Nacht- und Nebelaktion hinterm Finanzamt: Mehr als zwei Dutzend zum Teil große Bäume ließ die städtische Wohnungsbaugesellschaft HWB fällen, weil sie neue Wohnungen errichten will. Von den Bauplänen spricht sie gerne; dass dafür so viele Bäume sterben mussten, war den Verantwortlichen kein Wort wert. Stattdessen ließen sie ein Foto von sich am “Tatort” machen, das gleich an die Lokalpresse weitergereicht wurde. Da standen die Bäume noch alle…
Sie stellten sich vor eine Reihe hochgewachsener Bäume auf und präsentierten ein Plakat, das Mehrfamilienhäuser mit schlichten Formen und weißer Fassade zeigt. CDU-Bürgermeister Christian Vogt, die beiden HWB-Geschäftsführer Norman Diehl und Josef Mayr sowie ihre Mitarbeiterin Andrea Barz: Der Rathaus-Fotograf schoss schnell ein Foto, das später an die lokalen Medien ging…
… und dann verschwanden die Herrschaften wieder, und die Motorsägen wurden angeworfen. Es dauerte nicht lange – und alle Bäume waren weg.


Fototermin vor Bäumen, die wenig später weg waren: HWB-Geschäftsführer Diehl, Bürgermeister Vogt, HWB-Geschäftsführer Mayr und HWB-Prokuristin Barz (von links). Foto: Stadt Hofheim
Wieder ist es passiert: Wieder wurden in Hofheim zahlreiche Bäume gefällt, wieder in einer Nacht- und Nebelaktion. Wieder wurde die Öffentlichkeit nicht informiert, weder vorher noch hinterher. Ein Leser schrieb uns:
“Ich bin heute morgen so richtig geschockt worden, als ich mit meinem Hund eine Morgenrunde am Finanzamt – Hofheim Nord – vorbeigekommen bin. Zwischen dem Finanzamt und der Tierklinik wurden am alten Fußball/Spielplatz ALLE Bäume gefällt. Habe gezählt: rund 28 Bäume.”
Die Erklärung für das neue Hofheimer Baum-Massaker ist die, die wir in solchen Fällen immer hören: Es soll gebaut werden. In diesem Fall plant die städtische Wohnungsbaugesellschaft HWB 64 geförderte Wohneinheiten. Vier Häusern sollen an der Höchster Straße entstehen, jeweils vier Stockwerke hoch plus ein Staffelgeschoss obendrauf.
Dafür mussten schon jetzt alle Bäume weichen, die hier standen.
Ob sie wirklich im Weg waren? Unklar.
Hätte man nicht so planen und bauen können, dass die großen Bäume stehen bleiben? Mit etwas gutem Willen: Wahrscheinlich.
Aber wir sind in Hofheim…
Auf der Computerdarstellung, die Bürgermeister Vogt für den Fotografen hochhält, sind Bäume vor den Neubauten eingefügt. Beeindruckend große Bäume sogar. Ob die wohl jemals dort stehen werden? Das darf aus gutem Grund bezweifelt werden.
Denn solche Computerbilder sind reine Augenwischerei. Sie gaukeln eine Realität vor, die in der Regel mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Erinnern wir uns: Mitten in Lorsbach baut die HWB derzeit ein Wohn- und Geschäftshaus. Auf dem Computerbild sieht das Gebäude freundlich, hell und einladend aus. Noch ist der Bau nicht fertig, aber schon jetzt ist unübersehbar: Es wird ein düsterer Klotz von erdrückenden Ausmaßen.
Der Klotz von Lorsbach: HWB-Chef Mayr, mit der erschreckenden Realität konfrontiert, räumte ein, dass die Visualisierung täuscht. “Die Computerbilder werden ausschließlich erstellt, um der Öffentlichkeit eine Idee des Gestaltungskonzeptes zu vermitteln”, sagte er.
So ist davon auszugehen, dass auch in Hofheim Nord das Computerbild nur die Idee eines Gestaltungskonzeptes vermittelt – und dass hier niemals wieder größere Bäume gepflanzt werden. Bestenfalls werden Minibäumchen aufgestellt. In größeren Blumenkübeln. Das kennt man in Hofheim: Erst große Worte. Dann bulimische Bäumchen. Siehe Elisabethenstraße. Und Buccino-Platz. Und auch Chinonplatz…
Eines Tages werden wir mehr Wohnungen in der Stadt haben. Aber auch ein lebenswertes Umfeld?
In der Wilhelmstraße gibt es ein kleines Areal, das mal eine echte Oase direkt am Schwarzbach war. Hier spendeten “erwachsene” Bäume im Sommer großzügig Schatten. Bis der Magistrat beschloss – so lange ist das noch gar nicht her -, die Bäume fällen zu lassen. Alle weg.
Monate später haben sie eine Schneise durch den Stadtwald geschlagen. Entlang dem Heinrichsweg wurden jede Menge Bäume gefällt. Musste angeblich sein, unbedingt – wegen Straßenbauarbeiten vor der Lorsbacher Ortseinfahrt.
Derzeit gräbt sich das Unternehmen Amprion quer durch den Stadtwald. Grund: Bau einer Starkstromtrasse.
Ganz aktuell: Bei Baumfällarbeiten im Wald am Galgenberg bei Diedenbergen wurden tonnenschwere Fahrzeuge, so genannte Harvester, eingesetzt. Sie hinterließen eine breite Schneise der Verwüstung. Umweltschützer befürchten, dass sich der Wald davon auf Jahre nicht erholen wird. Tanja Lindenthal und Wilhelm Schultze von der Wählergemeinschaft “Bürger für Hofheim” haben dazu einen umfangreichen Fragenkatalog ans Rathaus geschickt: Man habe den Magistrat ausdrücklich auf die zerstörerischen Arbeiten in dem Gebiet hingewiesen – warum wurde nicht eingegriffen?
In der Innenstadt debattieren Lokalpolitiker seit Wochen darüber, ob eine prächtige Linde, die seit 40 Jahren im Innenhof von Hof Ehry steht und kerngesund ist, nicht doch gefällt werden kann: Der Magistrat will es so. Grund: Hof Ehry soll umgebaut werden, irgendwann.
Während hier noch palavert wird – Erfolgsaussichten der Baumfreunde: minimal – , hat die HWB am Nordrand der Stadt stiekum Fakten geschaffen: Schnell weg mit den ganzen Bäumen – bevor noch jemand protestiert…
Letztens verteilte die Post Briefe in der ganzen Stadt, in denen zu lesen war:
“Wir müssen durch einen achtsamen Umgang mit Wald, Feld und Flur gewährleisten, dass die Schönheit unserer Heimat auch für die nachkommende Generationen erhalten bleibt.”
Achtsam umgehen mit dem Wald! Die Schönheit unserer Heimat erhalten! An die nachkommenden Generationen denken.
Worte, die ans Herz gehen sollen. So geschmeidig formuliert ein Politiker:
Der Brief stammt von CDU-Bürgermeister Vogt. Er will nächsten Sonntag bei der Bürgermeisterwahl wiedergewählt werden, da zeigt er sich schmusig-nett.
Den Brief verschickte er an ausgewählte Wahlberechtigte, es war ein paar Tage nach dem Fototermin hinterm Finanzamt. Zur großen Bäume-Fällaktion schrieb und sagte er bisher:
Kein Wort.
Im Bundesnaturschutzgesetz sind zwar Bäume vom Fällverbot ausgenommen, wenn sie innerorts und privat sind. (jedoch kann eine Satzung das verschärfen). Aber explizit ist das Entfernen von Straßenbäumen unter Strafe gestellt – besonders ab dem 1 März.
Was ist denn ein Straßenbaum?
Sicherlich ist das eine Baumreihe von gleichartigen Gehölzen in räumlichen Zusammenhang mit einer Straße und diese begleitend. Da ist es fast egal, ob diese Bäume öffentlich in der Straße stehen oder parallel dazu einige Meter dahinter. Das Gesetz unterscheidet da nicht nach öffentlich oder privat, sondern nennt die Funktion.
So gesehen ist das recht mutig von der Verwaltung, die Fällarbeiten zumindest in Teilen durchzuwinken.
Böden – Grundlage für unser Leben
oder warum verdichteter Boden kein Kavaliersdelikt ist.
Vor allem der humusreiche Waldboden erfüllt viele sogenannte „Waldökosystemleistungen“:
1. Waldboden speichert bis zu 200 l Wasser/m2. Grundwasser wird aufgefüllt.
2. Der Kohlenstoffvorrat des Waldes befindet sich zu einer Hälfte in den Bäumen und zur anderen Hälfte im Boden.
3. Leben, von winzigen Mikroorgansimen bis zu Regenwürmern und Mäusen, tummelt sich im Boden. Pilzgeflechte durchziehen den Boden.
Alles zusammen ergibt einen hoch komplexen Kreislauf für einen gesunden und stabilen Wald. Wenn der Boden derart verdichtet wird wie aktuell im FFH-Gebiet Galgenberg, befindet sich der Schaden nicht nur im sichtbaren Bereich. Mit tonnenförmigem Profil setzt sich die Verdichtung in die Tiefe und an die Seiten fort. Pilze und Bäume können diesen verdichteten Waldboden nicht mehr durchwurzeln. Alle Lebewesen sind fort. Der im Humus gespeicherte Kohlenstoff entweicht. Dieser Boden kann kein Wasser mehr speichern. Regenwasser läuft oberirdisch ab, füllt die Flüsse und verstärkt das Hochwasserrisiko. In heißen Sommern fehlt das Wasser den Bäumen im Wald.
Bäume, die am Rande solch einer verdichteten Rückegasse stehen, haben nur noch die Hälfte ihrer Wurzeln, um Wasser und Nährstoffe aufzunehmen.
Solch ein verdichteter Boden kann seine „Waldökosystemleistungen“ nicht mehr erbringen.
Filmtipp aus der Mediathek: “Hoffnungsträger Wald. Können Bäume das Klima retten?
Es ist UNFASSBAR !!!
Heute ist Bürgermeisterwahltag !!!!
Alles gut zu wissen.
PS Das Schlachten der Bäume im Wald und in der Stadt muß ein Ende haben.
Hallo, ich habe gegen den Baum/Klimakiller gestimmt. Fragt sich, was die 4 in der Schule gelernt haben. Schade, dass es noch so viele traditionelle Schwarzwähler gibt.
Schönes WE. Manex
Wann endlich, lernen diese Nixkönner die Bäume in ihre Pläne einzubeziehen. Das wird schon seit Jahren in Holland so gemacht. Hoffentlich ist nach der Wahl heute der Austausch im Bürgermeisteramt perfekt.
Die Leute der CDU in Hofheim, allen voran der Bürgermeister Vogt, benehmen sich so, wie’s Ihnen “der Blonde mit der roten Krawatte” in den USA tagtäglich vormacht: der Mr. Trump!
Wie traurig ist diese Art der Demokratie…!