durch das neue HGrStG kommt nicht 1 € mehr über Grundsteuer in die Stadtkasse: Wo genau sind da jetzt Raubritter tätig?
Es ist schlicht falsch, dass vom Land für die Kommunen eine Rechnung aufgemacht worden sei, “wie sie kein Geld verlieren ohne Anhebung des Hebesatzes”. Das Gegenteil ist der Fall: für alle Gemeinden wurde individuell die Anpassung des Hebesatzes nach oben oder nach unten empfohlen. Eine Beibehaltung des “alten” Hebesatzes wurde keiner einzigen Gemeinde empfohlen
Der Bund der Steuerzahler wendet sich gegen das wertbasierte Bundesmodell, das in Hessen aber gar nicht gilt, das hat Herr Ruhmöller nur angedeutet. Wer es genau wissen, geht auf die Website des hessischen Finanzministers, da wird sehr anschaulich erklärt, wie die Messzahlen ermittelt werden.
Wer liest, ist klar im Vorteil.
Einspruch gegen Messbescheide dürften verfristet sein, wer auf seinen Einspruch eine Ablehnung durch Einspruchsentscheidung bekommt, dem bleibt nur die Klage vor dem Finanzgericht.