Das Großbauprojekt Marxheim II – oder wie Hofheims Stadtvorderen neuerdings lieber sagen: das „Wohnquartier Römerwiesen“ – bewegt die Stadt. Wir fassen an diesem Sonntag etwas ausführlicher zusammen, was seit Freitag passiert ist.
Dazu auf vielfachen Wunsch und vor allem für alle „Neuen“ ein wenig Hintergrund:
In Hofheim-Marxheim – genauer: links der Rheingaustraße Richtung stadtauswärts, direkt an der Grenze zu Kriftel, dort, wo heute Wiesen und Felder sind – soll ein riesiges Neubaugebiet entstehen. Auf 30 Hektar sollen 1400 Häuser und Wohnungen für mehr als 3000 Menschen gebaut werden.
Über ein solches Projekt lässt sich natürlich vortrefflich streiten. Die einen sagen, damit werde die Wohnungsnot in der Region wenigstens ein wenig gelindert. Andere geben großes Interesse an der Entwicklung der Stadt vor, sind aber nur auf dicke Geschäfte aus. Wieder andere treibt die Sorge um unsere Natur, die geopfert werde; sie sehen den Wohlfühlfaktor in der Stadt zunehmend minimiert, und sie befürchten einen Verkehrskollaps.
Unterschiedliche Blickwinkel, die zu ganz unterschiedlichen Bewertungen führen. Nicht unnormal bei einem Projekt dieser Größenordnung.
Es wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, und in diesem Zusammenhang wurde erstmals offensichtlich, dass Hofheims Stadtspitze bei Marxheim II nicht ganz sauber spielt. Dazu gleich mehr, hier nur kurz: Ein solches Verhalten von Lokalpolitikern schürt Misstrauen, denn es bestätigt das Gefühl des Unbehagens, dass im Hintergrund unheilvolle Kräfte wirken könnten, die das Wohl der Stadt vorgeben, in Wahrheit aber allein ihre ureigenen Interessen verfolgen.
Mit den ersten Überlegungen zu Marxheim II gründete sich eine Bürgerinitiative, die kritisiert, dass die Natur am Stadtrand zugepflastert werden soll. Vor allem aber weisen die BI-Mitglieder beharrlich auf ein Problem hin, für das die Stadtverwaltung und die verantwortlichen Politiker bis heute keine Lösung nennen – vielleicht gibt es auch gar keine:
Was ist eigentlich mit dem Verkehr in der Stadt, wenn mehr als 1400 Häuser und Wohnungen an die Stadtgrenze angeflatscht werden? Die Rheingaustraße ist heute schon überlastet: Und demnächst sollen über 3000 neue Anwohner dazukommen? Tausende Autofahrer mehr in der Stadt: Wie, bittschön, soll das funktionieren?
Neuerdings geht das Gerücht um, die Bürgerinitiative wolle bei den Kommunalwahlen im März 2021 antreten. Man darf davon ausgehen, dass solche Pläne den führenden Stadtpolitikern schon heute schlaflose Nächte bereiten. Vielleicht deshalb ihr neuester Trick:
Der Name Marxheim II soll fortan nicht mehr verwendet werden, so ihr Beschluss. Das Mega-Bauprojekt soll künftig auf den wohlfeilen Namen „Römerwiesen“ hören. Motto: Wer will schon gegen Wiesen demonstrieren? Das Kreisblatt sprach in der Samstagausgabe nahezu anerkennend von einem „Coup der Stadt“: Als sei es eine respektable Leistung einer Stadtverwaltung, wenn sie ihren eigenen Bürgerinnen und Bürger so tricky begegnet.
Am Freitagabend nun fand im Rahmen des Planungsverfahrens eine Bürgerinformation statt. Wegen Corona war das keine Versammlung mit den Bürgern, sondern eine Art zweistündiger Vortrag in der Stadthalle, dem man online beiwohnen konnte. Man konnte auch Fragen stellen, das anonymisierte Procedere wirkte allerdings sehr undurchsichtig.
Wir haben umgehend berichtet – übrigens mit der Folge, aber das nur am Rande, dass unser Hofheim/Kriftel-Newsletter noch in der Nacht jede Menge neuer Abonnenten fand. Was deutlich macht, dass das Interesse an einer lebendigen und offenen kommunalpolitischen Auseinandersetzung in Hofheim wacher und lebendiger ist, als allwöchentliche „#hofheimstehtzusammen“-Youtube-Ansprachen aus dem Rathaus zu suggerieren versuchen.
Am Samstag berichteten auch die gedruckten Zeitungen. Die Überschrift der „Frankfurter Rundschau“ klingt, als sei sie von einem Immobilieninvestor diktiert worden: „Naturnah wohnen an der Römerallee“. Der Text enthält Passagen, die jeder Planungsbeauftragte eines Baulöwen nicht schöner hätten formulieren können:
Verankert sind auch Begriffe wie Dorfanger und Grüner Anger, Streuobstwiese, grüne Blickachsen und Quartiersgärten, unbedingt soll die Vision von einem Wohngebiet mit naturnahem Charakter vermittelt werden. Grün, ökologisch hochwertig, vielfältig. Mit vielen „Freiräumen für Begegnungsflächen“, Wasserspielen am Dorfplatz und einem „sanften bepflanzten Übergang“ von der bestehenden Bebauung zu den Römerwiesen.
Prospekt-Prosa, die sich als Journalismus tarnt.
Das Kreisblatt gibt sich eine Spur nüchterner. Barbara Schmidt beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe der Ausführungen von Stadtplaner Torsten Becker. Die Redakteurin hatte bereits in der Freitagausgabe ausführlich berichtet; wer diesen Artikel nicht gelesen hatte, dem blieben diesmal wesentliche Informationen vorenthalten: Der vorgestellte Rahmenplan steckt nur grob ab, wie das Gebiet erschlossen werden kann und wo welche Bebauung denkbar wäre. Am Ende werden Bebauungspläne die Details regeln, über die wiederum in den politischen Gremien entschieden wird. Im Klartext: Alles kann so sein, wie am Freitagabend erzählt wurde. Alles kann aber auch noch ziemlich anders werden.
Insofern scheint kritische Beobachtung der Entscheidungswege und auch der Entscheider dringend geboten. Wobei es bis zur Realisierung von Marxheim II noch ein längerer Weg ist: Das Kreisblatt zitiert den Ersten Beigeordneten Wolfgang Exner, der eine abschnittweise Umsetzung für vorstellbar hält, „allerdings werde während seiner Amtszeit, die noch drei Jahre währt, kaum der erste Bagger rollen“.
Wenn sich aktuell das Verfahren unerwartet hinzieht, liegt das nicht an den Kritikern, auch wenn entsprechende Gerüchte aus der Stadtverwaltung gestreut werden. Fakt ist:
Die Verantwortlichen im Hofheimer Rathaus haben ein ziemlich unsauberes Spiel versucht. Und sie sind damit böse auf den Bauch gefallen. Das rächt sich jetzt.
Fangen wir mit der erwähnten Machbarkeitsstudie sind:
Die war zum Baugebiet Marxheim II erstellt worden, lag bereits 2018 vor – und wurde im Rathaus unter Verschluss genommen. Das war schon sehr merkwürdig: Die Mitglieder des Stadtparlaments, die verantwortlich sind und über das Großprojekt entscheiden müssen, wurden mit kargen Informationen abgespeist. Noch merkwürdiger: Die Rathauskoalition aus CDU, SPD, FWG und FDP verzichtete bereitwillig darauf, die Langfassung einsehen zu können.
Das riecht verdächtig: Warum beschließen Mitglieder einer Rathaus-Koalition, dass sie bei einem derart wichtigen Mega-Projekt wie Marxheim II nicht umfassend informiert werden wollen?
Natürlich drängt sich da sofort die Frage auf: Gibt’s denn was zu verbergen?
Die Fraktion der Linken wehrte sich gegen die Rathaus-Mauschelei, zog vor Gericht – und bekam Recht: Die Stadt musste ihnen die Studie aushändigen. Bürgermeister Christian Vogt eierte nach dem Prozessniederlage gewaltig herum: Man habe sich, „trotz großer Erfolgsaussichten in der nächsten Instanz, laut Bekunden unseres Rechtsbeistandes, dazu entschieden, auf eine weitere Beschreitung des Rechtswegs zu verzichten“, ließ er per Pressemitteilung ausrichten. Und einmal mehr sprach er davon, „dass unser Verwaltungshandeln von größtmöglicher Transparenz ist“. Eine Aussage, die quasi per Gerichtsbeschluss ad absurdum geführt wurde.
So geht es nun munter weiter:
Die Linken monierten: Es habe einen Auftrag zur Vorbereitung des Baugebietes Marxheim II gegeben, um den sich mehrere Firmen beworben hätten. Den Zuschlag habe eine Firma bekommen, die nicht alle Ausschreibungskriterien erfüllt und außerdem nicht das günstigste Angebot gemacht habe. Das Kreisblatt schreibt heute (leider nur in der gedruckten Ausgabe): Bürgermeister Vogt habe davon ebenso gewusst wie seine Beigeordneten Wolfgang Exner und Bernhard Köppler.
Vorsätzliche Mauschelei in der Spitze des Rathauses?
Die Linken haben deswegen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Magistrat bei der Kreisverwaltung eingereicht: Darin forderten sie Landrat Michael Cyriax (CDU) auf, den fragwürdigen Vorgang zu überprüfen. Cyriax wiederum forderte die Stadt zu einer Stellungnahme auf.
Im Sommer dieses Jahres erklärte Bürgermeister Vogt, man werde die Stellungnahme fristgerecht (bis Ende Oktober) abgegeben.
Was für ein „Spiel“ treibt der Mann da nur? Tatsache ist: Bis heute – wir haben November – wurde die Stellungnahme nicht abgegeben!
Die Stadt hat eine Verlängerung beantragt, schreibt das Kreisblatt an diesem Wochenende, und der Kreis habe deshalb die Frist bis zum 20. November verlängert.
Wir lernen: Der Fall könnte ganz schnell aufgeklärt werden – theoretisch. Die Chefs der Stadtverwaltung müssten sich nur mal erklären, wie das mit dem Vergabeverfahren genau gelaufen ist. Aber genau das scheinen sie nicht wollen.
Die Verzögerungstaktik könnte, so lesen wir aktuell im Kreisblatt, Gründe haben, die der Partei des regierenden Bürgermeisters eines Tages richtig weh tun könnten:
Es soll sich bei der Firma, die der Magistrat nach der Ausschreibung favorisiert habe, „um ein Unternehmen aus einer großen Firmengruppe aus dem Immobilienbereich handeln. Und in einem anderen Unternehmen dieser Firmengruppe ist ein CDU-Stadtverordneter in leitender Funktion tätig„.
Deshalb also das organisierte Schweigen im Rathaus! Zitat Kreisblatt: „Der Hofheimer CDU kann es kaum recht sein, wenn diese Konstellation wenige Monate vor der Kommunalwahl zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen wird.“
Bereits vor ein paar Wochen waren Immobilienspekulationen eines führenden CDU-Mannes zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden. Michael Henninger, Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens in Hofheim, Stadtverordneter der CDU und – passt doch! – Mitglied im Bauausschuss, hatte gemeinsam mit der Firma Weiß Grundbesitz, die zur Firmengruppe des Bau- und Projektentwicklers Michael Weiß gehört, die „Projektgesellschaft Auf dem Gleichen“ gegründet. Die soll eines Tages im Hofheimer Norden (unweit der Therme) ein Baugebiet erschließen und bebauen will. Dabei ist dieses Gebiet noch gar nicht als Bauland ausgewiesen ist. Aber das scheint nicht zu stören. Weiß man mehr?
Fassen wir zusammen: Vorsätzliche Nicht-Information des Stadtparlaments, mutmaßliche Mauschelei bei einer Auftragsvergabe, tricky Umbenennung eines großen Bauprojekts, unverständliches „auf Zeit spielen“ bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde – Hofheims Rathausführung gibt wahrlich kein gutes Bild ab. Marxheim II wird, noch bevor der erste Bagger rollt, zu einem echten Skandalstück.
Das Thema wird weitergehen, wir bleiben am Ball. Wer sich über die aktuelle Planung aus städtischer Sicht informieren möchte, für den haben wir zwei Links parat:
Die sogenannte Bürgerinformation von Freitagabend ist als Youtube-Video ins Internet gestellt worden. Der Film dauert 2 Stunden und sechs Minuten und wurde bisher rund 1000 Mal angeklickt. Er bekam 15 „Daumen hoch“ und 11 „Daumen runter“: So wenig Reaktionen lassen vermuten, dass sich kaum einer den ganzen Film angetan hat.
Dazu hat die Stadtverwaltung eine neue Internetseite erstellen lassen, sie heißt www.hofheim-roemerwiesen.de. Darauf findet sich der Punkt „FAQ“, wo häufig gestellte Fragen beantwortet werden sollen, derzeit aber noch nichts steht. Wir sind gespannt.
Telefonbetrüger zockte 5000 Euro ab
Manchmal ist man sprachlos, wie leicht Telefonbetrüger immer wieder an ihre Beute kommen. Folgendes ist laut Polizei in Hofheim passiert: Ein angeblicher Microsoft-Mitarbeiter rief einen Mann an, der in der Straße Im Langgewann lebt. Es war um die Mittagszeit, der Anrufer sagte, er müsse einen Virus auf dem Computer entfernen. Dafür benötige er erstens Zugriff auf den Computer, dann das Internet und vor allem die Zugangsdaten zum Bankkonto. Der Hofheimer rückte alle Daten heraus, der Fremde buchte 5000 Euro vom Konto ab – und beendete das Gespräch. Jetzt wurde auch der Hofheimer misstrauisch und kontaktierte die Polizei. Zu spät…
Den Fall nimmt die Polizei zum Anlass, darauf hinzuweisen:
⮕ Mitarbeiter von Unternehmen wie Microsoft rufen nicht unaufgefordert bei ihren Kunden an. Eine Ferndiagnose ohne Auftrag, bei der ein Virenbefall bekannt wird, gibt es nicht!
⮕ Wenn solche Typen anrufen: sofort auflegen!
⮕ Gewähren Sie nie, niemals! einem unbekannten Anrufer Zugriff auf Ihren Rechner durch Installation einer Fernwartungssoftware.
⮕ Und geben Sie vor allem am Telefon nie private Daten preis. NIEMALS!
Diebe klauten Katalysator aus Auto
Ungewöhnlicher Diebstahl in Hofheim am Brandenburger Weg: Dort montierten Unbekannte den Katalysator eines Fahrzeuges ab und verschwanden damit. Der Sachschaden beläuft sich auf etwa 1100 Euro.
Kriftel: Höchster Straße voll gesperrt
Die Höchster Straße wird an diesem Montag vor dem Grundstück „Höchster Straße 21“ voll gesperrt: Ein Wasserhausanschluss wird erneuert. Die Sperrung dauert voraussichtlich bis 14. November, die Einbahnstraßenregelung wird in dieser Zeit aufgehoben.
Landrat: Corona-Zahlen deutlich gestiegen
An Wochenenden werden vom Landratsamt keine neuen Corona-Zahlen mitgeteilt. Gleichwohl wollen wir noch einmal die neuesten nennen (Stand Freitag 17 Uhr): In Hofheim gibt es inzwischen 98 Neuinfizierte (+12 zum Vortag), in Kriftel 52 (+11).
Landrat Michael Cyriax schreibt jetzt auf Facebook:
In Hofheim, Kriftel und Bad Soden sind die Fallzahlen am Freitag deutlich angezogen. Das Gesundheitsamt hat dafür keine Erklärung.
Cyriax schreibt auch, es gebe es keinen konkreten Hotspot – Altenheim, Asylunterkunft o.ä –, vielmehr verbreite sich das Virus unkontrolliert aus.
Gleichzeitig hat das Land Hessen, darauf macht der Landrat auch aufmerksam, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus verändert:
„Demnach ist es künftig wieder für Amateur- und Freizeitsportler möglich, alleine, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands auf und in allen Sportanlagen Sport zu treiben. Also: Tennishallen, Reitplätze & Co dürfen wieder geöffnet werden…
Gute Nachrichten zum Wochenende auch für alle Musikschüler. Denn das hessische Betätigungsverbot für Musik- und Kunstschulen ist ebenfalls gelockert worden. Die privaten Musikschulen werden ab Montag im gewohnten Rahmen in den Schulen des Kreises Räume nutzen können.“
Lions verkaufen Adventskalender
Immobilienmakler Haydn Crossfield hat in der Facebook-Gruppe „Wir in Hofheim“ für den neuen Adventskalender des Hofheimer Lions-Clubs geworben. Man verkaufe ihn auf dem Wochenmarkt, außerdem werde er in vielen Hofheimer Geschäften angeboten. Im letzten Jahr hatte der Verkauf des Kalenders einen Erlös von 4000 Euro erbracht: Das Geld wurde als Spende dem ärztlichen Leiter des Palliative Care-Teams Main-Taunus der Kliniken, Professor Michael Booke, übergeben.
Wieder einmal ein toller, umfassender Artikel, der alle Aspekte und Themen sowie Thesen rund um Marxheim 2, oh Entschuldigung „Hofheimer Römerwiesen“-aber in Marxheim!-,
beleuchtet.
Toll geschrieben und auch für „Neueinsteiger“ in dieses Thema ein guter Einblick in die Abläufe des derzeitigen Prozesses.
👍👍👍
Objektive Information ist das ja nicht, vor allem nicht, wo es um die „Römerwiesen“ geht. Hier werden nur die Vorurteile eines bestimmten Klientels bedient. Und dann frage noch jemand, wie die Gesellschaft gespalten wird…
Super geschrieben und auch sehr Informativ… zumal hier unverblümt auch gewisse Machenschaften und Vetternwirtschaft zutage gefördert werden!!!