Der gewaltige Gebäudekomplex am Rande des Kellereiplatzes spaltet nach wie vor die Menschen in Hofheim: Zwar spricht die Stadtspitze nahezu ausschließlich von einer neuen Stadtbücherei, aber das ist natürlich Augenwischerei: Schließlich wurde hier vor allem eine neue Sparkassen-Zentrale errichtet. Erst nebenan und deutlich kleiner wurden die Stadtbücherei und das Stadtarchiv untergebracht, außerdem Gastronomie, Wohnungen, eine große Tiefgarage…
Die teils heftige Kritik, die lange Zeit die Planungsphase prägte, ist weitgehend verstummt. Inzwischen bezeichnen viele Hofheimer das Beton-Ensemble als durchaus gelungen. Die Größe sei angesichts der vielfältigen Nutzung erträglich, die äußere Gestaltung dank vieler Fenster und freundlicher Farbgestaltung akzeptabel.
Anderen ist die Sparkasse nach wie vor zu übermächtig, in der direkten Verbindung zum Chinon-Center empfinden sie das Bankgebäude als viel zu großen Klotz. Geht man die Elisabethenstraße herunter, fühlt man sich tatsächlich wie in einer Schlucht: Links die hohe Fassade des Einkaufszentrums – rechts das langgezogene Bankgebäude.
Und in diesem Augenblick wird die Erinnerung wach: Sollte das nicht eigentlich ganz anders aussehen?


Planung und Realität: Bewegen Sie den Schieber, und Sie finden Hofheimer Dichtung und Wahrheit.
Die Suche im Archiv fördert die Wahrheit zutage: Ein halbes Dutzend großer Bäume hatten uns die Planer und die Verantwortlichen aus der Lokalpolitik und Hofheimer Wohnungsbaugesellschaft (HWB) versprochen. Entlang der Elisabethenstraße sollten sie stehen, auf Architektenbildern ist es zu sehen:
Viel Grün, in seinem opulenten Ausmaß durchaus passend zur Gebäudegröße, sollte die Tristess des langgezogenen Sparkassen-Neubaus heilen. Die am Computer generierten Pläne zeigten richtig “erwachsene” Bäume: Die Verheißung einer Elisabethenstraße, die nahezu wie eine Allee daherkam, sollte die Kritiker besänftigen und zum Schweigen bringen.

Von dem schönen Grün ist heute nichts zu sehen. Vor der Sparkasse stehen schlichte, stelzenartige Straßenleuchten mitten auf dem Gehweg. Es gibt eine Bushaltestelle mit erhöhter Bordsteinkante. Direkt daneben wurden drei graue Kästen unterschiedlicher Größe platziert, ebenfalls mittig auf dem Gehweg. Ziemlich hässlich wirken sie, erste Sprayer haben sie bereits mit ihren Tags markiert.
Auf den Architektenbildern waren die grauen Kästen nie zu sehen. Warum eine solche Täuschung während der Planungsphase? Glaubte man, die Menschen in Hofheim nicht mit der Wahrheit belasten zu können? Oder wollte man ihre Zustimmung mit geschönten Optiken ködern?
Bei der Stadtverwaltung müht man sich um eine Erklärung. Die grauen Kästen, die seien ja gar nicht neu. Die seien früher, als hier noch ein Parkplatz war und der Gehweg eng und holprig, nur nicht ins Auge gefallen.
Frage: Warum hat man für die Kästen nicht einen anderen Standort gesucht, etwas versetzt vielleicht, am besten ins Mauerwerk integriert?
Die Antworten liefert Rathaus-Pressesprecherin Iris Bernardelli nach Tagen interner Abstimmung: Dass an dieser Stelle Kabel im Gehweg liegen, sei zwar bekannt gewesen, “jedoch zum damaligen frühen Entwurfsstadium nicht deren exakte Lage in Breite und Tiefe”. Man habe die Kästen nicht versetzen können, weil sich unter ihnen ein großer Verteilerschrank befinde, den u.a. die Telekom nutze. Die verschiedenen Kabel würden fast auf der gesamten Gehwegbreite in der Elisabethenstraße verlaufen.
Verstehen wir das jetzt richtig? Da wurde mitten in Hofheim ein Millionen-Objekt geplant, eine riesige Baustelle beherrschte über Monate das gesamte Viertel – und die Verantwortlichen wollen den Verlauf unterirdischer Kabel in ihrem Ausmaß nicht gekannt haben. Und deshalb müssen die hässlichen grauen Kästen jetzt und in alle Ewigkeit mitten auf dem Gewhweg vor dem Neubau stehen?
Dann ist das so. Dann wollen wir das einfach mal so stehen lassen. Was soll man dazu auch noch sagen?
Und wo sind die versprochenen großen Bäume, die in den Zeichnungen der Architekten so schön leuchtend grün eingezeichnet worden waren?
Es wird sie nicht geben, das steht nunmehr fest. Zwar sollen demnächst Hainbuchen entlang der Elisabethenstraße aufgestellt werden, so Frau Bernardelli. Allerdings werden diese Bäume nicht in die Erde eingepflanzt, wie auf den Bildern dargestellt wurde. Sie dürfen nur in Hochbeeten stehen: Ihre Wurzeln sollen nämlich den Kabeln nicht zu nahe kommen.
Wir lernen: Große grüne Bäume entlang der Elisabethenstraße – das bleibt eine Fata Morgana, die uns die Planer und Macher der Stadt vorgaukelt haben. Es sind billige Schimären, mit denen wohl die Kritiker des Projekts ruhig gestellt werden sollten.
Es hat ja auch tatsächlich funktioniert!

Die Computerbilder stammen vom Architektenbüro Gottstein & Blumenstein,
sie wurden einem Prospekt entnommen, mit dem die Stadt/HWB für den Neubau warb.
Eigentlich sollte man langsam aus den „begrünten“ Plänen von Hochbauarchitekten gelernt haben – schon die Pläne vom Rosenberg sahen ganz anders aus, als dann später die Wirklichkeit. Und schon damals war so manch ein Stadtverordneter schockiert über die Diskrepanz zwischen Planung zu Realität: „Das hatten wir uns ganz anders vorgestellt“
Man kann da einem Stadtplaner und Hochbauarchitekten auch keinen Vorwurf machen, denn erstens haben sie von Pflanzen und grüner Platzgestaltung kaum Ahnung – sonst hätten sie ja Landschaftsarchitektur studieren können -, und zweitens sollten sie ja das Bauwerk planen und nicht das Grün.
Grün wird in den Planungsprogrammen nur automatisch zur Verschönerung hinzugefügt, ohne wirklich nach Art, Größe und Habitus der Pflanze mit den notwendigen Wurzelraum und Abständen geplant zu werden. Das wäre Aufgabe eines Landschaftsarchitekten, der aber meist nicht mit eingebunden ist.
Ob man spätestens bei dem Mamutprojekt des neuen Stadtteils für Marxheim rechtzeitig merken wird, dass grüne Pläne nur halb so grün sind, wie sie scheinen🤔?
Derart große Bäume, wie sie von Architekten in ihren Plänen dargestellt werden, wird es, soweit sie überhaupt jemals als kleine Bäume gepfllanzt werden, erst in einigen Jahrzehnten geben können. Soll heißen, mit derartigen Plänen wird ein Zustand vorgegaukelt, der unmittelbar nach Fertigstellung des Bauwerkes niemals eintreten kann. Insofern kann man schon von einer (bewussten?) Täuschung sprechen, auf die nicht nur die Politiker sondern auf die Öffentlichkeit reinfällt. Somit fallen diese oftmals in changierendem Grau und Grün gehaltenen Architktenbildchen unter die Rubrik der (Produkt-)Werbung, bei der viele Effekte/Hoffnugnen/Wünsche erweckt werden, die sich in der Realität keinesfalls einstellen werden.
Soviel zum Thema Ehrlichkeit. Es wird Zeit, nicht mehr belogen zu werden.
Es könnte auch Kompromisse geben – Klettrosen sehen in der Altstadt wunderschön aus, Knöterich, viele kleine Bäume, von mir aus sogar Bambus. Aber ETWAS muss auf diesem Areal passieren, um für Schatten, Kühlung und frische Luft zu sorgen. Immer hat alles andere Vorrang, nur nicht die Begrünung. Das wäre mal eine Vision für Hofheim!
In der ZEIT ist ein schöner Artikel, wie man Städte heutzutage grün gestalten kann.
https://www.zeit.de/2021/47/nature-based-solution-klimawandel-gruenflaechen-waelder-klimakonferenz
Ich finde es völlig unverständlich, warum Hofheim nicht in der Lage ist, weg vom 70er Jahre Denken, hin ins 21. Jahrhundert zu schreiten.
Meine Hoffnung, dass sich dies mit einem neuen Bürgermeister ändert, wurde leider enttäuscht. Außer ein bisschen “Youtube” und einem “naja” neuen Logo ist wenig passiert.
Schade …
Die scheußliche Sparkassen-Fassade entlang der Elisabethenstr. (o.k., das ist Geschmackssache!) hätte nach dem von den Stadtverordneten beschlossenen Bebauungsplan durchaus eingegrünt werden können, denn dieser Bebauungsplan sieht einen nicht überbaubaren und zu begrünenden Streifen entlang des Sparkassengebäudes vor, der so tief sein sollte wie der “Vorgarten”vor dem ehemaligen MKW-Bürogebäude südlich des Kellereiplatzes.
Doch die HWB hat sich nicht an die Festsetzungen des von der Stadtverordnetenversammlng beschlossenen B-Plans halten müssen, denn der Magistrat hat die HWB von dieser Auflage befreit, so dass das Bankgebäude über die im gültigen Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze näher an die Elisabethenstraße gerückt werden konnte. Damit konnten in diesem Bürogebäude mehr vermietbare Flächen geschaffen werden. Das bringt der HWB mehr Mieteinnahmen.
Auch von der Auflage im gültigen Bebauungsplan, das anfallende Niederschlagswasser in einer Zisterne zu sammeln, wurde die HWB vom Magistrat befreit. Das sparte der HWB Kosten.
Hätte sich die HWB an die Festsetzungen des Bebauungsplans halten müssen, würde man sich zwischen Sparkasse und Chinon-Center nicht wie in einer Schlucht fühlen, es gäbe dort mehr Grün und – nicht zu vergessen – gäbe es einen besseren Schutz gegen Überschwemmungen bei Starkregen.
Solche Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans erteilt der Magistrat – in nicht-öffentlicher Sitzung. Die Stadtverordneten haben dabei keine Mitwirkungsmöglichkeit und erfahren auch nichts davon.
Planung und deren Umsetzung in die Wirklichkeit im (kommunal-)politischen Sinne differieren stets. Wer etwas anderes erwartet, dem sind nicht so recht die Gesetzmäßigkeiten der ihren (Macht-)Willen ausübenden Exekutive (hier: Magistrat) bewusst. “Tarnen und Täuschen” gehört nun mal leider hin und wieder zum Hofheimer Verwaltungshandeln. Eine Ein-Mann-Opposition reicht da nicht, um sich diesem unseligen und folgenreichen Tun entgegenzustellen. Wann wacht Hofheim endlich (bei den nächsten Wahlen) auf?
Eine Planungsbedingung, die aus der damaligen Bürgerbefragung stammte, war der unbedingte Erhalt der bestehenden, kapitalen Bäume, mit signifikanter Baumkrone, vier oder fünf an der Zahl, an der Pfarrgasse. Drei der vier Entwürfe respektierten diese Vorgabe. Der vierte entschied, sich dem bewusst zu widersetzen. Welcher Entwurf tatsächlich umgesetzt werden sollte, wurde dann in nichtöffentlicher Sitzung im Bauausschuss entschieden. Das Ergebnis dürfen wir jetzt bestaunen. Nicht nur, dass der Bürgerwille zum Erhalt der Bäume einfach übergangen wurde, wird er heute zum zweiten Mal beschummelt, indem keine Bäume nachgepflanzt werden. Und die Olivensträucher in den Pflanzkübeln vorm Café reichen nicht einmal zum Green washing!
#Klimavorsorge