Direkt zum Inhalt

Neue Fakten zum Radfahrer-Elend in Hofheim: Das Rathaus tut (fast) nichts 

Gepostet in Allgemein

Teile diesen Beitrag:

An diesem Samstag ist wieder Radfahrer-Demo in Hofheim. Der Protest gegen eine vorgestrige Verkehrspolitik, die sich nur Autofahrern zugewandt zeigt, erscheint mehr denn je wohlbegründet: Die Lebenswirklichkeit für Radfahrer in Hofheim sieht, freundlich formuliert, äußerst bescheiden aus. Das ist alltäglich auf den Straßen zu beobachten, und das spiegelt sich wider in einschlägigen Radfahrer-Umfragen. Jetzt kommt auch noch heraus: Die Stadt hat Investitionen für Radfahrer regelrecht verweigert. Neueste Zahlen aus Hofheims Rathaus belegen: Geld genug ist da – nur getan wurde sehr wenig. Hier alle Fakten: Radfahrer, ihr müsst jetzt ganz stark sein!

Kürzlich hat die Stadtverwaltung versucht, Hofheims Image als radfahrer-unfreundliche Kommune aufzupolieren: Sie verschickte eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Hofheim ,stadtradelt‘ erfolgreich“. 516 Radler in 28 Teams hätten an der Aktion „Stadtradeln“ teilgenommen und an 21 Tagen 115.715 Kilometer geradelt. 

Hofheim erfolgreich? Na ja. Bei der Aktion wurden umgerechnet gerade mal zehn Kilometer pro Tag und Teilnehmer geradelt. Das ist besser als nichts, natürlich. Aber „erfolgreich“? Die Kreisstadt Hofheim landete hessenweit auf Platz 33, deutschlandweit auf Platz 483. Das sind Zahlen, die die städtische Pressemitteilung unterschlägt. Im Aufhübschen von Statistiken ist Hofheims Stadtverwaltung bekanntlich geübt.

Am Abend des Tages, an dem das Rathaus die vermeintliche Erfolgsmeldung verbreitete, war Klartext angesagt. Es tagte der Bau- und Planungsausschuss, der auch für Verkehrsthemen zuständig ist. Auf der Tagesordnung stand: „ADFC-Fahrradklimatest 2018 und 2020“.

Nein, das ist hier kein Druckfehler! Sie lesen richtig: Themen aus 2018 und 2020 in einer Ausschusssitzung im Jahre 2023.

Was sollen wir mit solch alten Kamellen?

Gemach! Es gibt dazu eine in Hofheim nicht unübliche Vorgeschichte, die wir hier kurz aufdröseln wollen. Denn sie macht erkennbar, mit welcher Ignoranz die Stadtverwaltung den Radfahrern begegnet

Im Jahre 2018 hatte der ADFC – das ist die große Interessenvertretung der Radfahrer, vergleichbar mit dem ADAC für Autofahrer – die Ergebnisse eines bundesweiten Fahrradklimatests veröffentlicht. Die Stadt Hofheim kam in ihrer Ortsgruppe (20.000 bis 50.000 Einwohner) auf Platz 287 (von 311). Schulnote: 4,35.

Daraufhin stellte der Stadtverordnete Daniel Philipp von den Grünen einen Antrag: Um mehr über die Situation der Radfahrer in Hofheim zu erfahren, solle der Magistrat je einen Vertreter des ADFC und der Hofheimer Lokalen Agenda – das ist eine überparteiliche Gruppierung, die sich um Nachhaltigkeit kümmert – in den Bau- und Planungsausschuss einladen.

Das Stadtparlament nahm den Philipp-Antrag im Mai 2019 an – einstimmig!

Rathaus 20230725
Der Eingang zum Hofheimer Rathaus. Die Arbeitsweise des Magistrats hat der Stadtverwaltung zu dem wenig schmeichelhaften Namen Hofem Schlofem verholfen.

Und so arbeitet dann Hofheims Stadtverwaltung unter CDU-Bürgermeister Christian Vogt: 

2019 passierte erst einmal – genau: gar nichts.

2020 auch nicht.

2021 auch nicht.

Vor einem Jahr, im Juli 2022, teilte Vogt mit: Der ADFC habe erstmals im Jahr 2010(sic!) eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen zu Hofheimer Radwegen vorgelegt. Es gebe allerdings unterschiedliche Auffassungen. Man werde einige der genannten Mängel abarbeiten, und man werde dem ADFC halbjährlich über den Sachstand informiert. Die Interessenvertreter einzuladen, das halte der Magistrat für nicht mehr notwendig.

Dieses Vorgehen verrät ein weiteres Mal – das nur am Rande – das recht spezielle Amts- und Demokratieverständnis von Hofheims Bürgermeister: Beschlüsse der Stadtverordneten werden nur umgesetzt, wenn’s den Verantwortlichen im Rathaus in den Kram passt

Die Grünen reagierten auf die Vogtsche An- bzw. Absage mit einem neuen Antrag: Der einstimmig(!) gefasste Beschluss aus 2019(!) solle nach wie vor umgesetzt werden. Dem stimmte das Stadtparlament zu, es war im September 2022.

Mängelliste im Rathaus nur homöopathisch abgearbeitet

Im April 2023 legte der ADFC einen neuen Fahrradklimatest vor. Und wieder bekam Hofheim ein mieses Zeugnis ausgestellt: Gesamtnote 4,5! Platz 425 von bundesweit 447 Orten vergleichbarer Größe in Deutschland. Vorletzter Platz in Hessen. Die Umfrageergebnisse wurden vom Hofheim/Kriftel-Newsletter öffentlich gemacht (hier).

Jetzt haben wir Juli 2023, und endlich wurden ein ADFC- und ein HLA-Vertreter in den Bau-und Planungsausschuss eingeladen. Auf der Tagesordnung stand, wie gesagt, das Thema: „ADFC-Fahrradklimatest 2018 und 2020“.

Der ADFC-Vertreter redete Tacheles: „Wir legen seit 20 Jahren unsere Mängellisten vor. Die werden aber nur homöopathisch abgearbeitet.“

Der HLA-Vertreter sah die Probleme ähnlich, gab sich aber geschmeidiger und schlug vor, ein Radverkehrsforum zu veranstalten, in dem die Verwaltung, Interessenvertreter, Einzelhandel und interessierte Bürger unter – wichtig – professioneller Leitung die Situation aufarbeiten und nach Lösungen suchen sollten.

Frage von SPD-Mann Tobias Undeutsch: Das klinge sehr gut, warum geschehe denn nichts?

Antwort: „Einer muss es in die Hand nehmen, und das ist die Politik.“



Wo bleiben die versprochenen E-Bike-Ladestationen?

Rad2 warendorf
E-Bike-Ladestationen: in Warendorf (40.000 Einwohner)
Rad 2bad saeckingen e1668350547750
…in Bad Säckingen (Baden-Württemberg, 18.000 Einwohner)
Rad2 duderstadt e1668350579749
…und in Duderstadt (Niedersachsen, 20.000 Einwohner)

Vielerorts längst selbstverständlich, in Hofheim auf der langen Mängelliste: Ladestationen für E-Bikes. Zwei sollen angeschafft werden: Das hat die Stadtverwaltung versprochen – bereits im letzten Jahr. Was daraus geworden ist? Diese Frage schickten wir ans Rathaus, bisher gab’s noch keine Antwort

E Bike Bad Soden Salmuenster
Schlicht, aber funktional: E-Bike-Ladestation in Bad Soden-Salmünster (Hessen, 14.000 Einwohner)


Es wurde noch ein bisschen herumdiskutiert; als dann der Linke Bernd Hausmann brummelte, seit 20 Jahren werde ein Radweg zwischen Hofheim und Lorsbach geplant, dafür sei Hessen Mobil zuständig, aber bis heute gebe es keine Pläne seitens der Stadt, wie die Radwege hinter den Ortsschildern weitergeführt werden sollen; das gleiche gelte für die geplante Fußgänger- und Radfahrerbrücke von Marxheim in die Kernstadt: Es gebe nur Stückwerk, Hofheim fehle ein ganzheitliches Konzept. Da konnte der Erste Stadtrat Wolfgang Exner (CDU) mal wieder nicht an sich halten. Er sei „gegen den Weg der permanenten Vorwürfe“, polterte er. Immerhin habe man manches gemacht, anderes sei in Arbeit – und alles gehe eben nicht.

Exner geht bekanntlich im Herbst in den Ruhestand. Quer durch alle Fraktionen besteht Zuversicht, dass dann vielleicht nicht alles, aber hoffentlich vieles besser wird. Die Grünen jedenfalls wollen darauf bestehen, dass das Thema Radverkehr in den politischen Gremien künftig etwas ernsthafter und intensiver angegangen wird: Einmal im Jahr sollen die Experten eingeladen und angehört werden werden.

Das war kein Beschluss, sondern nur ein Vorschlag. Abwarten, was draus wird.

Rathaus-Radfahrer bekamen Fahrradständer für 58.000 Euro

Experten einzuladen und anzuhören – das allein dürfte auf Dauer kein probates Mittel gegen das Radfahrer-Elend in der Kreisstadt sein. Denn es gibt, neben dem fehlenden Gesamtkonzept, einen weiteren Grund für die Misere in der Kreisstadt:

Geld ist da, mehr als genug sogar. Es wird nur kaum etwas ausgegeben.

Neueste Zahlen aus dem Rathaus, zusammengestellt auf Antrag der Grünen, wurden jetzt von der Verwaltung ganz stiekum im Internet veröffentlicht. Sie verstärken den Verdacht, dass die Stadtvorderen für Radfahrer am liebsten gar nichts tun.

Die Fakten:

Seit 2017 werden Jahr für Jahr jeweils 115.000 Euro für Radfahrer im städtischen Haushalt bereitgestellt. In 2020 gab’s obendrauf noch einen Zuschlag in Höhe von 45.000 Euro.

Bis Ende 2022 standen damit in sechs Jahren 735.000 Euro zur Verfügung. 

Damit nicht genug: Im städtischen Etat findet sich ein Budget für den alljährlichen Nahmobilitäts-Check (Summe von 2017 bis 2022: 38.000 Euro), ein Budget „Stadtradeln“ (15.800 Euro), je ein Haushaltsposten „Radweg Hofheim-Lorsbach“ (78.000 Euro) und Erweiterung Ampelanlage Elisabethenstraße (50.000 Euro). Zudem wurden, so rechnet die Verwaltung vor, aus dem Topf „Instandhaltung von Straßen“ rund 30.000 Euro für die „Ertüchtigung“ von Wegen ausgegeben, die auch dem Radverkehr dienen.

So kommen wir, alles in allem, auf knapp eine Million Euro, die in sechs Jahren für ein fahrradfreundliches Hofheim hätten investiert werden können.

Was wurde mit dem vielen Geld gemacht?

Rathaus Fahrradstaender
Für fast 60.000 Euro wurde den Mitarbeitern der Verwaltung – und nur ihnen! – ein überdachter Fahrradständer hinterm Rathaus spendiert.

Hier sind zehn größten Radfahrer-Ausgaben der Stadt Hofheim zwischen 2017 und 2022:

  • „Ertüchtigung“ Radweg Hofheim-Lorsbach durch die Kargeswiesen: 72.815 Euro
  • Fahrradständer hinterm Rathaus (exklusiv für Mitarbeiter!): 58.673 Euro
  • Machbarkeitsstudie für eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke: 39.093 Euro
  • Doppelstock-Fahrradständer vorm Rathaus und am Untertor: 35.771 Euro
  • Nahmobilitäts-Check: 24.542 Euro
  • Ausbesserung Heinrichsweg in Höhe Burkartsmühle: 17.615 Euro
  • Erweiterung Ampelanlage Elisabethenstrasse: 14.054 Euro
  • Beteiligung an Planungskosten Radweg Wildsachen-Bremthal: 10.000 Euro
  • Verbesserung des Langwehrwegs Höhe Bauerlöcher Wiesen: 9.962 Euro
  • Verschiedene Wegeausbesserungen in 2017 und 2019: 8.576 Euro.
Radfahrer
Vorm Rathaus ließ der Magistrat noch einen doppelstöckigen Fahrradständer errichten, das gleiche Modell steht auch am Platz am Untertor. Sie werden kaum genutzt. Kosten: rund 35.000 Euro.

Weitere Ausgaben in den vergangenen sechs Jahren: Machbarkeitstudie für den Radschnellweg Wiesbaden-Frankfurt (7.414 Euro), das Stadtradeln (Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit: 5.993 Euro, Ausgaben für Preise: 377 Euro), Gehwegabsenkungen (3.850 Euro), Fahrradständer vorm Rathaus Wallau (1.281 Euro)…

Konzepte, gar Maßnahmen für bessere und sichere Radwege innerorts, zum Beispiel für Radwege entlang der Hauptverkehrsstraßen, gibt’s offenbar nicht. Folglich wurde dafür kein Cent ausgegeben.

Wenn wir alle Ausgaben zusammenrechnen, dann wurden für die Radfahrer-Infrastruktur in Hofheim knapp 325.000 Euro ausgegeben – in 6 Jahren! Das ist gerade mal ein Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel! Und dabei haben wir sehr wohlwollend bilanziert:

Die knapp 60.000 Euro für einen Rathaus-Fahrradständer kommen ja eigentlich nicht der Öffentlichkeit zugute, sondern ausschließlich den Behörden-Mitarbeitern.

Weitere 60.000 Euro sind Ausgaben für Planungen und Studien: Sie kommen Radfahrern allenfalls langfristig zugute, wenn überhaupt.

Aber egal, wir lassen diese Beträge in der Aufstellung: Denn sonst sähe das Ergebnis noch schlechter aus. Desaströs!

Wundert’s da, wenn Radfahrer mit der Hofheimer Verkehrspolitik zunehmend unzufrieden sind?

Eher erstaunt ihr Langmut, mit dem sie die Nicht-Beachtung ihrer berechtigten Interessen durch die Lokalpolitiker hinnehmen.

+ + + + +

An diesem Samstag wieder Radfahrer-Demo

Radfahrer Demo
Screenshot der Webseite hofheimbewegtsich.org

Die Bürgerbewegung „Hofheim bewegt sich“ versucht mit regelmäßigen Radler-Demos, den Verstand (und vielleicht auch die Herzen) der verantwortlichen Lokalpolitiker zu erreichen. Erkenntnis bisher: Es ist schwierig! Zu stark sind vorgestrige Kräfte, die das Auto noch immer über Alles erheben. Deshalb wird weiter protestiert: Die nächste Radler-Demo findet an diesem Samstag, 29. Juli, statt. Start ist um 11 Uhr auf dem Chinonplatz vor dem Rathaus. Wer für ein fahrrad-freundliches Hofheim ist, sollte mitmachen. Weitere Infos auf der Webseite hofheimbewegtsich.org

Teile diesen Beitrag:

5 Kommentare

  1. Ron

    Der Exner geht in Rente? Gottlob, da kann es ja nur besser werden.

    28. Juli 2023
    |Antworten
  2. Schlofhemer

    In Hofheim zählt der schwächere Verkehrsteilnehmer kaum etwas. Das bestätigt das Verhalten von unserem Bürgermeister einhergehend mit dem Ordnungsamt.
    Vergehen von Autofahrern werden selten sanktioniert. Unterhält man sich mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes über den Verkehr in der Altstadt, kommt auch von ihnen sofort die Aussage, aaaaber die Fahrradfahrer…

    Also selbst dort wird das zur Zeit hippe Feindbild Fahrradfahrer gepflegt!

    Auch das Bauen von zwei Fahrradparkhäusern ist Augenwischerei, denn man muss ja erst mal sicher dorthin kommen. Das ist jedoch aus Mangel an Fahrradwegen kaum möglich.

    Hofheim ist leider immer noch eine Autostadt, in der die Autofahrer eingeladen werden, kostenlos in der Altstadt zu parken.
    Auf der Webseite der Stadt Hofheim wird unter dem Punkt Nahmobilität zwar geschrieben, dass die Stadt ihren Fokus auf den Fuß- und Radverkehr richtet, wer allerdings die aktuelle Verkehrspolitik betrachtet, kann darüber nur den Kopf schütteln!

    28. Juli 2023
    |Antworten
  3. Tina

    Bei allem Verständnis für den Fahrradfahrer muß berücksichtigt werden, dass Hofheim nicht besonders gut fürs Radeln geeignet ist, es gibt schlicht zu viele Steigungen, die für Leute mit 50+ schon eine Herausforderung sind. Also wird auch weiterhin das Auto eine wesentliche Rolle im Straßenverkehr spielen.
    Und den Unfug, dass Radfahrer beispielsweise die Hauptstraße entgegen der Einbahnstraßenregelung befahren dürfen, gehört als Gefahrensituation sofort eingestellt. Das hat mit ‚Gleichberechtigung‘ nun mal gar nichts zu tun

    28. Juli 2023
    |Antworten
    • Heinz

      „…es gibt schlicht zu viele Steigungen, die für Leute mit 50+ schon eine Herausforderung sind.“

      Es gibt da eine neue Erfindung – E-Bikes. Meiner Beobachtung fahren bereits viele (vor allem ältere) Radfahrer damit sogar problemlos Steigungen.

      Leider müssen Radfahrer die Hauptstraßen mitbenutzen, mangels Fahradwegen. Besonders in dem Abschnitt Hofheim-Lorsbach (ohne Steigung) oder B519 Richtung Königstein gibt es viele Radfahrer, die aussehen als hätten die sich bei der Tour de France verfahren. Das ist schon sehr gefährlich und bestimmt nicht schön, aber selbstmörderisch entgegen der Fahrtrichtung habe ich noch niemanden gesehen.

      28. Juli 2023
      |Antworten
    • Schlofhemer

      Im Zeitalter der e-bikes könnte man in Hofheim wunderbar radeln, gäbe es Fahrradwege.

      29. Juli 2023
      |Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Erfahren Sie es zuerst!

Abonnieren Sie den HK-Newsletter! Er ist die perfekte Ergänzung zu dieser Webseite: Sie werden per E-Mail informiert, sobald ein neuer Bericht veröffentlicht wurde – kostenlos und werbefrei!