Was ist nur los in Hofheim? Die Lokalzeitung hat kriminelle Aktivitäten im Vorfeld der Bundestagswahl und der Bürgermeisterwahl ausgemacht und kommt zu verstörenden Erkenntnissen: “Hass und Hetze” herrschten in der Stadt, und zwar “in allen gesellschaftlichen Bereichen”. Auch von “Verrohung” und “Enthemmung” schreibt das Kreisblatt: In Hofheim würden “die normalen Grenzen der demokratischen Auseinandersetzung” überschritten. Haben wir etwas nicht mitbekommen? Höchste Zeit, genauer hinzuschauen!
Der Autor dieses Berichts fuhr kürzlich mit seinem Auto die Zeilsheimer Straße entlang, als im Display ein gelbes Lämpchen aufleuchtete: Achtung, Reifendruck! Kurzer Stopp an der nahen Aral-Tankstelle und Luft nachgefüllt, doch ein paar Kilometer weiter leuchtete es schon wieder. Also nächste Werkstatt angesteuert, wo man schnell fündig wurde: Ein Nagel steckte im Reifen. Kosten der Reparatur: 54,63 Euro.
Dumm gelaufen, dachte sich der Autor dieses Berichts. Und: Kann ja mal passieren. Aber jetzt ist er alarmiert: War der Nagel im Reifen vielleicht gar kein Zufall? Steckte womöglich eine kriminelle Absicht dahinter? Zum Beispiel von Leuten, denen seine Berichte auf dieser Internetseite nicht gefallen?
Denn glaubt man der Lokalzeitung, ist ein Nagel im Reifen alles andere als ein unglückliches Missgeschick.
Das ist ein vorsätzlicher Anschlag! Eine Nagel-Attacke!
Schlimmer Verdacht: CDU-Mann erfindet Straftaten
Auch CDU-Bürgermeister Christian Vogt hatte kürzlich einen Nagel im Reifen. Er merkte es – wie der Autor dieses Berichts – erst während der Fahrt mit seinem schwarzen Audi A6.
Angeblich zeitgleich vor dem Haus von Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler: Der CDU-Mann, der in Diedenbergen gut 150 Meter von Familie Vogt entfernt wohnt, muss wohl ein äußerst vorsichtiger Mensch sein. Denn während unsereins ins Auto steigt und losfährt, kontrolliert Hegeler vor Fahrtantritt offenbar erst einmal die Reifen seines schwarzen BMW X3. So sah er, dass da ein Nagel war. Und dann entdeckte er auch noch Kratzer am weißen VW Touran seiner Frau Constanze.
Hegeler dachte nicht – wie unsereins – an einen dummen Zufall. Er dachte sofort an einen kriminellen Anschlag:
Die Polizei wurde alarmiert. Und auch die Lokalzeitung, die umgehend einen großen Bericht brachte.

Nun wissen wir aus Erfahrung, dass die Lokalzeitung nicht immer die Wahrheit schreibt. Sie lässt sich auch immer wieder parteipolitisch instrumentalisieren, wie die Leser erst kürzlich erfahren mussten:
Ungeprüft hatte das Kreisblatt die wilde Geschichte eines Parteifreundes von Vogt/Hegeler veröffentlicht: CDU-Stadtrat Wulf Baltruschat, ein Polizist, hatte der Redaktion erzählt, er habe am Untertorplatz einen Serientäter gefasst. Der Täter habe ihm gegenüber mehrere Sachbeschädigungen am Weinstand “Chalet” gestanden, weshalb er, Baltruschat, gleich mehrere Dutzend Straftaten habe aufgeklären können.
Dummerweise wusste die Polizei von all den Straftaten nichts. Inzwischen hat das Polizeipräsidium Westhessen angekündigt, die öffentlichen Äußerungen Baltruschats intern prüfen zu wollen. Der schlimme Verdacht steht im Raum, dass sich der Polizist die vielen Straftaten nur ausgedacht hat.
Das ficht die Zeitung nicht an. Sie verbreitet, was der CDU-Mann von sich gibt: Die ganzen Straftaten seien ein Lehrstück, was “mit öffentlicher Hetze” angerichtet werde.
Öffentliche Hetze.
In unserer Stadt.
Sagt CDU-Mann Baltruschat.
So so.
Nagel im Reifen – und Hofheims Bürgermeister sagt nichts?
Dieselbe Zeitungsmitarbeiterin – jetzt ihr neuester Kriminalfall. Wieder spielt er im CDU-Milieu:
Sowohl an Hegelers als auch an Vogts Auto sei “ein Nagel in einen der Vorderreifen gedrückt” worden. Das dürften zwar die wenigsten Hofheimer mitbekommen haben, aber egal: “Entsetzen über Nagel-Attacke” titelt das Blatt ganz groß.
Noch einmal atmet die Schreiberin kurz durch (“Passiert sei Gott sei Dank nichts”) – dann offenbart sie ihre ganz persönliche Wahrnehmung unseres kleinstädtischen Alltags: “Die normalen Grenzen demokratischer Auseinandersetzung scheinen in Hofheim (…) überschritten.”
Diese depressiv-düster klingende Feststellung untermauert sie so:
Auf Plakaten der SPD sei das Gesicht von Bundesinnenministerin Faeser beschmiert worden – “mit schwarzem Edding”.
Zerstörungen und unerlaubtes Entfernen von Plakaten der Grünen seien „an der Tagesordnung“.
Besonders hart trifft es die CDU: “Einem Mitglied seien die abgerissenen Plakate sogar in den Garten geworfen worden”, klagt Parteichef Jens Fleck.
Und jetzt auch noch zwei Nägel in Autoreifen!
“Enthemmung” schreibt das Kreisblatt.
“Das geht gar nicht”, sagt auf Befragen Wilhelm Schultze, der Bürgermeisterkandidat der Bürger für Hofheim.
“Ich find’s entsetzlich“ lässt sich Tobias Undeutsch zitieren, der Bürgermeisterkandidat der SPD.
Was man als Kandidat so sagt, wenn man gefragt wird…
Auffällig: Christian Vogt, der sonst zu allem und jedem etwas sagt, sagt: nichts. In dem Bericht über die “Nagel-Attacke” findet sich kein einziges Vogt-Zitat! So kurz vor der Bürgermeisterwahl und kein öffentlich zur Schau getragenes Entsetzen: Das spricht eigentlich für ihn…
Dafür meldet sich Dieter Kugelmann: Der 75 Jahre alte CDU-Ortsvorsteher aus dem Dörfchen Lorsbach war zuletzt dadurch aufgefallen, dass er seinen Parteifreunden vorschlug, die of mangelhafte Arbeit im Hofheimer Rathaus nicht dem CDU-Bürgermeister anzulasten, sondern dem SPD-Beigeordneten in die Schuhe zu schieben. Jetzt, angesichts von Nägeln in zwei Reifen, tönt Kugelmann: „Das ist für mich kriminell.“
Da ist die Polizei viel cooler drauf. Nägel in oder an Autoreifen von Lokalpolitikern – da wird eine politisch motivierte Straftat natürlich nicht vorschnell ausgeschlossen. Deshalb hat sich auch, wie üblich, das Staatsschutzkommissariat der MTK-Kriminalitätsinspektion eingeschaltet.
Aber die Polizei will natürlich nicht vorschnell ausschließen, dass ein Nachbarschaftsstreit dahinter steckt. Oder dass es sich um die Tat eines dummdreisten Trunkenbolds handelt. Deshalb: Es werde “in alle Richtungen ermittelt”, versichert ein Polizeisprecher.
Die Zeitung verschweigt diese Fakten. Sie passen wohl nicht ins Bild einer Stadt, in der die Redaktion eine “aufgeheizte Stimmung” ausgemacht haben will.
Zeitung entsetzt: Hass, Hetze & Verrohung
Wenige Tage nach dem Nagel-Attacken-Bericht legt das Kreisblatt noch einmal nach. Jetzt schreibt der Redaktionsleiter: Nagel im Reifen – das sei “eine ganz andere Dimension von Sachbeschädigungen”. Er dreht die Empörungsschraube noch weiter auf: “Was bleibt, ist stummes Entsetzen über die in allen gesellschaftlichen Bereichen zunehmende Verrohung, gespeist aus Hass und Hetze.”
Zunehmende Verrohung!
Hass und Hetze!
In allen gesellschaftlichen Bereichen!
Stummes Entsetzen.
Jetzt mal ehrlich: Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?
Mutwillige Beschädigungen von Plakaten oder gar gefährliche Manipulationen an Autoreifen sind absolut inakzeptabel: Das geht gar nicht! Gleichzeitig wünscht man sich aber auch, dass die Lokalzeitung einen Gang zurückschaltet und vom lautstarken Alarmismus wieder zur Realität zurückkehrt:
Der Bürgermeisterwahlkampf plätschert vor sich hin, die Kandidaten gehen überaus nett und respektvoll miteinander um:
Es wirkt bisweilen, als wollten sie sich gegenseitig auf keinen Fall wehtun.

Wer – außer der Redaktion der Lokalzeitung – sieht in Hofheim Hass und Hetze? Wo ist hier Enthemmung? Wo die Verrohung?
Eine solche Panikmache wirkt aufgesetzt und maßlos überzogen.
Nicht gut für eine Lokalzeitung.
Und auch nicht für Hofheim.
Vorige Tage meldete die Kriminalpolizei: In Wallau wurden an einem schwarzen BMW M550i zwei Reifen zerstochen.
Zwei Reifen! Zerstochen! Mit einem Messer!?
Der Zeitung macht daraus eine Elf-Zeilen-Meldung.
Ohne jedes Entsetzen!
War schließlich kein CDU-Mann betroffen.
…und dann lässt die CDU, die seit 1999 durchgängig den Innenminister und seit 2014 den Justizminister in Hessen stellt, plakatieren “Recht und Ordnung durchsetzen”. Wer ist dafür nochmal zuständig?
Die Tage steckte bei mir eine Spiralfeder im Profil….
Es muss nicht im Verbrechen sein, es reichen schon Baustellenbesuche, Baugebiete um die Ecke – und auch Kreisel in der Nähe: Die Fliehkraft streuselt von der Ladefläche.
Neulich las ich: Dichtes Auffahren macht oft das Nagelloch. Fährt man mit Abstand, liegt der Nagel schon flach beim drüberfahren. Beim Drängeln dotzt Nagel und Schraube noch aufrecht. Ach, und flottes Befahren von Seitenstreifen zum Beispiel vor der Abfahrt fördert das Lochen, denn da liegt statistisch viel herum.
Kann Alles sein. Muss aber nicht.
Wann war der Bürgermeister zuletzt mit seinem Wagen auf öffentlichen oder Wohnbaubaustellen besonders mit Dachdeckern? Da fängt man sich am ehesten einen Nagel ein: Tagesgeschäft.