Ein Gewerbegebiet soll in Diedenbergen entstehen, Wohnbebauung – mit einigen Geschäften – ist auf dem heutigen Polar-Mohr-Gelände entlang der Hattersheimer Straße geplant: Jetzt meldet sich zu diesen Plänen auch Hofheims Gewerbeverein IHH zu Wort. Vorsitzender Markus Buch, der in der Kernstadt zwei große Lebensmittelgeschäfte betreibt, hat einen offenen Brief an alle Stadtverordneten geschickt. Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut.
Die wichtigsten Aussagen der IHH-Stellungnahme lassen sich in zwei Sätze zusammenfassen:
⇨ Nichts gegen das Gewerbegebiet in Diedenbergen – auch wenn der Zeitplan „sportlich“ sei und eine Verknüpfung der Realisierung mit dem Umzug von Polar Mohr “problematisch” werden könne.
⇨ Auch mit der Wohnbebauung entlang der Hattersheimer Straße sei man einverstanden – aber: Angeblich seien dort Lebensmittelgeschäft vorgesehen, und da habe man doch große Bedenken.
An diesem Dienstag, 14. März, sollen Hofheims Stadtverordnete in einer Sondersitzung des Stadtparlaments (ab 18.30 Uhr, Stadthalle) sowohl zur Wohnbebauung als auch zum Gewerbegebiet weitreichende Beschlüsse fassen, auf die Schnelle und ohne weitere Informationen – CDU-Bürgermeister Christian Vogt möchte das so. Da kommt das Schreiben des Gewerbevereins gerade noch rechtzeitig…
Die Stellungnahme des IHH im Wortlaut
Wir begrüßen die Versuche, für das Werk Polar Mohr in Hofheim ein neues Werksgelände zu erschließen und entsprechende Gewerbeflächen dafür auszuweisen. Auch sehen wir in der geplanten Bebauung mit Wohnungen an der Hattersheimer Straße eine sinnvolle Möglichkeit, verkehrlich sehr gut erschlossenen Wohnraum zu schaffen. Die zusätzlichen Einwohner in der Kernstadt von Hofheim sichern die Auftragslage von Handwerk und Handel nachhaltig.
Der Käufer vom Gelände Mohr, Horn Immobilien, hat in der Vergangenheit solche Quartiere bereits entwickelt (Ölmühle in Hattersheim oder Hafeninsel Mitte Offenbach).
Für die Maschinenfabrik Mohr soll eine Fläche in Diedenbergen, direkt an der dortigen Autobahnausfahrt, neu ausgewiesen werden. Mit Teilen des Kaufpreises für das alte Gelände soll vermutlich der Neubau in Diedenbergen mitfinanziert werden. Der Bodenrichtwert für die Hattersheimer Straße ist mit 280 Euro ausgewiesen. Mit einer Wohnbebauung dürfte dieser Wert sicherlich mal 2 gerechnet werden. Die bisherige landwirtschaftliche Fläche in Diedenbergen ist im Kataster mit 5 Euro veranschlagt. Auch dort dürfte nach Realisierung des Vorhabens die Wertsteigerung beachtlich auf 200 bis 300 Euro steigen.
Ein Anwalt stellt viele Fragen
Der Hofheimer Anwalt Axel Pabst hat ebenfalls einen offenen Brief an alle Stadtverordneten geschickt: Er weist darin auf die vielen Fragen hin, die vor einer Entscheidung geklärt werden sollten. Das Schreiben dokumentieren wir hier.
Neben Polar Mohr sollen dort auch weitere großflächige Gewerbeansiedlungen erfolgen. Neben Logistik auch ein Möbelmarkt mit 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche (plus die notwendigen Parkplätze) und Flächen für die Hofheimer Firma KlarPac.
Das neue Gewerbegebiet in Diedenbergen soll durch Aufgabe anderer bereits angemeldeter Gewerbeflächen planungsrechtlich genehmigungsfähig werden. Also kurzum, es werden Flächen getauscht und dort zusammenhängend entwickelt.
Die Stadt Hofheim und alle anderen Kommunen in Südhessen haben nur ein bestimmtes Kontingent von Gewerbeflächen zur Verfügung, und diese Flächen sind jetzt schon umkämpft. Ein knappes und wertvolles Gut, das zur sinnvollen Entwicklung der Hofheimer Betriebe eingesetzt werden sollte. Die Nähe zum Wiesbadener Kreuz und zur Autobahn sind für Logistikflächen und den Möbel Einzelhandel wie geschaffen. Der Flächenverbrauch jedoch enorm und etwa die Hälfte des Gewerbegebietes geht für Möbel & Logistik dann schon drauf. Zukünftiger Platz für Hofheimer Betriebe ist dann schon verbaut und nicht mehr realisierbar. Auch stehen Logistikflächen nicht besonders hoch im Kurs.
Wir würden es begrüßen, dass neben dem Gelände in Diedenbergen auch alternative Gewerbeflächen in Hofheim zur Umsiedlung von Polar Mohr und anderen Hofheimer Betrieben untersucht und zur Aufstellung eines Bebauungsplans berücksichtigt werden. Wir versprechen uns mit diesem Vorschlag eine Verringerung von Abhängigkeiten von Dritten.
Auch ist die zeitliche Verknüpfung mit dem Abriss vom alten Polar Mohr Gelände als sportlich zu bezeichnen. In 5 Jahren soll das Gelände an der Hattersheimer Straße geräumt werden und in Diedenbergen die planungsrechtlichen Hürden plus Errichtung eines neuen Werkes vollzogen sein.
Großflächiger Möbeleinzelhandel wurde in den letzten Jahren schon mehrfach versucht in Südhessen anzusiedeln. Zum Projekt in Diedenbergen sind bisher diese Fakten bekannt. Etwa 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche (Ikea Wallau hat 34.000 Quadratmeter, Möbel Lutz XXL in Eschborn hat 40.000 Quadratmeter) jeweils zuzüglich der notwendigen Parkplätze 750 Stück.
Da solche Betriebe Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden haben, werden solche Projekte genau geprüft und das Genehmigungsverfahren zieht sich hin. Das letzte große Vorhaben war die Ansiedlung von Segmüller in Bad Vilbel und dieses wurde letztendlich nach Jahren der Abstimmung, Gutachten und Analysen nicht genehmigt. Eine Verknüpfung der Genehmigung Möbeleinzelhandel mit der zeitlichen Realisierung von Polar Mohr ist daher problematisch.
Hier sehen wir politische Unwägbarkeiten in der notwendigen Zustimmung durch spätere Gremien wie dem Regionalverband Rhein Main und der Regionalversammlung Südhessen. Mit einer parallelen Planung von Gewerbeflächen zur Umsiedlung von Polar Mohr könnte dieses Risiko minimiert und die Verhandlungsposition von Hofheim verbessert werden.
In der bisherigen Beschlussvorlage und Beschlussverkettung soll auf dem Gelände von Polar Mohr dann Wohnungsbebauung und im östlichen Teil, an der Gemarkungsgrenze, Lebensmitteleinzelhandel vorgesehen werden. Auch hier haben wir Bedenken bereits geäußert und möchten diese hier erneut darlegen. Durch die eigenmächtige Genehmigung von Lebensmittelbetrieben in Kriftel ist die dortige Einzelhandelszentralität bereits höher als die von Hofheim.
Unsere Zentralität inklusive Ikea und Globus Baumarkt beträgt 128 Prozent, die von Kriftel liegt bei 141 Prozent. Ein Wert von 100 Prozent würde die Deckung aller Güter in der eigenen Stadt bedeuten. 128 Prozent für Hofheim ist ein sehr guter Wert und spiegelt die Funktion eines Mittelzentrums wider. Kriftel hat mit 141 Prozent schon eine deutliche Überversorgung und sollte als Nebenzentrum eigentlich unter 100 Prozent liegen.
Würde dort zusätzliche Einzelhandel realisiert werden, steigt dieses Missverhältnis von Hofheim zu Kriftel noch weiter und führt zu Frequenzverlusten von Hofheim.
Wir bitten Sie daher, weitere Ansiedlungen von großflächigem Handel mit Lebensmitteln, Drogerieware, also Güter des kurzfristigen täglichen Gebrauchs, nur sehr zentrumsnah und damit frequenzsteigernd in der Stadtmitte vorzusehen.
Markus Buch – Vorsitzender –
Die vom IIHH geschilderte Situation in Hofheim/Kriftel ist dienlich. Aber entscheidend ist auch, was darf denn Horn bauen und wie nutzen? Die Stadt Hofheim muss selbstverständlich ihre Interessen im Rahmen eines Entwicklungsplans und des City-Marketings wahrnehmen. So war das ja schon bei der Entstehung des Chinon Centers.
Wenn ich persönlich auch Schwierigkeiten habe, dass auf dem ehemaligen Mohr-Gelände Wohnungen entstehen (zwischen Bahn und Straße) und von einem neuen Urbanen Gebiet gesprochen wird, dann verstehe ich natürlich auch, dass dort Einzelhandel wie auch immer gestaltet sein könnte. Aber es ist halt eine Frage des Konzepts und wie die Stadt ihren City-Bereich zukünftig bewertet und sieht?
Ich gewinne den Eindruck, dass es der Stadt Hofheim vor allem darum geht, mehr Gewerbesteuer zu generieren, obwohl ansonsten fraglich ist, was die Bevölkerung in Diedenbergen vom dortigen Gewerbegebiet bzw. die von Hofheim von „Geschäften“ in der Hattersheimer Straße hätte.
In Diedenbergen befürchte ich verschwenderische Flächenversiegelung auf Naturböden durch ein völlig unsinniges Möbelhaus und dessen Parkflächen wenige Meter von Ikea, einem sicher deutlich attraktiveren Möbelhaus. Das Gebiet wird noch mehr LKWs und PKWs in die Gegend ziehen. Kein Wort über den eventuellen Bedarf an Gewerbeflächen für deutlich zukunftsträchtigere Branchen, den es eventuell geben könnte.
Geht es denn gar nicht darum, was jenseits von Gewerbesteuer für die Hofheimer Bürger wichtig wäre? Auch bezüglich der Wohnbebauung: wer garantiert, dass hier nicht wieder vor allem teure Wohnungen entstehen? Was ist mit Kita- und Hortplätzen, die fehlen ja schon jetzt! Wer fragt mal nach NACHHALTIGEM und ENERGIESPARSAMEM Wohnungsbau?
Insgesamt völlig einfallslose, „retro“ wirkende Pläne, die rein reaktiv sind. Das soll planvolle Kommunal- und Regionalpolitik sein?