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CDU-Taubenhotel in Hofheim: 100.000 Euro für kein Konzept

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Erneut will Hofheims CDU ein Hotel bauen, einfach so, ohne groß darüber zu reden. Diesmal soll es keine gastliche Herberge für die Hofheimer und ihre Gäste werden. Die CDU will ein Taubenhotel in Hofheim-City errichten lassen – für 100.000 Euro, bezahlt mit Steuergeldern. Schon feiert sich die Partei, weil sie angeblich „für eine positive Stadtentwicklung“ sorge. Bei genauerem Hinschauen aber ist zu erkennen: Viel mehr Gedanken hat man sich nicht gemacht.

Der neueste Plan der Hofheimer CDU kam so überraschend über uns wie vor wenigen Monaten die Ankündigung, dass man eine gewaltige Maschine namens „City Tree“ auf dem Kellereiplatz installieren werde, die für saubere Luft in der Kernstadt sorgen sollte.

Die City-Tree-Idee war, wie sich herausstellte, ziemlich meschugge und wurde inzwischen getrasht. Jetzt also soll ein Taubenhotel her.

Für 100.000 Euro!

Sie meinen es wirklich ernst

Als Bürgermeister Christian Vogt – er gehört bekanntlich der CDU an – im November den Haushaltsplan 2023 vorstellte, war er offenbar ahnungslos. In seinem Entwurf für den städtischen Etat, der mehr als 600 Seiten dick ist, steht von einem Taubenhotel kein Wort drin. 

Wenige Wochen später legten die Fraktionen im Stadtparlament, wie üblich, ihre Wunschlisten vor, wofür sie im neuen Jahr städtisches Geld ausgeben wollen. Da tauchte erstmals das Wort „Taubenhotel“ auf. Damit wolle man „der weiteren Vermehrung der Tauben entgegenwirken“, heißt es im Antrag der Christdemokraten .

In Taubenhotels – etwas schlichter Taubenhäuser genannt – werden die Taubeneier eingesammelt und durch Keramikeier ersetzt. Die Tauben-Frau brütet und brütet, kriegt aber keinen Nachwuchs mehr. Eine raffinierte Methode der Geburtenkontrolle, gegen die selbst die kämpferischsten Tierschützer keine Einwände haben. Das ist allerdings nicht ganz billig: Für Anschaffung und Aufstellung sowie „für weitere diesbezügliche Maßnahmen“ sollen 100.000 Euro in den Haushaltsplan des nächsten Jahres eingestellt werden, heißt es denn auch im CDU-Antrag.

In Hofheims Stadtparlament wagte keiner, dagegen aufzumucken. Es ist ein Geben und Nehmen: Die anderen Parteien wollten schließlich auch noch etwas Geld ausgeben. SPD, Grüne und BfH beispielsweise wünschten mehr Geld für die gemeinnützige Tafel, die nachweislich Not leidet. 15.000 Euro? Kein Problem, sagten alle – bewilligt! Die Linken wünschten ein Förderprogramm: 100 Euro soll jeder Haushalt kriegen, der ein Solarmodul an seinen Balkon hängt, maximal 10.000 Euro soll die Stadt dafür investieren: Genehmigt.

Bei so viel Großzügigkeit konnte man natürlich den CDU-Wunsch schlecht ablehnen, oder? Also:

100.000 Euro für ein Taubenhotel – mehrheitlich angenommen!

Taubenhotel: viel Arbeit, Wirkung nicht bekannt

Taubenhäuser wurden bereits in etlichen größeren Städten Deutschlands errichtet. Überzeugende und vor allem nachweisbare Erfolge wurden bisher nicht gemeldet.

Die Stadt Fulda schaffte es 2018 mit einem Taubenhaus in das „Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes“, in dem alljährlich die schlimmste Fälle von Steuerverschwendung angeprangert werden. In der barocken Bischofsstadt waren die Kosten explodiert: Das in 2015 erbaute Haus (9 Meter hoch, 196 Nistplätze) sollte eigentlich „nur“ 30.000 bis 40.000 Euro kosten. Daraus wurden 70.000 Euro.

In Bietigheim-Bissingen bei Heilbronn – mit 42.000 Einwohnern etwa so groß wie Hofheim – sollte ein Taubenhaus aufgestellt werden, aber die Stadtverwaltung lehnte ab: „Die Erfahrungen anderer Kommunen, die wir abgefragt haben, zeigen leider keine positiven Wirkungen auf die Taubenpopulation. Zudem sind Taubenschläge sehr arbeitsintensiv“, teilte eine Rathaussprecherin Anfang dieses Jahres der lokalen Zeitung mit.

In Fürth (127.000 Einwohner) wollten die Grünen Tauben-Quartiere zur Geburtenkontrolle aufbauen – „ohne Erfolg“, schrieb die dortige Lokalzeitung, „denn die Verwaltung stellte den Taubenhäusern ein vernichtendes Urteil aus“.

In Lahr, einem Schwarzwald-Städtchen mit rund 43.000 Einwohnern, wollte eine „Linke Liste Lahr und Tierschutzpartei“ ein Taubenhaus errichtet sehen. Abgelehnt: 50.000 bis 60.000 Euro für den Bau, dazu  20.000 Euro für Wartung, Reinigung, Futter und Tierarzt pro Jahr – das erschien der Mehrheit zu teuer

Taubenhotel
Sie nerven mit ihrem Gegurre, und sie sch… alles voll: Tauben genießen bei vielen Mitbürgern kein besonders hohes Ansehen. „Ratten der Lüfte“ werden sie auch genannt.

An Taubenhäusern scheiden sich die Geister. Befürworter sehen in ihnen die einzig akzeptable Lösung, die Überpopulation des Federviehs auf tierschutz-freundliche Weise einzudämmen. Für Kritiker sind Taubenhäuser eine Verschwendung öffentlicher Gelder: Kosten viel, bringen wenig bis nichts.

Mit belastbaren Fakten ist in Deutschland keine der beiden Positionen untermauert. Es gebe keinerlei Belege, dass Taubenhäuser wirken, schrieb die Zeitung „Berliner Tagesspiegel“, denn kein Taubenhaus sei je wissenschaftlich evaluiert worden. So seien weder zu Beginn noch zu einem späteren Zeitpunkt die Tauben gezählt worden „Die Betreiber spielen oft nicht mit offenen Karten“, wird ein Forscher zitiert.

Hofheims Lokalpolitiker sprechen von dramatischer Plage

In Hofheim tauchte das Thema erstmals 2020 auf: Im Ortsbeirat Kernstadt mokierte sich CDU-Mitglied Dr. Frank Schmidt, dass die Zahl der Tauben „mittlerweile überhandnimmt“: Der Magistrat solle Maßnahmen ergreifen und den Ortsbeirat informieren.

Es ist davon ausgehen – Beobachter der Polit-Szene wird das nicht überraschen –, dass man im Rathaus den Beschluss der Lokalpolitiker ignorierte, wie so oft. Jedenfalls wurde der Ortsbeirat nicht über Maßnahmen informiert, es wird also vermutlich nie welche gegeben haben.

Das Thema ruhte, bis Cornelia Theisen-Niederastroth in der Zeitung las – es war im März dieses Jahres –, dass in Frankfurt-Höchst über den Einsatz von Wanderfalken gegen Tauben nachgedacht wird. So etwas wollte sie auch haben: Wanderfalken sollen die Tauben in Hofheim-Kernstadt jagen! Die FDP-Frau kopierte den Artikel und legte ihn im Ortsbeirat Kernstadt vor: „Die Taubenplage in der Innenstadt und Umgebung nimmt dramatisch zu“, begründete sie ihren Antrag.

Eine „Plage“, die „dramatisch“ zunimmt: Woher die Frau ihr Wissen hat, verriet sie nicht. Zahlen nannte sie keine. So schlicht würde nicht einmal die Bild-Zeitung argumentieren.

Schon eine Woche später schob CDU-Frau Beate Faust einen Antrag hinterher: Es gebe eine Taubenplage in der Kernstadt, behauptete auch sie. Sie wollte Schilder mit der Aufschrift „Tauben füttern verboten“ aufgestellt sehen.

Es verging ein halbes Jahr, da machte Tanja Lindenthal von den „Bürgern für Hofheim“ (BfH) „Probleme der Taubenfütterung“ aus. Sie schlug vor, einen Taubenschlag zu errichten.

Wie bitte? Nur einen Taubenschlag? Das war der Hofheimer CDU ein bisschen zu billig:

So kam’s zum 100.000-Euro-Antrag: Unter einem Hotel für Tauben tut’s die Hofheimer CDU nicht! 

Nur ein Fütterungsverbot hilft

In der Schweiz ist wissenschaftlich untersucht worden, wie man die Taubenplage in den Griff kriegen kann. Das Basler Modell: Acht Taubenschläge wurden eingerichtet – und daneben eine große Info-Kampagne gestartet. Die Zahl der Tauben ging tatsächlich deutlich zurück. In einem Bericht zur Studie heißt es:

„Der drastische Rückgang der Taubenpopulation in Basel stand in keiner Beziehung zu den Taubenschlägen. Der Rückgang ist einzig und allein auf die Reduktion der Nahrungsgrundlage im Zusammenhang mit der Aufklärung der Bevölkerung zurückzuführen.“

In dieser Erkenntnis liegt vermutlich die Wahrheit und damit auch ein Lösungsansatz. Es ist eben nicht damit getan, ein Taubenhaus zu errichten und die Eier regelmäßig auszutauschen. Als viel wichtiger gilt: Es muss ein Fütterungsverbot her, dessen Einhaltung natürlich auch kontrolliert werden muss.

Dazu wiederum wird eine Kommunikationsstrategie benötigt: Die Menschen in der Stadt müssen wissen, was sie anrichten, wenn sie Tauben füttern. Auch müssen die Mülleimer ausgetauscht werden: Denn solange die Tauben – Kritiker nennen sie die „Ratten der Lüfte“ – irgendwo ein Körnchen Fressbares finden, werden wir sie nicht los. Sie lassen sich dann auch nicht in ein Taubenhaus verbannen und sicher auch nicht in ein Taubenhotel.

Sie kommen einfach immer wieder.

Der Versuch, die Verbreitung der Tauben einzudämmen, ist derart aufwendig, dass in großstädtischen Behörden von einem „Tauben-Management“ gesprochen wird. Es kostet sehr viel Geld und sehr viel Arbeit.

Ein Verein namens Stadttaubenhilfe Koblenz/Neuwied bekam im letzten Jahr den Tierschutzpreis des Landes Rheinland-Pfalz verliehen. Bei der Preisverleihung wurde andeutungsweise erzählt, wie viel Engagement und Kraft in ein Taubenhaus investiert werden muss: Die Tiere „werden in einem Taubenschlag artgerecht gefüttert und mit frischem Trinkwasser versorgt, die Brutplätze täglich gereinigt und die Eier gegen Attrappen ausgetauscht. Kranke und verletzte Tiere werden medizinisch versorgt…“

Artgerechte Fütterung!

Tägliche Reinigung!

Medizinische Versorgung!

Wer will das in Hofheim leisten?

Hofheims CDU feiert sich für positive Stadtentwicklung

In der Kreisstadt wurde bisher noch nicht einmal ermittelt, wie viele Tauben es in der Kernstadt gibt, geschweige eine Zielvorgabe vorgestellt: Wie viele Tauben müssen denn verschwinden, damit sich die Investition in ein Taubenhotel eines Tages rechnet? Und wie viele Tauben dürften in der Kernstadt bleiben, damit nicht länger von einer Plage geredet wird?

Jede Menge weiterer Fragen sind offen: Wo soll denn so ein Hotel stehen? Was sagen die Nachbarn in den umliegenden Wohnhäusern?

Wer wird die ganze Arbeit leisten? Gibt’s ehrenamtliche Tierschützer, die das übernehmen? Oder soll etwa der städtische Bauhof ran? Oder will die Stadt ein Unternehmen beauftragen?

Es gibt in Hofheim nicht den Ansatz eines Anti-Tauben-Konzepts, aber für 100.000 Euro soll jetzt erst einmal ein Taubenhotel gebaut werden. In der CDU feiern sie sich schon für ihren tollen Scoop. Fraktionschef Alexander Kurz, der auch als „Vater“ der City-Tree-Pläne genannt wird, lobte bereits sich und die Seinen im typischen Politikersprech:

Mit den „Maßnahmen für eine saubere Innenstadt ohne Tauben“ setze man „Akzente für eine positive Stadtentwicklung“.

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Ein Kommentar

  1. DererVonZiethen

    Ich muß eigentlich bei jedem neuen HK-Newsletter laut über den „Oberkomiker“ von Hofheim lachen: Der Bürgermeister Vogt gibt sich immer wieder große Mühe, seinem Image der „echten Lachnummer“ Rechnung zu tragen…

    Ich bin nun schon weit über 40 Jahre Bürger des MTK und mindestens 3-4x die Woche in Hofheim, wobei: noch… Denn wenn die Parkgebühren so drastisch erhöht werden, nicht mehr.

    Und zum Thema, mal ganz ehrlich: Mir ist noch gar nicht aufgefallen, daß wir überhaupt Tauben in der Stadt haben!?!? Ergo kann ich auch nichts von einer Taubenplage ö.Ä. sagen, nur den Kopf schütteln.

    Ich hege somit den Verdacht, daß noch zum Jahresende Geld übrig geblieben ist, das man schnell irgendwie noch unterbringen – sprich: ausgeben muß…

    Da frage ich mit den Worten Herbert Grönemeyers: „…was soll das?!“

    18. Dezember 2022
    |Antworten

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