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Russen-Fehler & Hahnenkämpfe: Deshalb kommt kein Kita-Bauwagen in Lorsbach an

Gepostet in Allgemein

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Das ist ein Schock für viele Lorsbacher Eltern: Die Anschaffung eines Bauwagens für eine Waldkindergartengruppe wird sich noch lange, ja, sehr lange hinziehen. Es habe „eine Verzögerung im Vergabeverfahren“ gegeben, heißt es lapidar im Rathaus, der Magistrat werde „in seiner nächstmöglichen Sitzung“ darüber befinden. Nähere Auskünfte wurden verweigert, was oftmals den Grund hat, dass die Wahrheit nicht herauskommen soll. Wir haben uns deshalb auf Spurensuche begeben – und trafen Magistratsmitglieder, die schwerst genervt von Vorkommnissen in der Stadtverwaltung sind. Die Rede ist von handwerklichen Fehlern im Rathaus und auch von destruktiven Machtspielchen in der Stadtspitze.

Armes Lorsbach! Die Menschen in dem 2.900-Seelen-Dörfchen sind wirklich hart bestraft! Mit der unsäglichen Vollsperrung der L3011 wurde die direkte Verbindung nach Hofheim auf Monate gekappt, was Autofahrern weite Umwege abverlangt und für extreme Verkehrsprobleme im Ort sorgt.

Baustelle Lorsbach 20230731
Richtig viel los ist noch nicht: Die L3011 ist am Ortsausgang Lorsbach voll gesperrt.

Die Schuld wird gerne der Landesbehörde Hessen Mobil zugeschoben; verschwiegen wird dabei, dass Hofheims Stadtspitze für das Desaster mitverantwortlich ist: Hessen Mobil hatte seinerzeit angefragt, ob Straßenbauarbeiten mit einer zwölfmonatigen Vollsperrung durchgeführt werden könnten. Aus Hofheims Rathaus kam kein Widerspruch, was ein klares Signal war: Macht nur!

Das Erwachen kam erst später. Da war’s zu spät.

Dazu plagt Lorsbach ein großes Kita-Problem: Es gibt viel zu wenig Plätze für unter Sechsjährige. Eltern müssen weite Wege fahren, wenn sie ihr Kind unterbringen wollen/müssen. Seit Jahren wird Abhilfe gefordert, seit Jahren wird nach Lösungen gesucht. Immer wieder wird Hilfe versprochen – ohne  erkennbaren Erfolg.

Die Stadtverwaltung kriegt’s einfach nicht gewuppt. Und wie wir jetzt sehen: Selbst einfachste Maßnahmen bleiben im Behörden-Getriebe stecken.

Als schnelle Erst-Hilfe-Aktion war die Anschaffung eines Kita-Bauwagen gedacht. 15 bis 20 Ü3-Kinder könnten in einer „Waldgruppe“ unterkommen. Verschiedene Standorte wurden durchgespielt, am Sportplatz, am Friedhof… Die Leiterin des Kindergartens sagt, dass die Waldgruppe an der Straße Am Lorsbacher Kopf angesiedelt werden soll.

Fehlt nur noch der Bauwagen

Am Lorsbacher Kopf 20230731
Hier soll er hin: Als Standort für den Waldkindergarten wird die Straße Am Lorsbacher Kopf genannt.

Im April dieses Jahres hieß es, das Vergabeverfahren werde eingeleitet. Konkret: Angebote sollten eingeholt werden, über die der Magistrat entscheiden müsste. Stadtrat Bernhard Köppler tat laut Lokalzeitung im Lorsbacher Ortsbeirat kund, dass der Bauwagen in voraussichtlich vier Monaten fertig sein könne.

Es handelt sich um kein kleines Invest: Der Bauwagen muss mit Sanitäranlagen und Küchenzeile ausgestattet werden, er dürfte am Ende deutlich über 50.000 Euro kosten, die Rede ist inzwischen sogar von fast 90.000 Euro.

Vor gut drei Wochen, am 10. Juli, tagte der städtische Jugend- und Sozialausschuss. Vom Magistrat waren Bürgermeister Christian Vogt (CDU) und Stadtrat Bernhard Köppler (SPD) anwesend, sie überbrachten als frohe Kunde: Die Ausschreibung des Bauwagens sei beendet. Im Protokoll der Sitzung ist nachzulesen – wörtlich: „In der nächsten Magistratssitzung soll der Beschluss gefasst werden, an welche Firma der Auftrag vergeben wird.“

Das klang ja mal sehr gut. Als sei eine Linderung des Kita-Problems in Sicht.

Was folgte, war leider alles andere als gut.

Kirchenvorstand zornig – Rathaussprecher schweigt

Gut eine Woche später, am 19. Juli, fand die angekündigte nächste Magistratssitzung statt. Am darauffolgenden Tag, am 20. Juli, verschickte Wolfgang Nothdurft einen Brief an die Eltern aller Lorsbacher Kindergartenkinder. Der Mann ist Vorsitzender im Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Lorsbach, die Träger des Kindergartens ist. Er muss ziemlich zornig gewesen sein, er schrieb:

Hofheims Magistrat habe entgegen seiner Ankündigung die Anschaffung des Kindergartenwagens nicht beschlossen. „Durch diese wiederholte Zeitverschiebung und die sich daraus ergebende nicht vorliegende Betriebsgenehmigung können wir leider keinen Waldkindergarten eröffnen.“

Lorsbach
Der Brief des Kirchenvorstands an die Kita-Eltern. Ein Klick auf das Bild öffnet das Schreiben als PDF.

Ungewöhnlich offen und deutlich übt der Kirchenvertreter scharfe Kritik an der Stadtpolitik: Man zweifle inzwischen „an der Erkenntnis der Wichtigkeit einer ausreichenden Versorgung mit Kindergartenplätzen in Lorsbach durch die Gremien der Stadt Hofheim“. Denn auch das Einreichen eines Bauantrages für die Erweiterung des Kindergartens und für die Instandsetzung der vorhandenen Räume werde „immer wieder verschoben“.

Wir haben daraufhin in der Stadtverwaltung nachgefragt, warum der Magistrat den Auftrag für den Bauwagen nicht wie angekündigt vergeben habe. Sprecher Jonathan Vorrath gab eine sehr formell klingende, ausweichende Antwort:

Im Zuge des Vergabefahrens sei es „zu einer Verzögerung gekommen, weshalb sich dessen Abschluss und der dafür nötige Magistratsbeschluss auf die nächstmögliche Sitzung des Magistrats verschoben hat“.

Natürlich fragten wir nochmals nach: Wir wollten wissen, welche konkreten Gründe die „Verzögerung im Vergabeverfahren“ verursacht hatten. Und auch: Wann wird denn „die nächstmögliche Sitzung des Magistrats“ stattfinden?

Auf diese Fragen reagierte Herr Vorrath erst gar nicht.

Politische Ränkespiele zu Lasten Lorsbacher Kindern

Längst sind zu viele Menschen in dem Thema involviert, zu viele sind auch schwer angesäuert über die Arbeit der Stadtverwaltung. Selbst Magistratsmitglieder können sich mit öffentlicher Kritik nur mühsam zurückhalten. So kommt die Wahrheit unweigerlich heraus:

Der erste Grund für die weitere Verzögerung ist, dass Mitarbeitern der Stadtverwaltung vielleicht menschlich verständliche, aber in diesem Fall äußerst ärgerliche Fehler unterlaufen sind. Kleinigkeiten nur, die allerdings eines Tages – vielleicht – Ärger verursachen könnten. So soll bei der Ausschreibung beispielsweise der Hinweis vergessen worden sein, dass in dem Bauwagen keine Materialien aus Russland verbaut werden dürfen.

Dieses Versehen ist offenbar nicht im zuständigen Kindergarten-Dezernat aufgefallen, für das SPD-Stadtrat Köppler zuständig ist. Es soll erst bemerkt worden sein, als bereits Angebote vorlagen – und zwar in der Finanzabteilung, die CDU-Bürgermeister Vogt untersteht. Dort, so heißt es, habe man die Chance gesehen, dem von der CDU-Stadtspitze wenig geliebten SPD-Stadtrat eins auszuwischen:

Umgehend wurde „ein ganz großes Fass“ aufgemacht: Man werde keine Verantwortung für diese Vergabe übernehmen, tönte es aus der Vogt-Abteilung. Und überhaupt: Die Beschaffung des Bauwagens für das Köppler-Ressort habe schon viel zu viel Zeit in Anspruch genommen, wichtige andere Projekte habe man liegen lassen müssen. So gehe es nicht weiter…

Das klingt ganz und gar nicht nach harmonischer Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung zum Wohle aller Bürger. Tatsächlich wissen Stadtverordnete von Hahnenkämpfen im Rathaus zu berichten, die schon lange währten. Dass sie jetzt zu Lasten von Kindern gingen, habe allerdings eine neue Qualität.

Bauwagen wird vermutlich erst im Herbst bestellt

Die schlichte Frage ist unterdessen weiterhin offen: Wie geht’s denn nun weiter mit der Bauwagen-Bestellung?

Angekündigt worden war nach der Magistratssitzung vom 19. Juli, siehe oben, ein Magistratsbeschluss „in der nächstmöglichen Sitzung“.

Die nächstmögliche Magistratssitzung fand in der vergangenen Woche statt, am Mittwoch, 26. Juli. Und wieder passierte: nichts. Das Vergabeverfahren müsse ganz neu gestartet werden, heißt es inzwischen, die vorliegenden Angebote könnten getrasht werden.

Rathaus-Sprecher Vorrath, auch nach dieser zweiten Magistratssitzung um eine Erklärung gebeten, wie es denn nun weitergehe, antwortete per copy & paste: Er verwies erneut auf „die nächstmögliche Sitzung“.

Daraufhin konnten wir ihm natürlich die naheliegende Frage nicht ersparen: Wann, bitte, soll denn diesmal „die nächstmögliche Sitzung“ stattfinden?

Da druckste der Rathaussprecher herum, er wollte nichts sagen, er meinte, er habe den Kalender nicht im Kopf

Wir können ihm weiterhelfen: Jetzt ist erst einmal Sommerpause in der Lokalpolitik. Also wird die nächste Magistratssitzung vermutlich im September stattfinden. Erst dann könnte der Auftrag vergeben werden, natürlich nur, wenn vorher bei der neuen Ausschreibung alles richtig gemacht wird…

Man muss kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, dass noch viele weitere Monate ins Land gehen werden, bis der Bauwagen in Lorsbach ankommt. Es könnte auch länger dauern als unbedingt notwendig, als Grund wird kolportiert:

Die (für Finanzen zuständige) Vogt-Abteilung wolle sich vorbehalten, über die Bestellung zu entscheiden. Sie bevorzuge eine andere Bauwagen-Version als die (für Kita-Fragen zuständige) Köppler-Abteilung.

Der Wunsch-Bauwagen der Finanz-Fachleute sei etwas günstiger, das ist natürlich schön. Er hat allerdings einen Nachteil: Die Lieferzeiten sind länger, fast ein dreiviertel Jahr könnte es dauern…

Im politischen Ränkespiel wird ein solcher Nachteil durchaus als Vorteil gewertet. Die leidgeprüften Lorsbacher werden noch sehr viel Geduld mit der Stadtverwaltung haben müssen.

+ + + + +

Das Foto oben zeigt die Lorsbacher Kita. Es entstand vor zwei Jahren, als Eltern und Erzieher für eine Lösung des Kita-Problems demonstrieren. Der Hofheim/Kriftel-Newsletter berichtete damals, dass CDU-Bürgermeister Vogt wegen der Kita-Planung schwere Geschütze gegen SPD-Stadtrat Köppler aufgefahren hatte.


Wg. Krankheit: Rathaus lässt Nachbar-Gemeinden für sich arbeiten

Rathaus 20230726

IUnd noch eine kleine Geschichte aus dem Rathaus der Kreisstadt Hofheim: Wer an die zuständige Stelle für Wohnberechtigungsschein schreibt, bekommt als Antwort schriftlich mitgeteilt:

„…aufgrund von Krankheit können derzeit keine Anträge auf einen Wohnungsberechtigungsschein bearbeitet werden. Sie erhalten in allen hessischen Kommunen einen allgemeinen Wohnberechtigungsschein, der auch in ganz Hessen gültig ist. Bitte wenden Sie sich an ein Amt in einer anderen hessischen Kommune. Vielen Dank.“

Wir lernen: Hofheims Stadtverwaltung erledigt ihre Aufgaben nicht, sondern sagt den Bürgern, sie sollten sich an eine Verwaltung einer Nachbarkommune wenden.

Hofheims Rathaus-Pressestelle, um eine Erklärung gebeten, ging erst tagelang auf Tauchstation und rang sich dann zu der Mitteilung durch: Es gebe „einen kurzfristigen krankheitsbedingten personellen Engpass“. Man arbeite „an einer Lösung, um die Beantragung von Wohnberechtigungsscheinen hier in Hofheim kurzfristig wieder anbieten zu können“.

Mit anderen Worten: Bis die Stadtverwaltung eine Lösung gefunden hat, müssen Nachbarkommunen für Hofheim mitarbeiten.

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4 Kommentare

  1. Ulrike

    Zitat: „So soll bei der Ausschreibung beispielsweise der Hinweis vergessen worden sein, dass in dem Bauwagen keine Materialien aus Russland verbaut werden dürfen.“

    Wenn Ideologie auf Wahrheit trifft, haben die Kinder das Nachsehen. Da fehlt einem jegliches Verständnis.

    3. August 2023
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  2. Dipl.-Ing. Silvia Stengel

    Ehrlich gesagt erscheint mir die Begründung für eine Verzögerung der Vergabe auf Grund von fehlenden Hinweisen zu den Russlandsanktionen nicht ganz schlüssig, denn:
    „ Laut der Russland-Sanktionen-VO (833/2014/EU) dürfen öffentliche Aufträge nicht an mit Russland verbundene Unternehmen vergeben werden. Dies gilt derzeit jedoch nur für öffentliche Aufträge und Konzessionen, deren Wert den europäischen Schwellenwert übersteigt.“

    Die Wertgrenzen liegen in Hessen im Liefer- und Dienstleistungsbereich bei 215.000€ netto und bei Bauleistungen bei 5.383.000€- HVTG Paragraph 12

    Demnach liegt das Verfahren mit einer ca. Auftragssumme von 90.000€ eindeutig im Unterschwellenbereich.

    „Betroffen sind von der Sanktionsverordnung nur öffentliche Aufträge und Konzessionen im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte; für Unterschwellenvergaben gilt die Verordnung nicht. Hier findet das nationale Vergaberecht Anwendung.“

    Daher ist mir ein Verzug mit dieser Begründung nicht schlüssig- ich hatte mich schon bei der HAD-Veröffentlichung zu den vorbereitenden Untersuchungen zu M2 gewundert, dass die Eigenerklärung zu den Russlandsanktionen von den Bietern verpflichtend verlangt wurde, denn auch dieses Verfahren dürfte nicht über dem Grenzwert liegen.🤔

    Vergaberechtlich also eine merkwürdige Begründung, es sei denn der nationale Gesetzgeber hätte dies übernommen, ohne dass die MVK der Stadt Frankfurt oder ich es mitbekommen haben.🤔

    4. August 2023
    |Antworten
  3. Dipl.-Ing. Silvia Stengel

    Das gleiche gilt für die EU-Verordnung aus April 2022:

    „5k durch die EU-Verordnung Nr. 2022/576 vom 8. April 2022 tangiert die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen sowie die Abwicklung bereits geschlossener Verträge im Unterschwellenbereich nicht.“

    4. August 2023
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  4. Dipl.-Ing. Silvia Stengel

    Rechtsanwälte raten sogar davon ab diese Forderungen im Unterschwellenbereich „vorsorglich“ anzuwenden, da dies zur Rügen bezüglich des Wettbewerbs führen kann- dies würde das Verfahren dann wirklich verzögern…

    „ Solange für nationale Vergaben im Unterschwellenbereich keine zu Art. 5k der Sanktions-VO vergleichbare Regelung gilt bzw. der Bund / die Bundesländer die Relevanz für Vergaben im Unterschwellenbereich nicht ausdrücklich bestätigt, ist die individuelle Anwendung der Regelung im Unterschwellenbereich nicht zu empfehlen.

    Sollte ein Öffentlicher Auftraggeber Art. 5k im Rahmen der Unterschwellenvergabe „rein vorsorglich“ dennoch berücksichtigen wollen, besteht das Risiko, dass sich Bieter dann auf eine vergaberechtswidrige Wettbewerbsverengung berufen und der Öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren hierdurch angreifbar macht. Hiervon ist also Abstand zu nehmen.„

    4. August 2023
    |Antworten

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