In den letzten Monaten ist es in Hofheim zu einigen bemerkenswerten Vorfällen gekommen: Die Kommunalpolitik war Schauplatz angeblicher Kriminalfälle und Straftaten. Die Polizei wurde alarmiert, die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, die Lokalpresse berichtete aufgeregt… Und wie ging’s dann weiter? Darüber steht kein Sterbenswörtchen in den Lokalzeitungen, aber Sie sollen es natürlich trotzdem erfahren: Der Hofheim/Kriftel-Newsletter informiert Sie exklusiv. Bonus: Bad News für die Lokalzeitung.
Das sind die heutigen Themen
ToggleAkte des Entsetzens schnell geschlossen
Der Fall war schon etwas ominös: CDU-Bürgermeister Christian Vogt (CDU) hatte bei einer Fahrt mit seinem Audi A6 festgestellt, dass ein Reifen Luft verlor. Da steckte ein Nagel drin – kann ja mal passieren…
Zur gleichen Zeit in Diedenbergen: CDU-Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler wollte in seinen BMW steigen. Er schaute sich vorher alle Reifen an – das macht doch jeder, oder? – und will einen Nagel entdeckt haben. Sagte er.
Es war sechs Wochen vor der Bürgermeisterwahl, und damit es auch jeder mitbekam, wurde flugs die Lokalzeitung informiert. Ganz großes Thema! “Entsetzen über Nagel-Attacke” schlagzeilte das Kreisbatt. “Die normalen Grenzen demokratischer Auseinandersetzung” würden in Hofheim überschritten, klagte die Mitarbeiterin der Zeitung. Der Vorsitzende der Stadt-CDU, Jens Fleck, sagte, dass die “Enthemmung” Kommunalpolitiker immer schneller treffe. Und CDU-Ortsvorsteher Dieter Kugelmann meldete sich aus dem Dörfchen Lorsbach mit einem Fernurteil: “Das ist kriminell!”
Am Wochenende versuchte der Kolumnist der Lokalzeitung, das Entsetzen in der Stadt noch etwas zu steigern. “Was bleibt, ist stummes Entsetzen”, fabulierte er.
Stummes Entsetzen! Da muss man erst mal drauf kommen!

Hofheimer CDU-Macher vereint in lautstarker Empörung – nur uns plagten leise Zweifel: Die mediale Ausschlachtung eines platten Autoreifens trug allzu deutliche Züge einer manipulativen Wahlkampfstrategie. Wurden etwa kurz vor der Bürgermeisterwahl Straftaten erfunden, um Sympathien für den CDU-Kandidaten zu wecken – und zugleich Kritiker durch Diffamierung aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen?
Die Bürgermeisterwahl ist vorbei: Und was ist aus der entsetzlichen Nagel-Attacke geworden? Die Zeitung schweigt. Wir haben nachgefragt – das Ergebnis:
Die Polizei hat die Ermittlungen ganz schnell eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt redet nicht lange drumrum: “Eine politische Motivation ließe sich lediglich daraus ableiten, dass am selben Tag das Fahrzeug sowohl des Bürgermeisters als auch des Stadtverordnetenvorstehers auf dieselbe Art beschädigt wurden und beide der CDU angehören.”
Von Entsetzen keine Spur: Die Justiz zeigt sich gelassen und hat die Akte geschlossen. “Das Verfahren wurde eingestellt, da es weder Täterhinweise noch weitere Ermittlungsansätze gab.”
Zweite Attacke auf Förster, und wieder kein Täter
Dann war da die Sache mit dem Hofheimer Revierförster. Leif Leonhardt arbeitet noch keine fünf Jahre in Diensten der Stadtverwaltung und wurde – nach eigenen Angaben – bereits zwei Mal Opfer von Straftaten. Anfang Februar widerfuhr ihm erneut gar Schreckliches:

Auf dem Gartentor des Forsthauses auf dem Kapellenberg – das Haus gehört der Stadt – entdeckte er krakelige Schriftzeichen. In tiefschwarzer Farbe waren vier Worte geschrieben: “Hier wohnt der Waldzerstörer”.
Auch wenn ein abwischbarer Stift benutzt wurde: So etwas gehört sich natürlich nicht! Die Polizei wurde umgehend alarmiert und nahm eine Anzeige auf. Auch die Zeitung wurde informiert und veröffentlichte einen großen Bericht. Sie machte auch publik, in welchen Kreisen der Täter zu verorten sei:

Wenige Tage zuvor hatten Naturschützer einen “Waldspaziergang” veranstaltet, bei dem die städtische Forstwirtschaft nicht gut weggekommen war. Die Zeitung: “Wer immer die Hofheimer Waldbewirtschaftung kritisiert, muss sich auf die Unterstellung gefasst machen, er könnte es ja gewesen sein, der da das Eingangstor beschriftet hat.” Für die Organisatoren des Waldspaziergangs, schrieb der Redakteur weiter, sei die Kritzelei jedenfalls “maximal unglücklich”.
Dem Förster – inzwischen der CDU beigetreten, was er laut in den sozialen Medien kundtat – dürfte die öffentliche Stigmatisierung gefallen haben. Naturfreunde mag er nicht besonders, das hat er mit abfälligen Bemerkungen in den sozialen Netzwerken wiederholt kundgetan.
Es ist nicht die erste Straftat, die Leif Leonhardt angeblich widerfahren ist: Vor vier Jahren will er am Gartenzaun des Forsthauses mit Reizgas angegriffen worden sein. Auch damals waren die Täter schnell ausgemacht: Das waren Querdenker, hieß es. Beweise gab es zwar nicht. Aber Leonhardt mochte Querdenker nicht, er hatte sich schon öfter mit ihnen gezofft.
Die Täter, wie ärgerlich, konnten entkommen, damals und wie heute. So wird denn wohl auch die Kritzelei auf dem Gartentor – juristisch ein Fall von Sachbeschädigung – ungesühnt bleiben: Die Justiz hat den Fall schnell abgehakt. “Eine tatverdächtige Person konnte nicht ermittelt werden; das Verfahren wurde daher eingestellt”, teilte Oberamtsanwältin Heike Stahnke auf Anfrage mit.
Baltruschat blitzt bei Staatsanwaltschaft ab
Es war ein Riesenaufreger vor Monaten im Zentrum der Kreisstadt: Der Polizist Wulf Baltruschat wollte der Stadtverordneten Tanja Lindenthal verbieten, ihre Meinung frei zu sagen. Er zeigte sie sogar an. Jetzt endete der Fall mit einer Schlappe für den CDU-Mann.

Darum ging es: Baltruschat betreibt mit einem von ihm gegründeten Vereinsring einen Weinausschank auf dem Untertorplatz. Eigentlich sollten dort Vereine ihre Kasse aufbessern können, doch Baltruschat lässt regelmäßig Privatleute und Firmen ausschenken. Alles recht undurchsichtig, niemand – außer Baltruschat – weiß, wer was kassiert. Die Stadtverwaltung macht’s möglich: Baltruschat sitzt auf CDU-Ticket im Magistrat. Dass er das Gremium mit seinem Auftreten in die Nähe eines Selbstbedienungsladens gerückt hat – anderes Thema…
Tanja Lindenthal, die zur Wählergemeinschaft “Bürger für Hofheim” (BfH) gehört, findet Baltruschats Holzhütte vor der Kulisse historischer Fachwerkhäuser unpassend. Kann man ja so sehen. Sie vertrat ihre Meinung in einem städtischen Gremium, woraufhin Baltruschat ihr per Mail androhte, dass sie mitsamt ihrem Verein aus seinem Vereinsring geworfen werde, sollte sie es wagen, das “Chalet” nochmals zu kritisieren.
Nachdem der Hofheim/Kriftel-Newsletter den Vorgang öffentlich gemacht hatte, eskalierte die Angelegenheit: Baltruschat zeigte Lindenthal bei der Polizei an (hier).
Nach einer solchen Strafanzeige wird die Polizei tätig. Dann geht die Akte an die Staatsanwaltschaft. Diese will mehr wissen, und es finden weitere Ermittlungen statt. Lindenthal musste einen Rechtsanwalt einschalten. Der Fall zog sich hin. Über Monate. Wegen was eigentlich nochmal?

Nach über einem Jahr wurde das Verfahren sang- und klanglos eingestellt. Ein Sprecher der Frankfurter Amtswaltschaft teilte auf Anfrage mit: “Der Anzeigeerstatter”, also Baltruschat, sei “gemäß §§ 374 ff. der Strafprozessordnung auf den Weg der Privatklage verwiesen” worden.
Das heißt: Ein Geschädigter – oder besser: einer, der sich geschädigt fühlt – kann gemäß Paragraf 374 ff. der Strafprozessordnung bei bestimmten Delikten selbstständig Klage einreichen: Dann wird der Fall ohne Polizei und ohne Staatsanwaltschaft vor Gericht verhandelt.
Privatklage gegen Lindenthal? Kann Baltruschat ja mal versuchen. Ob er sich das traut: großes Fragezeichen!
Kreisblatt: Verkaufszahlen gehen weiter runter
Das Format wurde verkleinert, dann auch noch der Preis erhöht – da ist es kein Wunder: Die Hofheimer Lokalzeitungen sind weiter auf dem Rückzug. Das mag man schade finden – andererseits: Die Qualität der Berichterstattung empfinden viele Leser offensichtlich nicht so, als dass sie darauf nicht verzichten können.
Ende letzten Jahres hatten wir umfassend analysiert, warum immer weniger Hofheimer das Kreisblatt kaufen. Die Flucht der Leser hält an – hier sind die neuesten Quartalszahlen:

Ende März belief sich die Zahl der Abonnenten auf nur noch 16.486. Ein Jahr zuvor waren es noch 17.624: Der Verlust beträgt somit 6,5 Prozent in einem Jahr.
Der Einzelverkauf in Geschäften und Tankstellen brach sogar um nahezu 20 Prozent ein: Es wurden nur noch 956 Zeitungen verkauft (im Vorjahr: 1.188 Exemplare).
Wichtig zur Einordnung: In diesen Verkaufszahlen sind neben dem Kreisblatt auch die MTK-Ausgaben der Frankfurter Rundschau und der FAZ/Rhein-Main enthalten. Gleichzeitig geht das Verkaufsgebiet weit über den Main-Taunus-Kreis hinaus: Es umfasst auch den Frankfurter Westen, Mainz und Wiesbaden sowie den Rheingau-Taunus-Kreis.
Wie viele Exemplare des Kreisblatts noch in der Kreisstadt Hofheim verkauft werden: Diese Zahl gibt der Verlag nicht heraus.
Der Abzock-Trick mit dem Bilder-Rätsel
Wenn Menschen mit dreisten Tricks um ihr Geld gebracht werden, sprechen Zeitungen gern von Abzocke. Selbst würden sie so etwas natürlich niemals tun! Das Vorgehen ist oft subtiler: Das Kreisblatt, das zur Frankfurter Neuen Presse (FNP) gehört, veröffentlicht seit Wochen jeden Tag ein Bilderrätsel. 1.000 Euro Gewinn winken täglich, mitmachen ist ganz einfach: Anrufen – Lösungswort sagen – schon ist man im Lostopf.
Für den Verlag ein gutes Geschäft: Jeder Anruf kostet 50 Cent – das summiert sich!
Aber das Kreisblatt hat doch nur noch wenige Leser, sagen Sie, da kann doch nicht so viel zusammenkommen…
Oh doch! Ein simpler Trick macht’s möglich.
Über dem Rätsel steht groß der Titel der Zeitung – also „Frankfurter Neue Presse” und „Höchster Kreisblatt”. Die Leser glauben also, es handele sich um ein Gewinnspiel „ihrer” Zeitung – wie früher.
Doch inzwischen gehört die FNP – wie übrigens auch die Frankfurter Rundschau – zum Ippen-Verlag, einem der mächtigsten Verlagshäuser Deutschlands, das zahlreiche andere Zeitungen besitzt. In fast allen Ippen-Blättern erscheint derzeit dasselbe Rätsel mit identischem Ablauf.
Raffiniert: In winziger Schrift steht unter dem Rätsel, dass die 1.000 Euro unter allen Teilnehmern der Verlagsgruppe Ippen verlost werden. Es dürften also jeden Tag vermutlich zehntausende, vielleicht auch hunderttausende Anrufe zusammenkommen. Pro Anruf 50 Cent…
Die Chance auf den 1000-Euro-Gewinn, die für die Leserschaft des Kreisblatts auf den ersten Blick so vielversprechend erscheint, ist in Wahrheit also recht gering.
Für den Verlag dagegen sind solche Gewinnspiele eine goldene Gelegenheit: Er profitiert vom großen Teilnehmerkreis.