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Lorsbach atmet auf: Gericht verbietet einjährige Vollsperrung der L 3011

Gepostet in Allgemein

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Endlich mal eine gute Nachricht für Lorsbach: Die einjährige Vollsperrung der L 3011 ist endgültig vom Tisch! Das hat soeben, kurz vor dem geplanten Beginn der Bauarbeiten, ein Gericht entschieden. Freie Fahrt zwischen dem kleinen Hofheimer Ortsteil und der Kernstadt wird’s trotzdem nicht geben: Die Stützmauer zum Mühlgraben neben der Fahrbahn muss dringend saniert werden, und dafür ist es unumgänglich, die Straße in einem ersten Bauabschnitt komplett zu sperren – jetzt „nur noch“ für vier Monate. Anschließend folgt eine zweite Baustelle: Nach dem Urteil soll die Strecke dann einspurig befahrbar sein. Das wird weitere acht Monate dauern – mindestens. Es gibt Hinweise, dass es länger dauern könnte. 

Wenigstens das Schreckgespenst einer einjährigen Vollsperrung ist gebannt! Für die Wende haben drei Richter am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel gesorgt – und natürlich das Aktionsbündnis L 3011, das erst den Protest im Dorf schürte, dann die „große“ Lokalpolitik in Hofheim wachrüttelte und schließlich mit drei Klägern (Apotheke, Blumenladen, Dachdeckerei) und dank etlicher Spenden sowie kompetenter Unterstützung eines örtlichen Jura-Professors nach Kassel zog. 

An diesem Freitag wurde im Hofheimer Rathaus bei einer Pressekonferenz über das Urteil des 2. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs informiert. Aktenzeichen: 2 B 339/23.T – es herrschte Feierlaune:

„Ein schönes Ostergeschenk“, freute sich Bürgermeister Christian Vogt. „Ein richtungsweisender Beschluss“, befand Andreas Nickel, der mit Barbara Grassel und Matthias Kress vom Aktionsbündnis angereist war. Gemeinsam versicherte man nimmermüde, man strebe nunmehr „eine konstruktive Zusammenarbeit mit Hessen Mobil“ an. 

Lorsbach
Bei der Pressekonferenz im Rathaus (v.l.) Stadtrat Wolfgang Exner, die Aktionsbündnis-Akteure Matthias Kress, Andreas Nickel, Prof. Christoph Broich und Barbara Grassel, Bürgermeister Christian Vogt und Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler.

Christoph Broich, Jura-Professor aus Lorsbach, fasste den Richterspruch in verständliche Worte. Der in einem Eilverfahren erwirkte Beschluss sehe jetzt zwei Bau-Phasen vor:

Zuerst werde die Straße aus Richtung Ortskern bis zur Scheune des Reiterhofes gesperrt. Die Arbeiten würden vier Monate dauern. Die örtlichen Gegebenheiten ließen keine Alternative zu: Die Straße müsse für diese Zeit voll gesperrt werden.

Dann werde es – das ist neu – einen zweiten Bauabschnitt zur Sanierung der restlichen Stützmauer geben: Für diese Zeit müsse die Landesbehörde „Hessen Mobil“ neben der Baustelle eine Behelfsstraße anlegen. Der Verkehr könne dann, von Ampeln geregelt, zumindest einspurig fließen. Das werde noch einmal acht Monate dauern.

Prof. Broich: „Hessen Mobil hatte eine einjährige Vollsperrung geplant, ohne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.“ Die Richter hätten deutlich gemacht, dass stets das mildeste Mittel zur Erreichung eines angestrebten Ziels zu wählen sei, wobei auch die Interessen der Kläger zu beachten seien.

Lorsbach: Hessen Mobil muss „ernsthaft“ verhandeln

In der juristischen Fachsprache klingt das Urteil naturgemäß etwas komplizierter: Hessen Mobil müsse „über die Frage der bauzeitigen Verkehrsführung in dem genannten Streckenabschnitt der L 3011, für den eine Umfahrung auf Grundstücken des Reiterhofes und des Klärwerkbetreibers als Alternative in Betracht kommt, in einem ergänzenden Verfahren erneut entscheiden und dabei diese alternative Verkehrsführung ernsthaft in Erwägung ziehen“, heißt es in einer Mitteilung des Gericht.

Gleichzeitig wird die Landesbehörde in dem Urteil deutlich gerüffelt: „Ein ernsthaftes Bemühen von Hessen Mobil um eine Einigung mit dem Inhaber des Reiterhofs sei nicht zu erkennen“ gewesen, sagte ein VGH-Richter.

Im Klartext bedeutet das Urteil: Eine Behelfsstraße muss über das Gelände des Klärwerks führen („bautechnisch unbedenklich“, so Stadtrat Wolfgang Exner), sodann über ein Grundstück des Reiterhofs Georg. Genau da lag bislang der Knackpunkt

Der Reiterhof hatte anfangs eine Zusammenarbeit mit Hessen Mobil abgelehnt. Erst wesentlich später konnte die Stadtverwaltung nach langen und zähen Verhandlungen eine Einigung mit ihm erzielen. Die allerdings wollte Hessen Mobil nicht mehr akzeptieren: Zu spät, hieß es, die Baustelle könne nicht mehr umgeplant werden.

Nach dem Urteil muss die Landesbehörde jetzt erneut mit Georg verhandeln. Das Gericht hat den Auftrag klar vorgegeben: Hessen Mobil müsse ein „ernsthaftes Bemühen“ um eine Einigung zeigen.

In der Landesbehörde musste man an diesem Freitag in Anbetracht des eindeutigen Auftrags wohl noch Wunden lecken. Auf eine Anfrage wurde nur wortkarg reagiert: „Die Auswirkungen der Entscheidung auf das weitere Vorgehen der Verwaltung werden derzeit geprüft“, hieß es lediglich.

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Seit Monaten „schmücken“ Protest-Plakate die Hauptstrasse von Lorsbach.

Tatsächlich gibt es noch jede Menge offener Fragen zu klären:

Die Bauarbeiten sollten ursprünglich im März beginnen, dann wurde der Start auf Mai verschoben. Bleibt’s dabei?

Bevor die Bauarbeiten starten können, muss erst noch der Heinrichsweg „ertüchtigt“ werden. Das ist die kürzeste Verbindung zwischen Hofheim und Lorsbach quer durch den Stadtwald, Rettungsfahrzeuge sollen den Weg während der Bauarbeiten in Notfällen nutzen können. Dafür wurden bekanntlich jede Menge Bäume gefällt, demnächst soll noch der Weg entsprechend hergerichtet werden.

Und schließlich wird man abwarten müssen, in welchem Tempo Hessen Mobil die Arbeiten eines Tages durchführen wird: Laut Ausschreibung soll an sechs Tagen in der Woche gearbeitet werden, es wurde zudem eine Beschleunigungsprämie ausgelobt. Sollten die Firmen nicht zügig arbeiten, droht ihnen eine Vertragsstrafe.

Die Mitglieder des Aktionsbündnisses zeigten sich angetan: Geht doch!

Eine Baustelle mit „nur“ vier Monaten Vollsperrung plus acht Monaten einspuriger Umfahrung: Damit, beteuerten sie, könnten sie in Lorsbach gut leben.

Andererseits: Bisher hatte Hessen Mobil eine einspurige Umfahrung auch mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Arbeiten nicht nur erheblich teurer würden, sondern auch deutlich länger dauerten. Statt acht Monate würde die zweite Bauphase zwölf Monate dauern.

Das wäre keine so gute Nachricht für Lorsbach. Aber heute will man sich erst einmal freuen.

* * *

Nur eine Petitesse, aber nicht uninteressant: Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler hatte, um die einjährige Vollsperrung abzuwenden, den Petitionsausschuss des Hessischen Landtags eingeschaltet. Heute teilte er mit, eine Antwort sei ihm soeben zugestellt worden: Petition abgelehnt.

Da kann man ruhig mal genauer hinschauen: Dem Petitionsausschuss gehören fünf CDU-Mitglieder und vier Grüne an – die beiden Parteien bilden in Hessen die Landesregierung. Außerdem sitzen vier Abgeordnete von der SPD, zwei von der AfD und je ein Mitglied der Linken und der FDP in dem Gremium.

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10 Kommentare

  1. Moritz

    Tja, hätte der Reiterhof sich gleich zu Beginn nicht so stur verweigert, wäre die ganze Posse schon lange erledigt gewesen…aber das will ja kaum jemand wahr haben im Dorf.
    Im Ergebnis haben dann viele sich lieber dem Furor Teutonicus hingegeben.

    31. März 2023
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    • Einer

      na ja,

      dem Eigentümer des Mühlbaches ist die ganze Sache scheinbar egal und der Pferdehof Besitzer soll ‚bluten’….

      das kann doch nicht sein.

      31. März 2023
      |Antworten
      • Moritz

        Man hat ihm ja angemessene Angebote unterbreitet die er dann ja auch Monate später angenommen hat. Leider viel zu spät wenn die Planung da schon zu weit fortgeschritten war.
        Man macht es sich da zu einfach den schwarzen Peter ausschließlich beim Land zu suchen.

        1. April 2023
        |Antworten
      • Bernd Hausmann

        Diesen Post verstehe ich nicht:

        Das Wasser des Mühlgrabens wird – unstreitig – weiterhin gebraucht. Nicht, um das schon lange stillgelegte (aber immer noch betriebsfähige!) historische Mühlrad anzutreiben, sondern um ein Biotop zu bewässern.

        In diesem offenen Betriebswasserkanal gibt es – wie ein faunistisches und floristisches Gutachten ermittelt hat – keinerlei schützenswerte Tiere und Pflanzen. Er steht auch fischökologisch in keiner Verbindung zum Schwarzbach: Das Wasser, das im Einlauf in diesen Kanal fließt, fließt zunächst durch das Fischgitter am Einlauf einer Turbine, und am Auslauf des Kanals stürtzt es in einem rd. 3 m tiefen Wasserfall neben dem stillgelegten oberschlächtigen Wasserrad in die Tiefe. Beides für Fische unüberwindbare Hindernisse.

        Die schnellste und bei weitem kostengünstigste Lösung des Problems des maroden Stutzmäuerchens wäre, den Mühlkanal , der ja im Oberlauf verrohrt ist, auf weitere 300 m zu verrohren und den Graben einfach zu verfüllen. Dies wurde jedoch von der unteren Wasserbehörde des Main-Taunus-Kreises mit dem Argument des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbotes abgelehnt. Doch dieses Verschlechterungsverbot wäre nur dann einschlägig, wenn sich durch eine solche Verrohrung die Qualität des gesamten Oberwasserkörpers des Schwarzbachs, von der Quelle bis zur Mündung, verschlechtern würde. Das ist ganz sicher nicht der Fall.

        Doch statt diese grottenfalsche rechtliche Begründung der ablehnenden Stellungnahme dieser Kreis-Behörde zu hinterfragen, plant die Landesbehörde Hessen Mobil nunmehr eine gigantische Baumaßnahme: Dieses 80 cm hohe und 300 m langes Stützmäuerchen an diesem knöcheltiefen Mühlkanal soll mit ungeheurem Aufwand erneuert werden: 80 (in Worten: achtzig) 12 m tiefe Betonpfähle mit 1,20 m (!) Durchmesser sollen dafür erstellt werden.

        Dem Eigentümer des Mühlkanals und Inhaber der Wasserrechte kann es natürlich egal sein, wie der Träger der Baulast für diese Stützmauer, das Land Hessen, diese Stützmauer saniert. Als Steuerzahler sollten wir uns allerdings dafür interessieren.
        Nur: Wasser muss auch weiterhin durch diesen Kanal in das Biotop fließen. Einfach zuschütten: Das geht aus ökologischen Gründen nicht.

        1. April 2023
        |Antworten
    • Karin Lübbers

      Hätte, hätte, Fahrradkette….das ging aber schnell, mit dem Blame-Game. Als Reiterhofbetreiber wäre ich auch erst einmal nicht so begeistert gewesen. Denn man lebt von seinem Land. Und so, wie man Hessen Mobil erlebt hat, sind die wahrscheinlich auch mit dem Reiterhof umgegangen. Und weshalb kam die Stadt mit dem Reiterhof weiter? Vielleicht, weil man vernünftig miteinander geredet hat und Lösungen gesucht hat? Hessen Mobil sucht keine Lösungen, haben wir doch gesehen. Das ganze Gedöns mit Gerichtsverfahren etc. hätte man sich doch sparen können. Und das geht auf das Konto von HM und dem zuständigen Minister in Wiesbaden, nicht dem Reiterhof.

      1. April 2023
      |Antworten
      • Moritz

        Ach gottchen… da sind aber auch eine ganze Menge Mutmaßungen dabei… nun gut…
        Man macht es sich halt gerne einfach und hat man einmal einen Schuldigen gefunden, sind alle anderen die zartesten Lämmer.

        1. April 2023
        |Antworten
    • Jasmin

      Hätte sich Hessenmobil direkt um die Ausgleichsfläche bemüht, die der Reiterhof benötigt, um sein Gewerbe weiter halten zu können, wäre die Zusage auch viel früher gekommen.

      2. April 2023
      |Antworten
  2. Bernd Hausmann

    Schlag ins Kontor

    Am gleichen Tag, an dem die schwarz-grüne Landtagsmehrheit die Petition des Hofheimer Stadtverordnetenvorstehers zurückgewiesen hat, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Klagen Lorsbacher Bürger Recht gegeben: Die sofortige Vollziehbarkeit der von Verkehrsminister Al-Wazir erteilten Plangenehmigung wurde zum größten Teil aufgehoben. Die Plangenehmigung des grünen Ministers habe – so das Gericht – schwere Rechtsmängel, weil diese Plangenehmigung nichts darüber ausgesagt hat, wie der Umleitungsverkehr bei den Baumaßnahmen an der Landesstraße geregelt werden soll. Eine deutliche Klatsche für den Minister.

    Doch der eigentliche Skandal ist ein ganz anderer: Die Lorsbacher wünschen sich seit Jahrzehnten einen Radweg in die 4 km entfernte Kernstadt. Und seit Jahrzehnten planen die Landesbehörden daran. Nunmehr ist Hessen Mobil zu Potte gekommen: Die Lorsbacher bekommen zwar keinen Radweg, aber einen Straßenausbau: Die L3011 soll verbreitert und eine Kurve entschärft werden. Direkt vor dem gelben Ortseingangsschild. Auf dass die Autos noch schneller in den engen Ortskern einfahren können. Das will keiner. Außer dem Verkehrsminister und seiner nachgeordnete Behörde. Der ersehnte Radweg kann warten. Dass die Autos scneller fahren können, das hat Priorität. Auch unter einem grünen Minister.

    1. April 2023
    |Antworten
  3. Barbara Grassel

    Moritz,
    ich weiß nicht, wie Sie zu Ihren Einschätzungen kamen und was Sie mit dem Hinweis auf den furor teutonicus meinen, aber aus Sicht des Aktionsbündnisses kann ich sagen: Die Sturheit des Reiterhofes war nicht das Problem, sondern die Weigerung von Hessen Mobil und des Hessischen Verkehrsministers, sich Gedanken über eine Minimierung der Beeinträchtigungen für die Lorsbacher Bevölkerung und die im dahinterliegenden Schwarzbachtal zu machen!

    und Einer,
    dass der Mühlkanal nicht verrohrt werden soll, lag nicht an dessen Eigentümer, sondern an den Umwelt- und Naturschutzbehörden auch des Main-Taunus-Kreises.

    1. April 2023
    |Antworten
    • Einer

      Frau Grassel,

      Sie haben natürlich völlig recht.

      1. April 2023
      |Antworten

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