Er ist einer der kreativsten Fotokünstler der Stadt, doch kaum einer weiß es: Frank Müller, Chef eines mittelständischen Elektrounternehmens in Hofheim, ist ein Meister im Gestalten faszinierender Landschafts- und Tierfotos. Zugleich beweist er mit immer neuen und überraschenden Ideen eine beeindruckende künstlerische Schaffenskraft.
Ein Kellerraum unter einem Wohnhaus in Diedenbergen. Etliche technische Gerätschaften stehen umher, teilweise selbstgebaut: ein Blitzgerät, eine Steuerungsanlage, eine Lichtschranke – und natürlich ein hochwertiger Fotoapparat. Manchmal liegt da auch noch ein Luftgewehr, manchmal eine Armbrust . . .
Der Raum wird abgedunkelt, stockduster muss er sein. Dann wird die Langzeitbelichtung der Kamera ausgelöst, wenig später fällt ein Schuss, nahezu zeitgleich zuckt ein Blitz auf . . .
Auf diese Weise gelingt es Frank Müller (51), Fotos von atemberaubender Präzision anzufertigen: Er fängt exakt jenen winzigen Augenblick ein, in dem eine Gewehrkugel eine Spielkarte in zwei Hälften teilt. Oder einen aufgeblasenen Luftballon zum Zerplatzen bringt. „Die Vorbereitung ist das wichtigste“, sagt Müller, „sie dauert oft Stunden“. Das Blitzgerät etwa muss so eingestellt werden, dass es nach dem Abgeben des Schusses mit einer Verzögerung von weniger als einer Tausendstel Sekunde ausgelöst wird.
Das Ergebnis sind Bilder, die mit ihrem unglaublichen Detailreichtum faszinieren. Spektakuläre High-Speed-Fotos, die sichtbar machen, was unseren Sinnen entgeht.
Müller, verheiratet und Vater einer Tochter, betreibt in Hofheim an der Hattersheimer Straße (unmittelbar vor dem Showspielhaus) ein Elektrounternehmen. Vor genau 25 Jahren machte er sich mit einem Ein-Mann-Betrieb selbstständig, heute beschäftigt er sieben Mitarbeiter. Er hat sich auf die Betreuung von Hygiene-Geräten in Arztpraxen und Kliniken spezialisiert, bietet aber auch den klassischen Elektroservice an sowie Strom-, Ton- und Lichttechnik für Veranstaltungen.
Wie kommt ein handfester Handwerker zur filigranen Fotografie, zu einem Hobby also, das im Zeitalter des Handys für die meisten von uns zum nachlässigen Zeitvertreib geworden ist, das er jedoch mit akribischer Perfektion betreibt?
Frank Müller: Im Tarnzelt auf der Jagd nach Motiven
„Ich war schon als Jugendlicher vom Fotografieren begeistert“, sagt er. Damals war die Welt noch analog, man musste Filme kaufen, sie zum Entwickeln bringen und dann tagelang auf die Abzüge warten. Jedes einzelne Foto kostete bares Geld, „da habe ich schnell gelernt, dass das Beachten technischer Regeln am Ende preiswerter ist, weil es zu guten Fotos führte“.
Mit der Zeit wurde er bei seinen Motiven wählerischer. Er fotografierte Tiere, aber nicht wie unsereins im Vorübergehen: „Manchmal liege ich stundenlang in einem Tarnzelt und warte auf die eine entscheidende Sekunde, die ein Foto einzigartig macht.“ Für Landschaftsfotos reist er am liebsten in nordische Länder: „Dort ist die Luft klarer, das Licht einzigartig, die Nähe zur Natur ist regelrecht spürbar. Diese Stimmung versuche ich, in meinen Bildern einzufangen.“
Lost places ins richtige Licht gerückt
Neuerdings nimmt er mit Vorliebe skurril anmutende Motive ins Visier: „Lost places“ – verlassene Plätze. Er fotografiert leerstehende Schwimmbäder, manchmal auch heruntergekommene Industrieruinen. Auch hier: Es wird nicht „einfach so“ geknipst – jedes Motiv wird hart erarbeitet. Im Internet recherchiert er nach der passenden Location. Vor Ort wählt Müller dann einen Blickwinkel aus, der die Mächtigkeit des Bauwerks wie auch dessen Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit offenbart. Er errechnet den genauen Zeitpunkt, wann die ausgesuchte Szene von der natürlichen Helligkeit des Tages in das richtige Licht gerückt wird. Am Ende ist es meistens nur noch ein schneller Knopfdruck, und das Mysterium des zerfallenen Ortes ist für immer eingefangen.
Der Lohn für derartige Mühen ist das einzelne Bild: perfekt durchdacht, perfekt ausgeleuchtet, perfekt inszeniert. Es sind Fotos, die den Betrachter staunen lassen, die ihn gefangen nehmen und oftmals so schnell nicht wieder loslassen. Dass diese Kunstwerke einer breiteren Öffentlichkeit bislang weitgehend verborgen blieben, ist schwer verständlich und allenfalls mit der Bescheidenheit des Fotografen erklärbar. Erst die Mitgliedschaft im Kunstkreis Wallauer Fachwerk führte dazu, dass Frank Müller inzwischen seine Werke gelegentlich bei Ausstellungen zeigt.
Mit Menschenfotos hat er’s übrigens nicht so: „Die mache ich ganz selten“, sagt Frank Müller. Er habe es mal versucht, aber der Perfektionist in ihm habe erkannt: Das sei nicht sein Ding. Also lässt er’s lieber.
Nur einmal hat’s ihn gepackt, aber da stand mehr die Einzigartigkeit der Idee im Vordergrund: Er porträtierte in seinem Wohnort 100 Namensvetter. 100 Fotos von 100 Müllers aus Diedenbergen – daraus machte er ein großes Poster. Völlig verrückt natürlich. Aber ein echter Hingucker. Typisch Müller eben: auf ganz besondere Weise faszinierend.
Dieser Bericht erschien in FNP/Ausgabe Kreisblatt am 06. Juli 2019