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Ramin Mohabat: Der Hölle entkommen – den Frieden gefunden

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Er ist gerade mal 32 Jahre alt. Was er gesehen und durchlitten hat, sprengt unsere Vorstellungskraft. Es reicht vermutlich für mehrere Leben: Krieg. Gefängnis. Folter. Morde. Jetzt aber hat er Frieden und Freiheit gefunden und versucht, in Bildern die unbekümmerte Schönheit unseres Lebens einzufangen, als wolle er sie für immer festhalten. Ramin Mohabat, Flüchtling aus Afganistan, Hofheimer aus Leidenschaft: Für seine Fotografien von der Stadt und ihrer Umgebung bekommt er in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram immer wieder viel Beifall. Wer ist dieser Mann? Wir wollten ihn kennenlernen. 

Wir treffen uns in der Stadtmitte und machen einen kleinen Spaziergang, später reden wir noch einmal lange per Zoom miteinander. Ramin Mohabat spricht perfekt deutsch, obwohl er gerade mal fünf Jahre in Deutschland lebt. „Ich habe dafür gepaukt, manchmal rund um die Uhr“, sagt er. Er wirkt ausgeglichen, strahlt die Gelassenheit und Ruhe eines Menschen aus, der mit sich im Reinen ist:

„Ich habe endlich einen Job gefunden, der mir großen Spaß macht“, erzählt er. Er sei jetzt „Schul- und Teilhabeassistent“. Was das ist? Er begleitet im Auftrag einer caritativen Organisation ein autistisches Kind durch den Tag, holt es morgen von zu Hause ab, sitzt stundenlang neben ihm in der Schule und hilft, dass es den Alltag bewältigen und soziale Kontakte aufbauen kann.

In seiner Freizeit geht er auf Fotopirsch. Fährt durch Hofheim und die Ortsteile. Fängt Leben und Stimmungen ein und perfektioniert die Bilder abends am Computer, dass sie einfach nur noch schön aussehen.

Ramin Mohabat
Blick über Hofheim vom Kapellenberg aus. Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden.

Er kennt das „andere Leben“, in dem unsere Vorstellung von der Hölle ganz nahe an die Wirklichkeit herangerückt ist. Geboren in Afghanistan, im Reich der mörderischen Taliban. Ramin Mohabat hat nach Schule und Studium einen Beruf gewählt, der ihn begeisterte, der aber in seinem Heimatland ganz schnell lebensgefährlich sein kann: Journalist, Reporter, Fotograf – das war sein Ding. „Ich habe  Fotos von den Konflikten in Afghanistan gemacht und an Kollegen bei BBC und Al-Jazeera verkauft“, sagt er. Er habe 2012 für den Sender Asia TV fotografiert, als mehrere Tausend Afghanen gegen die Koran-Verbrennungen durch US-Amerikaner protestierten. Er habe für das afghanische Staatsfernsehen gearbeitet, in Kriegsgebieten recherchiert, von einer Niederlage der Taliban durch die afghanischen Streitkräfte berichtet, bei der rund 400 Taliban getötet wurden…

Es sagt, die Bilder von dem, was er erlebte, seien in seinem Kopf gefangen, gingen nicht mehr weg. Da war die Busfahrt von Herat nach Kabul. Ein Mann saß im Fahrzeug, der hatte im Iran gelebt, wo Bart zu tragen für Männer keine Pflicht ist. Alle hätten den Mann gewarnt, er solle besser aussteigen. Dann ein Kontrollpunkt: „Die Taliban haben den Hazara-Mann aus dem Bus geholt und vor den Augen aller Fahrgäste geköpft. Der Körper wurde da gelassen, den Kopf sollten wir mit dem Bus nach Kabul fahren.“ Später habe der Busfahrer den Kopf aus dem Bus geworfen.

Ramin Mohabat
Ramin Mohabat mit Mutter und Bruder vor zwei Jahren bei einem Treffen im Iran.

Auf einer seiner Reisen in die Gebiete der Taliban sei er gekidnappt, ins Gefängnis gesperrt und als Spion beschuldigt worden. Er sei nur freigekommen, weil der Vater eines Freundes bei den Taliban war und sich für ihn eingesetzt habe. Aber seither stand er auf der Liste. Seine Eltern drängten ihn, er solle das Land verlassen. Er wollte nicht, wusste er doch, dass eine Rückkehr schwierig, wenn nicht unmöglich werden würde: „In Ghanzni wurden vier freiwillige Rückkehrer aus Europa von den Taliban ausgepeitscht, weil sie mit Christen Kontakt hatten.“

Er hielt nicht lange durch. „Eines Tages sind in meiner Straße fünf bis sechs Unbekannte aufgetaucht und haben nach mir gesucht. Sie fielen sofort auf.“ Taliban! Seine Familie und Nachbarn drängten ihn, er solle gehen, jetzt sofort, bald sei es zu spät, er müsse sich endlich in Sicherheit bringen.

So machte er sich auf den Weg, kam hier an. In Deutschland warteten ganz andere Kämpfe auf ihn. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Der zuständige Behördenmitarbeiter habe kein Interesse gezeigt, sich seine Geschichte anzuhören, erzählt er. Der Dolmetscher habe nicht seine Landessprache gesprochen und fehlerhaft übersetzt. „Ich habe monatelang nicht schlafen können, weil ich Angst hatte, dass mein Antrag abgelehnt würde“, sagt Mohabat.

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Apfel am Baum, gesehen von Ramin Mohabat.
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Das Landratsamt im Licht des Sonnenaufgangs.

In dieser Zeit lernte er wie besessen deutsch. Morgens Kurse, nachmittags weitere Kurse. Bis in die Abendstunden, immer nur deutsch. „Ich hoffte, einen Tages eine Uni besuchen zu können, Politikwissenschaften hätte ich gerne studiert…“ 2018 kam die erlösende Nachricht: Asylantrag angenommen. Er kann bleiben. Darf arbeiten. Darf sich hier eine neue Existenz aufbauen.

Inzwischen hat er seine beruflichen Pläne komplett geändert. Studieren will er nicht mehr: „Die letzten Jahre haben mir einfach zu viel Kraft gekostet. Ich will mir jetzt mein Leben richtig aufbauen, ich will auch endlich eine sichere Zukunft haben.“ Einen Job hat er, der ihn auch glücklich macht. Vielleicht, träumt er laut, werde es ja noch was mit dem Fotografieren, vielleicht…

„Hier ist Frieden, seit 75 Jahren“, sagt er dann plötzlich. Er wirkt nachdenklich. „Manchmal glaube ich, die Menschen wissen nicht, wie gut sie es haben. Krieg ist Scheiße.“

Einer seiner Sprachlehrer in Diedenbergen hat ihm eine Wohnung vermittelt. Ramin Mohabat fährt ein kleines Auto, hat eine Freundin. Seine offene und freundliche Art, auf Menschen zuzugehen, verhilft ihm schnell zu Kontakt und Bekanntschaften. Er kümmert sich weiterhin ehrenamtlich um Landsleute, die in Hofheim untergekommen sind und deren Asylantrag noch offen ist. „Sie leben zu viert in kleinen Zimmern, können nichts machen, nur warten, und das manchmal jahrelang. Es ist kaum auszuhalten.“ Sie rufen ihn an, wenn sie Schreiben vom Amt nicht verstehen oder Schwierigkeiten mit Behörden haben. Er übersetzt dann für sie.

Er hat sich zeitweilig auch in der Hofheimer Jugendarbeit engagiert, hat Fotoprojekte eingebracht, hat daraufhin von der Presseabteilung im Rathaus einen kleinen Job bekommen: Er kommt und fotografiert, wenn die Stadt Bilder für Prospekte oder ihre Webseite benötigt. 

Die Pandemie hat einige dieser Aktivitäten gestoppt. Ramin Mohabat nimmt’s gelassen, bleibt ihm doch mehr Zeit zu fotografieren. Landschaften. Gebäude. Menschen. Tiere. Immer wieder Bilder von hier. Hofheim und seine Ortsteile. Kalenderfotos, einfach nur schön.

„Hofheim und Diedenbergen, hier fühle ich mich einfach wohl“, sagt er und lacht. Er habe nette Nachbarn, viele Freunde gewonnen: „Hier ist jetzt mein Zuhause. Für immer.“

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Sonnenuntergang in Langenhain.
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Sonnenuntergang in Diedenbergen.

Fotos von Ramin Mohabat

Die Fotos von Rahim Mohabat auf dieser Seite (Sie können sie mit einem Klick vergrößern) hat er selbst ausgewählt: Es seien die schönsten, die er in letzter Zeit gemacht hat. Wenn Sie weitere Fotos von Ramin Mohabat anschauen möchten: Sie finden sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.


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