Viel schlechter geht’s wirklich nicht: Bei einer deutschlandweiten Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) unter Radfahrern hat Hofheim erneut ganz miserabel abgeschnitten. Dabei hatte der amtierende Bürgermeister doch ausdrücklich versprochen, sich für Radfahrer einzusetzen und neue Radwege zu bauen. War wohl nix! Menschen mit optimistischer Grundeinstellung dürfen sich allerdings jetzt freuen: Es gibt einen Lichtblick!
Es war eine Meldung, die von der Rathaus-Pressestelle umgehend auf der städtischen Webseite veröffentlicht wurde. Überschrift: „Gelungener Auftakt beim Stadtradeln“. Es handelt sich dabei um eine Kampagne des Klima-Bündnisses, bei der möglichst viele Radfahrer in einer bestimmten Zeit möglichst viele Kilometer zurücklegen sollen – auf diese Weise tun sie Gutes für die Umwelt und natürlich auch für ihre Gesundheit (mehr Infos hier). Die Stadt schreibt dazu: Jeder gefahrene Kilometer zeige, „dass es wichtig ist, in gute Radwege und verbesserte Radfahrbedingungen zu investieren.“
Nahezu zeitgleich hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) die Ergebnisse einer großen Umfrage unter Radfahrern bekannt gegeben. Das Hofheimer Rathaus hat sie bisher nicht veröffentlicht – der Grund ist offensichtlich:
Die Stadt erhielt durchweg miserable Zensuren, weil sie eben nicht in gute Bedingungen für Radfahrer investiert.
Das sollte die Öffentlichkeit wohl nicht erfahren.
Radfahrer: Hofheim auf viertletztem Platz in Hessen
171 Kilometer vom Hofheimer Rathaus entfernt liegt das hessische Städtchen Baunatal. Es hat knapp 28.000 Einwohner, im Stadtparlament stellt die SPD die stärkste Fraktion, und im Rathaus regiert ein Parteiloser.
Vielleicht sollten sich Hofheims Stadtverordnete demnächst mal einen Ausflug in das südlich von Kassel gelegene Städtchen gönnen. Einige Lokalpolitiker werden sicher interessiert sein zu erfahren, wie sich Stadtpolitik ohne einen Vertreter der etablierten Parteien an der Magistratsspitze gestaltet – das steht künftig ja auch in Hofheim an.
Doch darum geht es nicht:
Vielmehr könnten Hofheims Bürgervertreter vor Ort Informationen und Eindrücke darüber sammeln, wie eine fahrradfreundliche Kommune aussieht und wie gut es sich darin leben lässt.
Baunatal hat beim großen Fahrradklima-Test des ADFC überragend abgeschnitten. In der Kategorie „Orte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern“ nahmen 429 Kommunen teil – Baunatal kam auf den ersten Platz.
Das Ergebnis für Hofheim ist dagegen ernüchternd: Platz 406. Ja, damit schnitten 23 Orte in Deutschland noch schlechter ab. Aber 405 eben auch besser.
Im landesweiten Vergleich fällt das Ergebnis regelrecht beschämend aus: Von 41 teilnehmenden Orten in der Gruppe „20.000 bis 50.000 Einwohner“ in Hessen landete Hofheim mit der Note 4,45 auf Platz 38; schlechter schnitten nur Gelnhausen (Note 4,48), Bad Hersfeld (4,49) und Büdingen (4,58) ab.
Die stolze Kreisstadt Hofheim am Taunus erweist sich für Radfahrer somit als echte „Loser-Town”: Wie peinlich ist das denn?
Das Ergebnis ist eine Blamage für die Stadtpolitik und eine derbe Ohrfeige für den (inzwischen abgewählten) Bürgermeister Christian Vogt (CDU). Sechs Jahre lang konnte er die Kreisstadt an vorderster Front mitgestalten, die Bürger hatten ihn 2019 unter anderem aufgrund seiner Versprechungen gewählt. Einer seiner Wahlsprüche lautete: „Das Mobilitätsverhalten hat sich geändert. Die Zeichen der Zeit müssen erkannt und der Radwegeausbau vorangetrieben werden! Dafür setze ich mich ein.“
Dafür setze ich mich ein? Ach was! In Wahrheit interessiert sich Vogt kein bisschen für Radfahrer. Längst wissen wir: Er hat in all den Jahren nichts für sie getan.

Noch so ein Vogt-Spruch gefällig? „Grundsätzlich möchte ich kontinuierlich Fahrradwege ausbauen, die Ortsteile mit Fahrradwegen vernetzen und mit Hilfe von Fördergeldern von Bund, Land und Kreis die Stadt an das überregionale Fahrradwegenetz besser anschließen.”
Vogt wollte also grundsätzlich Radwege ausbauen, kontinuierlich. Sagte er. Versprach er.
Und was tat er? Siehe oben: nix.
Nahmobilitäts-Dezernent von der FDP ist eher Fiktion
Baunatal, das Sieger-Städtchen, das zum dritten Mal in Folge zur fahrradfreundlichsten Kommune Deutschlands gewählt wurde, verspricht nicht nur, konsequent alljährlich viele Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs durchzuführen. Sondern setzt diese Versprechen auch um. Auf der Webseite der Kleinstadt wird dem Thema Radfahren viel Platz eingeräumt, im Baunataler Rathaus gibt es sogar die Stelle “Projektleiter Radverkehr”.
In Hofheim hat man sich einen deutlich schickeren Titel ausgedacht: Die Stadt leistet sich einen Dezernenten für Nahmobilität. Dieser Posten wurde mit Thomas Jung besetzt, der im Hauptberuf Versicherungsvertreter ist. Dass sich der ehrenamtliche FDP-Stadtrat jemals für Radfahrer eingesetzt hätte, ist jedoch nicht bekannt. Auch sonst scheint der Nahmobilitätsdezernent in der Kreisstadt eher Fiktion zu sein. Auf der Homepage der Stadt wurde zwar eine Unterseite “Nahmobilität” eingerichtet, doch Jung wird dort nicht einmal erwähnt.
Entsprechend enttäuscht fallen die Reaktionen der Radfahrer aus, die der ADFC eingesammelt hat. 199 Personen aus Hofheim haben an der großen Umfrage teilgenommen und auf die 27 Fragen mit Schulnoten geantwortet. Das beste Ergebnis mit einem guten Befriedigend (3,2) bekam der Punkt „Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr“. Der Dank dafür gebührt allerdings nicht der Stadtverwaltung, sondern wohl eher den Verkehrsgesellschaften RMV/MTV.
Sechs Mal vergaben die Radfahrer die Note „mangelhaft“. So bewerteten sie unter anderem die Falschparkerkontrollen auf Radwegen und den Winterdienst. Hierfür unmittelbar verantwortlich: das Hofheimer Rathaus.
Stellenwert des Radverkehrs in Hofheim: Note 5!
Der ADFC hat seine 27 Fragen in fünf Abschnitte eingeteilt. Hier sind die Hofheim-Ergebnisse der großen Radfahrer-Umfrage im Detail:
Stichwort „Fahrrad- und Verkehrsklima“
- Spaß oder Stress – Note: 4,4
- Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer – Note: 4,5
- Radfahren durch Alt und Jung – Note: 3,9
- Werbung für das Radfahren – Note: b
- Medienberichte – Note: 4,3
Durchschnittsnote „Fahrrad- und Verkehrsklima“: 4,4.
Stichwort „Stellenwert des Radverkehrs“
- Fahrradförderung in jüngster Zeit – Note: 5,2
- Falschparkerkontrolle auf Radwegen – Note: 5,0
- Reinigung der Radwege – Note: 4,8
- Ampelschaltungen für Radfahrer/innen – Note: 5,1
- Winterdienst auf Radwegen – Note: b
Durchschnittsnote „Stellenwert des Radverkehrs“: 5,0.
Stichwort „Sicherheit beim Radfahren“
- Sicherheitsgefühl – Note: 5,0
- Konflikte mit Fußgängern – Note: 3,7
- Konflikte mit Kfz – Note: 4,6
- Hindernisse auf Radwegen – Note: 4,4
- Fahrraddiebstahl – Note: 4,4
- Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen – Note: 4,9
- Fahren im Mischverkehr mit Kfz – Note: 4,8
Durchschnittsnote „Sicherheit beim Radfahren“: 4,5.
Stichwort „Komfort beim Radfahren“
- Breite der Wege für Radfahrer/innen – Note: b
- Oberfläche der Wege für Radfahrer/innen – Note: 4,8
- Abstellanlagen – Note: 3,9
- Führung an Baustellen – Note: 4,9
- Fahrradmitnahme im Öffentlichen Verkehr – Note: b
Durchschnittsnote „Komfort beim Radfahren“: 4,4.
Stichwort „Infrastruktur Radverkehrsnetz“
- Erreichbarkeit Stadtzentrum – Note: 3,9
- zügiges Radfahren – Note: 4,0
- geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung – Note: 3,3
- Wegweisung für Radfahrer – Note: 3,4
- Öffentliche Fahrräder – Note: 5,1
Durchschnittsnote „Infrastruktur Radverkehrsnetz“: 3,9.
Spannende Frage: Wird alles besser, wenn Vogt im September das Rathaus verlassen muss? Wilhelm Schultze von der Wählergemeinschaft „Bürger für Hofheim” (BfH), der designierte Bürgermeister, hat im Wahlkampf den Mund nicht ganz so voll genommen wie der CDU-Mann seinerzeit. Doch auch er hat Folgendes versprochen: „Ich mache mich stark für den Radwegeausbau und die allgemeine Verbesserung der Fahrradinfrastruktur.“
Hofheimer mit optimistischer Grundeinstellung sehen den nächsten Jahren daher voller Optimismus entgegen: Ein Licht am Ende des Tunnels ist in Sicht!
Heute bewerten Radfahrer den „Stellenwert des Radverkehrs“ in der Kreisstadt mit einer glatten Fünf ( „mangelhaft“).
Schlechter geht wohl nicht: Es kann jetzt nur noch besser werden!
“Hofheim bewegt sich”: Radfahrer demonstrieren
Wer sich für bessere Bedingungen für Radfahrer einsetzen möchte, sollte sich nicht allein auf den künftigen Bürgermeister Wilhelm Schultze verlassen. Ein bisschen Druck von unten hat der Lokalpolitik noch nie geschadet.
In Hofheim haben sich Bürgerinnen und Bürger zusammengetan und laden regelmäßig zu Radler-Demos ein. Auf der Webseite von „Hofheim bewegt sich“ finden sich dazu weitere Informationen. Dort heißt es auch: „Hofheim muss sich bewegen – zu einer Stadt, die auch für für Fahrradfahrer attraktiv und sicher wird.“
Die nächste Demo findet am Samstag, 28. Juni, statt. Start ist um 11 Uhr auf dem Kellereiplatz.
Leutchen, ihr versteht das völlig falsch! Es wurde sich doch die ganze Zeit für Radfahrer im Rathaus eingesetzt. Da bekommt *Stadtradeln* doch einen ganz anderen Dreh. Von besseren Bedingungen für Zweiräder war nie die Rede…
Topografisch gesehen ist diese Stadt, mit einem Kerngebiet im Tal und drumherum überall steile Hanglagen nach Nord und Süd, mit einer alles durchtrennenden Eisenbahnstrecke in Ost-West Richtung und letztlich mit einer verkehrsbelasteten Magistrale Bundestrasse 519, die nicht von der Stadtselbst verwaltet werden kann, ein Alptraum für Radfahrer.
Für Autofahrer übrigens auch, wenn man die üblen Straßenzustände der letzten 10 Jahre bewertet. Soweit es topografisch eben ist, kommt man mit dem Rad im Tal gut nach Kriftel und Hattersheim. Nach Lorsbach gehts einigermaßen sicher -im Sommer- durch den Wald. Der Radweg dorthin ist seit Jahrzehnten im Gespräch, ohne je umgesetzt worden zu sein. In unseren dörflichen Stadtteilen geht es ebenfalls bergauf und ab. Fahrrad ungeeignet. Auto dringend nötig für Kulturevents, Einkäufe, Schul- und Arztbesuche und abendliche Veranstaltungen.
Warum man der Idee verfängt, ausgerechnet aus Hofheim ein Radlerparadies mit einem Spitzenplatz in Hessen machen zu wollen, erschließt sich mir nicht.
Gleichermaßen sinnfrei ist die Idee, ein millionenteures Monsterbauwerk an überdimensionierter Fahrradbrücke vom Hochfeld in die Stadtmitte überhaupt planen zu lassen. Oder braucht da ein Dezernent endlich einen Tätigkeitsnachweis? Mir scheint, es könnte sich lediglich um ein symbolträchtiges Projekt einer ideologisch einseitigen Radlerlobby handeln. Sollte es sich tatsächlich erweisen, dass die Autobrücke B519 nach Marxheim bald saniert werden muss, dann muss man einen echten, gesonderten Radweg mit in die Realisierung einschließen. Die allgegenwärtigen Steigungen in Hofheim lassen sich übrigens meist nur mit E-Bikes meistern. Alles andere ist eine Tortour. Diese Stadt wird kein Eldorado für Radfahrer. Niemals.
Sie schreiben es: e-bikes! Mittlerweile werden jährlich mehr davon verkauft, als „normale“ Räder.
Insofern spielt die Topografie in Hofheim nur noch eine Nebenrolle!
Zwischen “Spitzenplatz” und “machen, was geht” liegen Welten.
Ich wäre ja schon mal froh, wenn in Hofheim irgendwelche Anstrengungen erkennbar wären, den Radverkehr zu verbessern – natürlich innerhalb der Möglichkeiten. Aber das brauchen intelligente Menschen eigentlich nicht zu diskutieren – das ist ja logisch.
Während sich manche Politiker:innen noch mit der in weiter Ferne liegenden Fahrradbrücke für 20 Mio EUR (+10 Mio, weil es in DE immer teurer wird) ein Denkmal als “Fahrradfreunde” setzen wollen, werden sofort umsetzbare Maßnahmen überhaupt nicht erst angedacht, als da wären: Fahrradgaragen bei der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft, Umwidmung von Teilen von Bürgersteigen in Radspuren (Rheingaustraße), einfach mal die Radwegmarkierungen nachzeichnen (Diedenbergen) oder mal die Radwege frei schneiden (Wallau), damit man da verletzungsfrei lang fahren kann. Aber – mit derlei einfachen und unspepktakulären Maßnahmen schützt man ja nur radfahrende Menschen, z.B. Kinder, die in die Schule radeln, und kann sich leider nicht selbst auf einen Betonsockel heben und bewundern lassen …