Es wird immer bizarrer! Das Kreisblatt will einen neuen Kriminalfall in Hofheim aufgedeckt haben, der wieder im Umfeld der CDU angesiedelt ist: Kritzeleien in schwarzer Schrift am Gartentor des CDU-Försters – das sei ein Fall für die Landespolizei, nein, eigentlich sogar für den Staatsschutz, schreibt die Zeitung – und gibt zugleich detaillierte Hinweise auf die mutmaßlichen Täter. Unerwähnt bleiben wesentliche Informationen, die den Fall in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.
Es sind vier Worte, geschrieben in Großbuchstaben mit schwarzem Filzstift auf hellbraunes Holz:
“HIER WOHNT DER WALDZERSTÖRER”.
Ein Unbekannter – oder war es eine Unbekannte? – hat diese Worte auf das Gartentor des Hofheimer Revierförsters Leif Leonhardt gekritzelt, vor dem Forsthaus oben auf dem Kapellenberg.
Nur eine kindische Schmiererei? Eine Bagatelle?
Nicht für das Kreisblatt!
Die Zeitung hat bekanntlich eine “zunehmende Verrohung” in Hofheim ausgemacht, und auch eine “Enthemmung”. Sie zeichnet – kaum zufällig kurz vor der Bürgermeisterwahl – ein düster-depressives Bild von der Stimmung in Hofheim: “Hass und Hetze” herrschen demnach “in allen gesellschaftlichen Bereichen”. Stets in der Opferrolle: Stadtpolitiker, männlich, CDU. Auch die Bösen sind identifiziert: Die Grünen. Die Linken. Mal die kleine Wählergemeinschaft “Bürger für Hofheim“, mal die Medien im Internet.
Die erste Folge dieser bizarren Zeitung-Krimis war überschrieben mit “Entsetzen über Nagel-Attacke”. Jetzt die Fortsetzung – Überschrift: “Gartentor des Försters beschmiert”. Inzwischen ist der Bericht auch in der “Hofheimer Zeitung” und in der “Frankfurter Rundschau” erschienen: Wo früher redaktionelle Vielfalt herrschte, wird heute publizistischer Einheitsbrei serviert – aber das ist ein anderes Thema, das hatten wir schon (hier).
Der Bericht über die Kritzelei an des Försters Gartentor ist groß, aber noch größer ist die zur Schau gestellte Empörung über den angeblichen Verfall der politischen Kultur. So kann es nicht weitergehen – es muss gehandelt werden:

Die zuständigen Behörden seien informiert, schreibt die Zeitung.
Es sei Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet worden.
Die Ermittlungen lägen nun bei der Landespolizei.
Mögliche Zeugen würden gebeten sich zu melden.
Fehlt noch etwas?
Aber ja!
Täter wendeten einen ganz fiesen Trick an
Es gebe “die Information, der Polizeiliche Staatsschutz sei eingeschaltet worden”, schreibt das Kreisblatt.
Der Staatsschutz! Die Abteilung für politisch motivierte Kriminalität soll sich offenbar um eine Gartentor-Schmiererei in Hofheim kümmern.
Im Ernst?
Die Staatsschutz-Information wird – wie die Redaktion einräumen muss – von der Polizei nicht bestätigt. Das ist auch nicht sonderlich überraschend: Der Staatsschutz wird bei Allgemeinkriminalität eingeschaltet, wenn diese dazu dient, die staatliche Grundordnung Deutschlands zu beschädigen oder deren Fundamente zu gefährden. So formuliert es ein Jurist.
Gefährdet die Kritzelei am Gartentor eines Försters wirklich unsere freiheitlich-demokratische Ordnung?
Unbestritten dagegen dürfte sein: Die Ermittlungen dürften sich schwierig gestalten. Denn der Täter – oder die Täterin – hat einen ganz fiesen Trick angewendet:
Er/sie benutzte einen abwaschbaren Filzstift.
Die Schmiererei ist längst wieder verschwunden. Wie soll die Polizei da nur den Fall aufkären?
Und dann ist da auch noch die Frage eines juristischen Laien:
Ist es eigentlich Sachbeschädigung, wenn eine Sache nicht beschädigt wurde?
Doch nur um Sachbeschädigung geht’s längst nicht mehr…
Die Zeitung hat gesät – die Hatz geht los
Das eigentlich Spannende an diesem Fall ist nicht das (verschwundene) Gekritzel auf dem Gartentor. Sondern: Wer sind die Menschen, die so etwas tun?
Das Kreisblatt gibt vor, die Antwort zu kennen: “Wer immer die Hofheimer Waldbewirtschaftung kritisiert, muss sich auf die Unterstellung gefasst machen, er könnte es ja gewesen sein, der da das Eingangstor beschriftet hat.”
Das ist ein deutlicher Fingerzeig: Denn nur wenige Tage vor dem Auftauchen der Kritzelei hatten die Ortsgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Hofheimer Lokale Agenda einen “Waldspaziergang” organisiert. Mehr als 100 Menschen kamen, ein ausgewiesener Forstexperte erläuterte ihnen den Zustand des Hofheimer Stadtwaldes, er fand kritische Worte für die Waldbewirtschaftung: Viel zu viele Bäume würden im Stadtwald aus rein wirtschaftlichem Interesse gefällt.
“Wer immer die Hofheimer Waldbewirtschaftung kritisiert…”: In der Logik des Kreisblatts dürfte damit geklärt sein, wer als Gartentor-Beschmierer unter Verdacht steht:
Es müssen die Naturschützer gewesen sein! Natürlich!

Die Folgen der öffentlichen Verdächtigung sind bereits sichtbar. Ralf Weber, der 75 Jahre alte FDP-Stadtverordnete, der es mit seinen verbalen Ausfällen zu trauriger Berühmtheit in der Stadt gebracht hat, polterte auf Facebook:
“Wenn Gutmenschentum und angelesenes Halbwissen, politisches Sendungsbewusstsein und Respektlosigkeit sowie völlige Intoleranz zusammenkommen…”, und wenn diese Mischung dann noch “befeuert und geschürt wird” vom Hofheim/Kriftel-Newsletter…
Es geht schon los…
Nach Heckenrodung trat der Förster in die CDU ein
Sowohl die Lokalpresse als auch Weber unterschlagen Informationen, die der Geschichte eine völlig neue Wendung geben könnten. Sie könnten zu einer sachgerechten Beurteilung des Geschehens beitragen und vielleicht auch wertvolle Hinweise auf den oder die wahren Urheber der Schmierereien liefern:
Stadtförster Leif Leonhardt trat im Herbst 2021 seinen Dienst bei der Stadtverwaltung an. Genau seit dieser Zeit gibt es immer wieder negative Meldungen rund um das Forsthaus:
In den sozialen Netzwerken ist Leonhardt mehrfach unangenehm aufgefallen, weil er mit aggressiver Rabauzigkeit über Grüne, SPD und Linke herzog.
Auch Katzen kann der Förster nicht leiden: Er bezeichnet sie als “Serienmörder”.
Längst empfinden viele Menschen das Verhalten des Mannes im Stadtwald als rabiat und rücksichtslos. Erinnern wir uns: Um einen blickdichten Zaun vor “seinem” Forsthaus errichten zu können, ließ er im vergangenen Sommer eine große Hecke roden – ausgerechnet zur besten Brut- und Setzzeit. Dabei ist das Roden von Hecken in dieser Zeit streng verboten ist – zum Schutz der brütenden Vögel und der Kleintiere, die ihre Jungen aufziehen. Doch das scheint den Hofheimer Förster nicht zu interessieren.
Der Hofheim/Kriftel-Newsletter hat über die Rodungsaktion berichtet, die Reaktion folgte nur wenig später: Leonhardt trat in die Hofheimer CDU ein und postete das gleich auf Facebook.
Die Botschaft war klar: Ihr könnt mich mal!
Oder auch: Jetzt könnt ihr mir nichts mehr.

Im Archiv findet sich eine weitere Episode aus Leonhardts Hofheimer Wirken: Schon wenige Wochen nach seinem Amtsantritt – es herrschte damals noch Corona-Pandemie – war er im Stadtwald mit Impfgegnern (“Querdenkern”) aneinandergeraten. Man beschimpfte sich gegenseitig, dem Vernehmen nach ziemlich heftig. Leonhardt gilt, siehe seine Auftritte im Internet, als nicht gerade zimperlich bei seiner Wortwahl.
Nur kurze Zeit später passierte folgendes: Leonhardt alarmierte die Polizei und behauptete, am Gartenzaun des Forsthauses mit Reizgas attackiert worden zu sein. Von den Tätern keine Spur. Dennoch verbreitet die Stadtspitze, der Förster sei von Querdenkern angegriffen worden. Die Lokalpresse übernahm diese Darstellung ungeprüft. Beweise gab es nicht. Aber die Impfgegner waren als aggressive Gewalttäter verunglimpft…
Zurück in die Gegenwart: Im Vorfeld des “Waldspaziergangs” von BUND und Lokaler Agenda soll Leonhardt im Rathaus versucht haben, die Veranstaltung zu verhindern. Er ahnte wohl, dass seine Arbeit im Stadtwald von den Natur- und Umweltschützer deutlich kritisiert werden würde. Die Veranstaltung müsse verboten werden, soll Leonhardt gefordert haben: Schließlich hätten die Veranstalter keine Genehmigung eingeholt.
Doch da war er schlecht informiert: Eine Genehmigung war nicht erforderlich.
Der “Waldspaziergang” konnte stattfinden.
Kurz darauf passierte es wieder: Anzeige bei der Polizei, diesmal wegen angeblich politisch motivierter Schmiererei am Gartentor von Leif Leonhardt. Dazu ein kleiner Tipp an die Lokalzeitung, die den Fall wie gewünscht einordnete und die Natur- und Umweltschützer an den Pranger stellte. Der Redakteur schreibt dazu: “Wie blöd muss man eigentlich sein, um wegen der Diskussion um die Waldbewirtschaftung die Tür des Försters zu beschmieren?”
Ziel erreicht: Naturschützer, die den Zustand des Hofheimer Stadtwaldes kritisieren, wurden erfolgreich verunglimpft.
Stadtförster Leonhardt postet den Zeitungsartikel auf Facebook und schreibt treuherzig dazu:
“Bitte Argumente statt Hetze…”
7. Strategie der Chinesischen Kriegsführung: Aus dem Nichts etwas erzeugen.
Ehrlich, wer macht denn einen beschädigungslosen Anschlag durch einen Schriftzug auf eine Tür, wenn man Aktivist ist?
Man kennt ja den Untergrund nicht… Edding-Permanent ist die Standardwaffe, niemand nimmt einen Whiteboardstift mit in den Wald.
Für diese Botschaft an der Gartentür wäre auch als Zettel im Briefkasten gegangen.
Wer ist da der Adressat? Leute, die vorbeikommen? Unrealistisch. PR und Zeitung? Schon eher.
Sieht wie das letzte Aufgebot aus: Argumente gehen aus, es hilft nur weinen und zittrige Schrift.
Was eine Provinzposse. Ich kenne den neuen Förster (noch) nicht. Aber sympatisch kommt er nicht rüber. Der alte (nichtjagende) Förster mit seinem kleinen Subaru war echt sehr souverän und nett.