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Danke, Ihr Damen! So flunkert Hofheim beim Innenstadt-Image

Gepostet in Allgemein

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Hofheims Innenstadt präsentiert sich in diesen Tagen richtig rosig, und das liegt nicht nur an prächtig blühenden Kirschbäumen. Die Stadtverwaltung hat eine angeblich große und bestimmt nicht billige Umfrage machen lassen: Das Ergebnis beweise, dass Hofheim „eine Wohlfühlstadt“ sei, frohlockt Bürgermeister Christian Vogt seither auf der Rathaus-Webseite. Wir haben uns das Datenmaterial etwas genauer angeschaut – es ist ernüchternd: Vogt flunkert, wenn er die Umfrage-Ergebnisse als repräsentativ darstellt. Befragt worden waren vor allem Frauen über 50.

Die Idee klang eigentlich prima: Die Menschen in Hofheim sollten bei einer Umfrage ihre Innenstadt bewerten. Was finden sie dort gut, was weniger gut? Und welche Wünsche und Anforderungen haben sie an das Zentrum der Stadt für die Zukunft?

Die Vorgehensweise ist bewährt: Wenn man herausfinden will, ob individuelle Ansichten wirklich repräsentativ sind, können Umfragen helfen. Mit ihnen lassen sich belastbare Aussagen über die Meinung breiterer Bevölkerungsschichten treffen. Das wiederum kann Politikern und Geschäftsleuten als Grundlage für wichtige Entscheidungen dienen.

Eine Umfrage – eine durchweg positive Sache also. Eigentlich…

Die letzte große Umfrage in Hofheim hatte vor knapp anderthalb Jahren auf Facebook stattgefunden: In der Gruppe „Wir in Hofheim“ (aktuell fast 13.200 Mitglieder) hatte Moderator Karl Kurjak gefragt, wie das städtische Grundstück Elisabethenstraße 3 (früher: Stadtbücherei) künftig genutzt werden sollte. Sagenhafte 716 Stimmen wurden abgegeben, 308 von ihnen (44 Prozent) sprachen sich für eine Markthalle aus. Ein eindeutiges Votum! Für ein neues Hotel, das Bürgermeister Vogt dort unbedingt gebaut sehen will, stimmten nur 28 Teilnehmer (3 Prozent).

Man kann ein solches Ergebnis ernst nehmen: 716 Teilnehmer bei einer Umfrage in einer Kleinstadt – das ist schon eine beeindruckende Größenordnung. Andererseits: Die Auswahl der Teilnehmer war rein zufällig und damit beliebig, eine solche Umfrage liefert allenfalls ein grobes Stimmungsbild. Dem muss man nicht unbedingt Konsequenzen folgen lassen.

Richtig belastbare Aussagen bekommt man nur bei einer repräsentativen Umfrage: Dafür muss die Stichprobe – also die Auswahl der Teilnehmer – möglichst exakt mit der Grundgesamtheit – in unserem Fall: mit der Bevölkerung Hofheims – übereinstimmen.

Es gilt zudem: Bei kleineren Stichproben steigt die Wahrscheinlichkeit für statistische Fehler, die sogenannte Irrtumswahrscheinlichkeit.

Umfrage: zu viele Frauen über 50 – zu wenig Männer

Ende letzten Jahres hatte Hofheims Stadtverwaltung eine Umfrage mit dem propperen Titel „Vitale Innenstädte 2022“ machen lassen. Sie sollte, wie gesagt, herausfinden, was die Hofheimerinnen und Hofheimer an ihrer Innenstadt mögen – und was nicht.

Heute ist auf der Rathaus-Webseite nachzulesen, was dabei herauskam: Passanten hätten die Innenstadt mit der Note 2,3 bewertet. Für Mobilität mit Bus und Bahn, für Sauberkeit, für Sicherheit und für Familienfreundlichkeit habe man sogar die Note 1-2 bekommen.

Das sind wirklich schöne Zahlen. Der Bürgermeister nahm die Umfrage prompt zum Anlass, sich und die Seinen zu loben: „Das bestärkt uns in unseren Bemühungen“, teilte er beifallheischend mit. Und befand: „Hofheim ist eine Wohlfühlstadt.“

An letzterem wollen wir nicht zweifeln, wirklich nicht. Aber taugt die städtische Umfrage als Beleg für eine solche Einschätzung? Wohl kaum! Wenn wir uns die Zahlen genauer anschauen, stellen wir schnell fest: Die befragte Personengruppe war alles andere als repräsentativ. Man könnte sogar vermuten, die Passanten seien gezielt ausgesucht worden, um das „richtige“ Ergebnis zu bekommen:

Durchgeführt worden war die Umfrage von dem Marktforschungs-Unternehmen IFH Köln. Das hatte an einem Donnerstag und an einem Samstag im November letzten Jahres insgesamt 410 Menschen in der Kreisstadt befragen lassen.

„410 Passanten bei knapp 40.000 Einwohner sind nur etwa 1%“, notierte Nadine von Eck kürzlich bei Facebook.

Es klang ernüchtert, völlig zu recht.

Schwerer wiegt: Die Interviewer hatten offenbar vor allem ältere Damen angesprochen. In einem uns vorliegenden Bericht zur Umfrage wird das „Profil eines typischen Innenstadtbesuchers“ genannt: Demnach waren überwiegend Frauen befragt worden – am Donnerstag waren sie im Schnitt 57 Jahre alt, am Samstag immerhin noch 50.

Das Durchschnittsalter der befragten Passanten lag damit bei 53,9 Jahren. In anderen Kommunen, in denen das Kölner Institut ähnliche Umfragen durchgeführt hatte, waren die Passanten deutlich jünger: im Schnitt 47,7 Jahre.

Der Frauenanteil bei der Hofheimer Umfrage betrug 68,8 Prozent. In den anderen Kommunen lag er fast zehn Prozent niedriger: bei „nur“ 59,2 Prozent.

Umfrage
Passanten sind mit der Innenstadt zufrieden, verbreitet die Stadtverwaltung auf Facebook. Kein Wort davon, dass an der Umfrage überwiegend Frauen über 50 teilgenommen hatten.

Flunker-Zahlen machen Lokalpolitiker froh

Die Unterschiede sind also erheblich. Aber da zeigt sich Hofheims Bürgermeister schmerzfrei. Über Facebook ließ er verbreiten, dass 90 Prozent der Befragten die Innenstadt attraktiver oder gleich attraktiv fänden, bei vergleichbaren Städten dagegen „lag dieser Wert bei nur 74 Prozent.“ Er unterschlägt, dass in den anderen Kommunen mehr jüngere Passanten und mehr Männer befragt worden waren.

Vogt flunkert. Er denkt vermutlich, das merkt keiner.

Übrigens beträgt der Anteil der Frauen an der Hofheimer Gesamtbevölkerung laut Statistischem Landesamt fast 50 Prozent. Der Frauen-Anteil bei der Umfrage lag dagegen bei fast 70 Prozent: Da passt doch was nicht!

Das Durchschnittsalter aller Hofheimer liegt bei knapp über 44 Jahren. Bei der Umfrage in Hofheim wurden aber vor allem Passanten befragt, die im Schnitt fast zehn Jahre älter sind: Warum?

Angesichts der ausgewählten Personengruppe dürfte das Umfrage-Ergebnis nicht sonderlich überraschen: Gewünscht werden mehr Geschäfte zum Shoppen und Bummeln. Kunst und Kultur, Sport und Spiele gebe es hingegen genug in der Stadt, meinten die meisten Befragten. Stattdessen solle es mehr Orte zum Verweilen geben, also Parks, Plätze, Sitzgelegenheiten.

Es sind die Wünsche von Frauen über 50 an Hofheims Innenstadt. Die Stadtspitze dürfte sich bei den Damen herzlich bedanken: Satte Zufriedenheit mit dem Ist-Zustand – das gefällt Lokalpolitikern. Den Bürgermeister inspirierten die Flunker-Zahlen, fröhlich und faktenfrei zu fabulieren: „Der Mix aus Kultur, Bildung und Handel steigert die Attraktivität und die Verweildauer.“

Die Umfrage lässt eine derart allgemeinplätzige Bewertung nicht zu. Die Ergebnisse der Kölner Volksbefragung sind zu bewerten wie Karl Kurjaks Facebook-Umfragen. Nimmt man sie ernst, muss eine Markthalle her, und das Hotel an der Elisabethenstraße ist endgültig tot.

Wären mehr jüngere Leute und mehr Männer befragt worden: Das Ergebnis der Umfrage wäre garantiert anders ausgefallen. Vor allem hätten wir auf die Fragen, wie Hofheimerinnen und Hofheimer ihre Innenstadt sehen, ehrliche und belastbare Antworten bekommen.

Aber vermutlich war das nicht gewollt.

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7 Kommentare

  1. DererVonZiethen

    Wie schon ananderer Stelle gesagt:

    >> Mir wäre lieber, wenn „man“ sich mal der kleinen und großen Hauptstraße FÜR FUßGÄNGER annehmen würde!
    Die italienische Eisdiele auf der Ecke belegt den ganzen rechten Fußweg, mittlerweile mit Überdachungen, desgleichen die Geschäfte daneben in Richtung Volksbank, dort gegenüber blockiert das Blumengeschäft die linke Hälfte des Fußwegs, und im absoluten Halteverbot parken laufend Autos, die „mal eben“ in die Volksbank wollen.
    Anfang der Gr. Hauptstraße rechts steht das Mobiliar des Café genauso bis in die Straßenmitte, weiter hoch stellt der andere Italiener sogar noch Werbung mitten in den Weg, so daß zwischen dem und dem Rathaus kaum noch Platz ist…
    Und die bergab kommenden Radler schießen laut klingelnd da auch noch durch!
    >> DAS alles müßte verboten werden, damit man (wieder) als >Fußgänger< mehr Platz und Raumangenot hätte. Und damit "man" dann auch die Stadtmitte als einigermaßen GUT bezeichnen könnte !
    Jaja: hätte, hätte – Fahrradkette…

    25. April 2023
    |Antworten
    • Schlofheimer

      Bevor man den Radler die Durchfahrt „verbietet“, sollte man vielleicht erstmal dafür sorgen, dass keine Autos mehr durch die Fußgängerzone fahren!

      26. April 2023
      |Antworten
  2. DiDö

    Sie schreiben: Die Interviewer hatten offenbar vor allem ältere Damen angesprochen. In einem uns vorliegenden Bericht zur Umfrage wird das „Profil eines typischen Innenstadtbesuchers“ genannt: Demnach waren überwiegend Frauen befragt worden – am Donnerstag waren sie im Schnitt 57 Jahre alt, am Samstag immerhin noch 50.

    Daraus lese ich Kritik an den Interviewern. Wenn diese nur ältere Frauen ansprechen, verfälschen die Interwiewer das Ergebniss. Also liegt der Fehler bei IFH KÖLN. Wenn dies aber nicht der Fall war, dann scheint es, dass zumeist nur Frauen in dem Alter unterwegs gewesen sind. Dann kann man ja auch nicht versuchen, die wenigen Jüngeren anzusprechen. Das würde das Ergebnis ja auch verfälschen.

    26. April 2023
    |Antworten
  3. Als Marktforscher vor Ort werde ich beim Thema „Umfragen“ hellhörig. Daher ein paar Sätze zum Beitrag bzw. zur Studie. Vorweg: Die Studie der IFH Köln liegt mir nicht vor. Grundsätzlich gilt aber folgendes:
    Von Repräsentativität oder einem repräsentativem Ergebnis kann der Verfasser der Studie nur dann sprechen, wenn er die Grundgesamtheit kennt und hieraus ein Abbild als Stichprobe zieht. Bei den vorliegenden Zahlen ist dies eher nicht der Fall. Eine Schieflage bei der Erhebung kann aber durch Gewichtung (Anpassung an die tatsächliche Bevölkerungsverteilung) ausgeglichen werden. Ein Hinweis auf die Gewichtung sollte in der Studie klar gekennzeichnet sein.
    Zur Seriosität einer Studie gehört dazu, dass der Verfasser (IFH Köln) in der Studie ausdrücklich auf die fehlende Repräsentativität hinweist. Der Auftraggeber (IHH Hofheim) selbst ist dadurch – zumindest moralisch – verpflichtet, die Ergebnisse in der Außendarstellung entsprechend als „nicht repräsentativ“ auszuweisen.
    Ein Wort noch zur methodischen Vorgehensweise. An verschiedenen und mehreren Tagen die Passanten zu befragen, ist grundsätzlich in Ordnung. Diese Personengruppe ist mehr oder weniger freiwillig Besucher der Innenstadt. Zur Bevölkerung Hofheims zählen aber auch diejenigen, die nicht die Innenstadt aufsuchen. Deren Gründe sind nur telefonisch oder vor Ort (Klingeln an der Haustür) zu erfassen. Die These liegt nahe, dass diese Personen die Attraktivität der Innenstadt niedriger einstufen. Eine solche Vergleichsgruppe ist als Korrektiv immer spannend und lehrreich, gerade für den Einzelhandel, um den Umsatz in der Innenstadt zu beleben.
    Inwiefern bei der Auswahl der 400 Teilnehmer darauf geachtet wurde, dass Bürger aus allen Hofheimer Stadtteilen einbezogen wurde, darüber gibt die Studie keine Auskunft.
    Fazit: Eine Studie mit methodischen Schwächen, nicht repräsentativ für die Hofheimer Bevölkerung, liefert maximal ein selektives Stimmungsbild der teilnehmenden Probanden mit einem Altersschwerpunkt über 50 Jahre.

    26. April 2023
    |Antworten
  4. Achim Bender

    @DiDö Es ist die Frage, was die Grundgesamtheit ist, Wenn alle Menschen, die innerhalb einer Woche in Hofheim sind (einkaufen), dann ist der Wochentag und Uhrzeit natürlich wichtig, an dem (ein Teil) der Erhebung gemacht wird. UND für Befragungen nach pseudo- Zufallsstichprobe (so wie der TelefonbuchNagel) gelten besondere Kriterien. https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-1990-0104/pdf Wenn die Befragten DEUTLICH von den beabsichtigten Befragten abweicht (Grundgesamtheit), dann ist die Befragung schlecht gemacht, oder???

    26. April 2023
    |Antworten
  5. Norbert Preusche

    Und hier komme ich schon wieder mit meiner immer wieder gleichen Meinung: Wie lautet denn die Aufgabenstellung, was will ich denn bei wem genau erfahren. Altstadtbewohner, Bewohner aller Stadtteile, Zielgruppen, Einkaufsverhalten, Verweilqualität, Erlebnismeinung und und und. Das was gemacht worden ist, das ist wie eine Wasserstandsmeldung. Mit diesem Ergebnis kann nicht wirklich gearbeitet werden und es können auch keine Rückschlüsse auf Leistungs- und Erlebnisqualitäten in der Wahrnehmung bei unterschiedlichen Gruppen (Bewohner vs. Gäste) gezogen werden. Ich kenne jetzt schon so viele ähnliche Untersuchungen, die seit Jahren gemacht wurden. Ergebnis: Hofheim ist eine beliebte und gern genutzte Stadt. Hier lebt es sich gut, mitten in der Rhein-Main-Region. Hofheim hat ein super Schul- und Bildungsangebot bis hin zu einer attraktiven Musikschule. Viele Gäste sind begeistert, wenn sie durch die historische
    Altstadt laufen und die vielfältige Gastronomie genießen. Die Hofheimer können mit ihren vielen Festen. Tag der offenen Geschäfte und einladendem Gewerbe immer wieder punkten. Will mir etwa jemand widersprechen.

    2. Mai 2023
    |Antworten
  6. Ron

    Der Vogt ist wirklich ein Klopper. Selten war Kommunalpolitik so amüsant wie in Hofheim. Ich schlage die Umbenennung in „Schilda“ vor.

    28. Juli 2023
    |Antworten

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