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Lorsbach wird abgeriegelt – Rathaus zeigt sich empört

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Das ist eine ganz bitterer Tag für Hofheim: Eine Landesbehörde hat die Stadtspitze im Rathaus übergangen, ja regelrecht grob weggerempelt! „Hessen Mobil“ gab am Montagabend bekannt, dass die Bauarbeiten auf der L 3011 vor dem Ortseingang Lorsbach im August beginnen sollen und die Straße dafür komplett gesperrt wird – für ein Jahr, mindestens. Im Hofheimer Rathaus reagierte man empört: Das Vorgehen sei „ein unkooperativer Akt der Unfreundlichkeit“, verbreitete Bürgermeister Christian Vogt via Facebook. Der Magistrat rief sogar die Hessische Landesregierung um Hilfe an.

Das Straßenstück ist gerade mal 500 Meter lang. Von Hofheim kommend liegt rechts das Klärwerk, links fährt die Bahn, und da fließt auch noch der kleine Mühlbach. Die Straße macht eine sanfte Kurve, dann ist schnell das Ortsschild da.

Um dieses kurze Straßenstück geht’s. Bereits vor etlichen Jahren hieß es, an einer Schwergewichts-Stützwand in Höhe des Klärwerks zwischen Straße und Mühlgraben seien erhebliche Schäden festgestellt worden. Die Wand müsse erneuert werden, „zeitnah“ hieß es sogar, das ist jetzt sieben Jahre her. Gleichzeitig solle die Kurve etwas begradigt werden.

Als dann bekannt wurde, dass für diese Bauarbeiten die Straße komplett gesperrt werden müsse und Autofahrern ein Riesen-Umweg abverlangt würde – der Pkw-Verkehr muss über Langenhain fahren, d.h. durch enge Straßen und über eine häufig geschlossene Bahnstrecke; Lastwagen werden über Liederbach/Kelkheim und Fischbach geschickt – probten die Lorsbacher den Aufstand. Sie sammelten Unterschriften und begehrten immer wieder mal laut auf, weil sich die Stadtspitze zwar verständnisvoll zeigte, aber nicht mit klaren Informationen rüberkam und damit offensichtlich kein besonderes Engagement für die Interessen ihrer Bürger erkennen ließ.

„Hessen Mobil“ hatte die Alternativen zuletzt im September 2021 genannt:

⇨ Die Baustelle wird in vier Abschnitte unterteilt, die Bauzeit wird insgesamt ein Jahr betragen – bei Vollsperrung.

⇨ Für Abschnitt 1 und 3 ist eine Vollsperrung in jedem Fall unumgänglich.

⇨ Eine halbseitige Verkehrsführung an den Bauabschnitten 2 und 4 vorbei wäre offenbar machbar. Eine Variante: Der Verkehr fließt in nur in eine Richtung (Einbahnstraße) an der Baustelle vorbei. Mehrkosten: rund 500.000 Euro.

⇨ Eine zweite Variante: Wenn der Verkehr abwechselnd in beide Richtungen fließen soll, würde das 700.000 Euro mehr kosten.

⇨⇨ In beiden Fällen einer Umfahrung würde sich die Bauzeit verdoppeln – mindestens!

Diese Daten hat Hofheims Stadtspitze seit mehr als einem halben Jahr schriftlich vorliegen. Eine öffentliche Auseinandersetzung darüber wurde nicht bekannt. Jetzt schuf „Hessen Mobil“ neue Fakten:

„Die Stützwand der L 3011 wird voraussichtlich ab August saniert“, heißt es in einer Pressemeldung von „Hessen Mobil“. Mit keinem Wort wird darin eine Straßensperrung erwähnt – die Übermittlung dieser Nachricht überließ die Behörde der Frankfurter Rundschau: Die Sanierungsarbeiten würden voraussichtlich ein Jahr dauern „eine Komplettsperrung der Landstraße ist für diese Zeit vorgesehen“.

Rumms! Das tat weh: Hofheims Magistrat wusste offenbar von nichts! Die Stadt war von „Hessen Mobil“ übergangen worden! Die Rathausspitze brauchte nahezu den ganzen Tag, um den Schlag zu verkraften und sich aufzurappeln. Im Bemühen um Schadensbegrenzung wandte sie sich am späten Dienstag-Nachmittag wie hilfesuchend an die Facebook-Gruppen „Wir in Hofheim“ und „Hofheim/Kriftel/Hattersheim“ und versuchte auf diesem ungewöhnlichen Weg, die Menschen in der Stadt mit einem Statement zu erreichen:

Die Aussage von Hessen Mobil zur weiteren Planung der Baustelle sei nach derzeitigem Stand nicht nachvollziehbar: „Die Stadt Hofheim lehnt eine zwölf Monate lange Vollsperrung der L 3011 ab.“ Wie sehr Bürgermeister Christian Vogt seine Ausgrenzung durch die Landesbehörde getroffen haben muss, lässt sich an folgendem Satz seiner Meldung ablesen: Die Stadt sei „an einer guten Lösung für die Bürgerinnen und Bürger interessiert, nicht an der kostengünstigsten Lösung, wie Hessen Mobil sie favorisiert“.

Immer feste druff! Offenbar wird zwischen zwei hessischen Verwaltungen jetzt ausgeteilt wie bei einer Kirmesschlägerei.

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Zum Vergrößern anklicken: Dieses Statement verbreitete die Stadt auf Facebook.

Baustelle Lorsbach – ein Mahnmal für bürokratischen Irrsinn

Es ist ein Kampf „Kleinstadt-Verwaltung gegen Landesbehörde“, der Ausgang ist derzeit noch völlig offen. Zuständig für die Baumaßnahme ist „Hessen Mobil“. Es ist ein Kunstname, der sich freundschaftlich-nett anhört. Tatsächlich versteckt sich dahinter ein mächtiger Verwaltungsapparat mit weit gesteckten Aufgaben: Rund 1500 Mitarbeiter betreuen an 12 Standorten und 46 Strassenmeistereien alle Bundesfern- und Landesstraßen sowie die meisten Kreisstraßen in ganz Hessen.

Den Chef der Behörde kennt kaum jemand: Er heißt Heiko Durth, ist ein diplomierter Bauingenieur und darf sich als Leiter der Behörde mit dem Titel „Präsident“ schmücken. Unterstellt ist seine Behörde dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen: Das wird von Tarek Al Wazir geführt, der zeitweilig hessischer Grünen-Vorsitzender war und aktuell auch Stellvertretender Ministerpräsident ist.

Die geplante Baumaßnahme vor dem Ortseingang Lorsbach und damit auch alle Fragen zur Umfahrung oder Umleitung kommen nicht unerwartet, ganz im Gegenteil. Längst kann man bei der L 3011 von einem Mahnmal für planerischen und bürokratischen Irrsinn sprechen: Seit mehr als 25 Jahren beschäftigen sich hessische Behörden mit dem 2,7 Kilometer langen Straßenstück zwischen Hofheim und Lorsbach.

Kurzer Blick zurück:

1996 informiert das Regierungspräsidium Darmstadt die Stadt Hofheim, dass ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden sei: Entlang der Straße solle ein Geh- und Radweg gebaut werden.

2006 – also zehn Jahre später! – teilt das Landes-Verkehrsministerium mit: Es seien Probleme  aufgetaucht, das Planfeststellungsverfahren müsse überarbeitet werden.

2010 erfuhren Hofheims Stadtverordneten, dass neben dem Neubau eines Rad- und Gehweges auch Abschnitte der Landstraße ausgebaut werden sollten: Sie entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik und seien zu schmal. Außerdem müsse die Kurve zwischen der Ortseinfahrt Lorsbach und der Kläranlage etwas begradigt werden: Sie stelle „einen Unfallschwerpunkt“ dar.

2015 hieß es, an der Stützwand zwischen Straße und Mühlgraben seien erhebliche Schäden festgestellt worden. Die Wand müsse „zeitnah erneuert“ werden. Im Protokoll der Sitzung ist zu lesen, die Umsetzung der Straßenbauarbeiten „soll in 2017 erfolgen“.

2019 informiert „Hessen Mobil“ die Stadtverwaltung Hofheim, dass die Planunterlagen für den Geh- und Radweg noch einmal überarbeitet werden müssten.

2021 wurde mitgeteilt, dass die Bauarbeiten für die Stützwand und die Begradigung der Klärwerkskurve im Herbst 2021 beginnen sollen. Das war im Januar; einen Monat später gab „Hessen Mobil“ bekannt, dass die Arbeiten in das Jahr 2022 verschoben würden.

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Beschaulich und schön gibt sich Lorsbach. Jetzt aber brodelt’s im Dorf.

Inzwischen waren die Lorsbacher aufgeschreckt: 2020 hatte die Ortsdurchfahrt Hofheimer Straße wegen Tiefbauarbeiten gesperrt werden müssen – da fühlten sich die Bürger wie eingesperrt, wähnten ihr Dorf abgeriegelt, es muss wirklich schwer erträglich gewesen sein. Und das sollte alsbald erneut drohen, nicht für wenige Monate, sondern für mindestens ein Jahr?! 

Unterschriften wurden gesammelt:  Eine erneute Sperrung würde die letzten Einzelhändler im Dorf in den Ruin treiben, hieß es auch. 1600 Menschen unterzeichneten den Protest gegen die Vollsperrung. Weitere 400 Unterschriften kamen bei einer Online-Petition zusammen.

Aber lassen sich Politiker, lassen sich Behörden davon beeindrucken?

Im Herbst 2021 wurden Details zur geplanten Baustelle genannt. Mehrere Möglichkeiten, wie der Verkehr um die geplante Baustelle herumgeleitet werden könnte – ohne Vollsperrung! –, wurden diskutiert. Inzwischen waren die Vorbereitungen natürlich weit fortgeschritten: War überhaupt noch ernsthaft davon auszugehen, dass die aufwändigen Bauarbeiten ganz neu überplant würden?

Von Seiten „Hessen Mobil“ hieß es stets, Umfahrungen würden die Bauarbeiten verkomplizieren, deutlich verteuern und erheblich verlängern, sie seien deshalb eigentlich nicht umsetzbar.

Heute ist auch zu konstatieren: Hofheims Stadtverwaltung hat es in all den vielen Jahren der Planung offenbar nicht geschafft, einen Konsens mit der Landesbehörde herzustellen und eine Lösung zu finden, die für alle Seiten tragbar gewesen wäre. Eigentlich ein Armutszeugnis! Längst beklagten vielen Lorsbachern das ungute Gefühl, dass ihre Stadtspitze die Landesbehörde ungestört gewähren ließ, dass man sich im Rathaus nicht oder zumindest nicht genügend um die Sorgen der eigenen Bürger kümmere.

Mit großem Befremden wurde registriert, dass in Sitzungen des Ortsbeirates der zuständige Dezernent Wolfgang Exner (CDU) fehlte. Sein Rathaus-Kollege Bernhard Köppler (SPD) vertrat ihn, zeigte sich allerdings auffallend ahnungslos.

Dass „Hessen Mobil“ irgendwann eine Entscheidung treffen musste – Vollsperrung, mindestens ein Jahr lang! – war absehbar; dass die Behörde ihre Entscheidung nicht über das Rathaus kommunizierte, sondern per Pressemitteilung veröffentlichte: Das kann der Magistrat als unfairen Tiefschlag einstufen. Man sei von der Nachricht überrascht worden, klagte Bürgermeister Christian Vogt . Zumal sich die Stadt Hofheim derzeit noch in Gesprächen mit „Hessen Mobil“ befinde: „Diese sind bislang zu keinem finalen Ergebnis gekommen und ein weiterer Gesprächstermin ist in den kommenden Tagen bereits angesetzt.“

Aus dem Facebook-Post des Bürgermeisters ist deutlich sein Bemühen herauszulesen, dass er das Vertrauen in seine Verwaltung zurückgewinnen und sich für die Interessen der Lorsbacher einsetzen will.

Wenn es dafür nur nicht zu spät ist!

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2 Kommentare

  1. Einsicht

    Ok, dass die Sanierungsarbeiten notwendig sind und für Lorsbacher Bürger und Unternehmen ärgerlich sind, daran gibt es keinen Zweifel. Das Geschrei wäre aber noch größer, wenn nicht saniert wird und es passiert etwas, womit „niemand!“ gerechnet hat. Vermutlich sind es immer dieselben Leute, welche gegen alles sind und es verstehen zu mobilisieren. So kommen wir nicht weiter! Wenn schon die Straße gesperrt werden muss, sollte die Chance genutzt werden, um einen Fahrradweg an dieser Straße zu bauen. Es ist für Radfahrer brandgefährlich, auf dieser Straße derzeit zu fahren. Ich fahre kein Fahrrad!!

    9. Februar 2022
    |Antworten
  2. Barbara Grassel

    Zur Diskussion über die monatelange Vollsperrung der L 3011 in der sogenannten Klärwerkskurve möchte ich als Lorsbacher Ortsbeirätin noch auf einen bislang unerwähnten Aspekt hinweisen: Hessen Mobil hat mit Zustimmung des GRÜNEN Hessischen Verkehrsministers statt eines Planfeststellungsverfahrens für Straße und Radweg das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren nur für den vom Ortsbeirat schon vor Jahren abgelehnten Straßenausbau gewählt. Der Ausbau wurde nun genehmigt, vom Radweg ist dabei keine Rede – und darüber hat der Magistrat bislang auch kein Wort verloren.

    Die Menschen wollen einen Radweg. Und bekommen eine breitere Straße mit größerem Kurvenradius, damit die Autos schneller fahren können. Doch das will niemand in Lorsbach.

    Die Plangenehmigung für die Erneuerung der maroden Stützmauer zwischen der L 3011 und einem Mühlgraben umfasst auch eine Genehmigung für den Umbau der Klärwerkskurve – https://verwaltungsportal.hessen.de/sites/vwp.hessen.de/files/0458_00_Plangenehmigung_L3011_HofheimLorsbach_20211218.pdf
    Es wird also nicht nur die Stützwand erneuert, sondern gleich ohne Planfeststellungsverfahren die Kurve ausgebaut von derzeit 6 m auf 8 m Straßenbreite und der Kurvenradius von 60 m auf 100 m erweitert, ohne die Anlage eines Rad- und Gehweges. Die kann dann später im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens erfolgen, so der Minister Al-Wazir (oder auch nicht: Vermutlich hat Hessen Mobil daran auch weiterhin kein großes Interesse).*

    Und dazu hat unser Magistrat weder eine Stellungnahme abgegeben noch dem OBR (und der StvV) überhaupt über diese erfolgte Plangenehmigung informiert!

    Bisher war ja immer nur die Rede von einem Planfeststellungsverfahren, das dann auch mit Bürgerbeteiligung hätte erfolgen müssen.

    Doch nicht einmal über die Plangenehmigung vom 18.12.21 wurden die Gremien und die Öffentlichkeit vom Magistrat informiert, im Gegenteil: Der Magistrat erklärte im Lorsbacher OBR auf Nachfrage noch am 26.01.22, es gebe nichts neues.

    Der Magistrat hat sich nicht gegen das Verfahren gewehrt (Plangenehmigung ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt eines Planfeststellungsverfahrens mit Bürgerbeteiligung), er hat auch keine Bürgerbeteiligung eingefordert, und er hat offenbar ohne Protest hingenommen, dass nur die breitere Straße mit größerem Kurvenradius, aber nicht auch der Radweg geplant und gebaut wird.

    Wegen dieses Neubaus der gesamten Straße, nicht wegen der Sanierung der Stützmauer, ist auch die lange Bauzeit mit geplanter einjähriger Sperrung erforderlich.

    Barbara Grassel

    13. Februar 2022
    |Antworten

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