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CDU-Bürgermeister will Stadtwald in ein Unternehmen stecken

Gepostet in Allgemein

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Eine Waldkommission wurde vor vielen Monaten angekündigt, sie sollte sich um Hofheims Stadtwald kümmern: Es gibt sie bis heute nicht. Ein Forsteinrichtungswerk sollte Anfang 2022 vorliegen, es handelt sich um eine Art Zehn-Jahres-Plan für den Stadtwald: Er ist seit mehr als einem Jahr überfällig. Jetzt wird erkennbar, warum solche Projekte in Hofheims Stadtverwaltung nicht vorankommen: CDU-Bürgermeister Christian Vogt verfolgt ganz andere Pläne. Er will den Stadtwald in ein Unternehmen stecken. Die politische Absicht dahinter ist durchschaubar, die Folgen für den Stadtwald sind nicht absehbar.

Es war am Mittwoch vergangener Woche, es ging auf 22 Uhr zu: Die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses neigte sich dem Ende zu, als Vorsitzender Armin Thaler den letzten Punkt der Tagesordnung aufrief: Mitteilungen des Magistrats. CDU-Bürgermeister Christian Vogt bekam das Wort, und der sagte folgende Sätze, hier wortwörtlich wiedergegeben:

„Waldkommission – da sind wir soweit fertig, dass wir die Waldkommission bald mit einer Magistratsvorlage auf den Weg schicken zu den Stadtverordneten. Das hat sich dahingehend ein bisschen länger Zeit gelassen, weil wir innerhalb der Verwaltung – und das ist noch nicht abgeschlossen – eine Organisationsprüfung haben machen lassen, ob der Wald ein Eigenbetrieb werden kann oder werden soll.“

Die Worte kamen ganz harmlos rüber, verbreiteten gleichwohl bei einigen Mandatsträgern Entsetzen wie ein Sprengsatz, der gleich gezündet wird. Denn in Kurzform übersetzt sagte Vogt: Künftig soll sich nicht mehr das Parlament um den Stadtwald kümmern, sondern ein städtisches Unternehmen.

Da wird’s hochexplosiv: Denn wenn künftig der Stadtwald über einen Eigenbetrieb gemanagt wird, sind die Stadtverordneten weitgehend draußen. Das Stadtparlament, das verantwortlich für die Geschicke dieser Stadt zeichnet, wird dann bei diesem wichtigen Thema nur noch bedingt mitreden können:

In einem Eigenbetrieb würden alle Vorgänge rund um den Stadtwald als Betriebsangelegenheit behandelt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Bürger sind informell ausgeschaltet, komplett.

Der Stadtwald dient dann nur noch bedingt dem Allgemeinwohl. Er wird Überschüsse erzielen müssen. Es steht zu erwarten, dass die Holzproduktion angekurbelt wird, also mehr Bäume gefällt werden.

Und: Die Jäger, denen heute vielfach eine Mitschuld zugeschrieben wird für das unübersehbare Leiden des Stadtwaldes, werden viel freier und ungehinderter agieren können. Keine nervigen Diskussionen mehr in aller Öffentlichkeit, ob zu viel Wild nicht zu viele Bäume zerstört. Keine ätzenden Vorwürfe, weil die Einnahmen aus der Verpachtung des städtischen Waldes nicht der Stadtkasse zugute kommen, sondern von den Jagdgesellschaften vereinnahmt werden.

So wird deutlich, was wirklich hinter Vogts Plan steckt: Es geht ihm nicht um Hilfe für den Not leidenden Wald. In einem städtischen Eigenbetrieb können alle kritischen Themen intern abgehandelt werden. Das Stadtparlament ist weitgehend ausgeschaltet. Die Öffentlichkeit sowieso.

Stadtwald
Hofheims Stadtwald ist in Gefahr! Zuletzt wurden jede Menge auch gesunder Bäume gefällt, weil demnächst Rettungsfahrzeuge über den Heinrichsweg nach Lorsbach fahren sollen.

Stadtwald-Firma: Plötzlich soll’s ganz fix gehen

Die Idee, für den Stadtwald einen Eigenbetrieb zu gründen, passt ins Konzept der Vogtschen Politik, diskutable Vorgänge aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Dafür werden immer mehr „Arbeitskreise“ gegründet – früher sagte man dazu Hinterzimmerpolitik: Projekte wie die Radfahrerbrücke zwischen Kernstadt und Marxheim, große Bauvorhaben wie an der Hattersheimer Straße und selbst eine Stellplatzsatzung werden nur noch in kleinen Runden ausgehandelt: Interessierte Bürger werden gezielt ausgeschlossen. Sie dürfen gerade noch erfahren, was Lokalpolitiker unter sich beschlossen haben. 

Als Begründung wird gerne genannt, so ließen sich komplexe und strittige Themen besser ausdiskutieren. Zur Wahrheit gehört aber auch: In abgeschlossenen „Arbeitskreisen“ lässt sich das häufige Versagen der Hofheimer Stadtverwaltung besser verschleiern. Immer wieder muss Vogt heute miterleben, wie Fehler in seinem Rathaus sein Image als Macher ramponieren. So wie letztens:

Das Forsteinrichtungswerk, eine Art zehnjähriger Betriebsplan für den Stadtwald, ist seit mehr als einem Jahr überfällig. In einem kleinen „Arbeitskreis“ (hier etwas edler „Kolloquium“ genannt) war darüber gesprochen worden. Doch als das Werk vergangene Woche endlich zur Abstimmung vorgelegt wurde, staunten selbst die Stadtverordneten, die dem Kolloquium angehört hatten: Im vorgelegten Papier hatte die Verwaltung klammheimlich den Satz eingefügt, dass der Wald künftig Überschüsse erzielen soll.

Engagierte Stadtverordnete der Grünen, der Bürger für Hofheim und der Linken entdeckten die entsprechende Passage in den Unterlagen. Protest regte sich, der Hofheim/Kriftel-Newsletter machte das Thema öffentlich (hier) – daraufhin wurde das Thema im Ausschuss nur kurz angesprochen. Und dann schleunigst wieder vertagt

Ähnlich das Schicksal der „Waldkommission“: Die Geschicke des Stadtwaldes sollten in fachkundige Hände gelegt werden. Anfang 2022 hatte der Magistrat das angekündigt – jetzt haben wir März 2023: Die Waldkommission gibt’s immer noch nicht. Das Thema wurde von der BfH-Stadtverordneten Tanja Lindenthal letztens im Ausschuss erneut angemahnt. Vergebens…

Wenig später, die Sitzung neigte sich dem Ende zu, wurde klar, dass Hofheims Bürgermeister einen ganz anderen Plan verfolgt. Und wieder soll’s wohl ganz fix gehen – O-Ton Vogt:

Mit der Entscheidung, ob die Waldbewirtschaftung ein Eigenbetrieb oder Teil der Verwaltung werden soll, beschäftigen wir uns, ich hoffe, noch vor der Sommerpause.“

Er hat’s mal wieder sehr eilig, und das ist kein gutes Zeichen. Nicht nur die Stadtverordneten, auch alle am Wohl des Stadtwaldes interessierten Bürger sollten jetzt ganz wachsam sein!

PS:

An diesem Mittwoch, 29. März, tagt die Stadtverordnetenversammlung (ab 18 Uhr, Stadthalle). Eigentlich sollte das Forsteinrichtungswerk 2022-2031 beschlossen werden. Weil aber der Ausschuss keine Entscheidung getroffen hatte, wird das Thema sicher auch vom Stadtparlament vertagt.

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3 Kommentare

  1. Anita Vogt für den BUND Ortsverband Hofheim a. Ts.

    „Wir sind auf direktem Weg zu einem unbewohnbaren Planeten“. Dieser Satz stammt nicht von einem Spinner, sondern vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres. So fasste er dieses Jahr die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Welträte für Klima und für Biodiversität, IPCC und IPBES, in einem einzigen Satz zusammen.
    Um dem hohen Artensterben etwas entgegenzusetzen, fordert die Biodiversitätsstrategie der EU 10 Prozent der Landesfläche aller EU-Staaten aus der Nutzung zu nehmen. Weitere 30 Prozent sollen nur noch eingeschränkt genutzt werden. Ganz konkret wird der Schutz der old-growth forests, also alter und naturnaher Wälder gefordert.
    Damit steht der Forst- und Holzwirtschaft ein fundamentaler Wandel bevor. Die konventionelle Holz- und Forstwirtschaft hat aber andere Vorstellungen als die EU. Das erzeugt harte Widerstände. Statt neue Standards für eine sanftere Waldbewirtschaftung oder mehr Schutzflächen zu etablieren, will die Branche den Wald insgesamt stärker nutzen und noch mehr Holz ernten. So sollen jüngere Wälder mit weniger Holzvorrat entstehen. Auf den freiwerdenden Flächen sollen dann mehr nichtheimische Wirtschaftsbaumarten eingebracht werden.
    In dieser Konfliktsituation wird die Idee des natürlichen Klimaschutzes besonders mit alten und naturnahen Wäldern zur Systemfrage. Diese Systemfrage spiegelt sich auch im neuen, noch nicht beschlossenen Forsteinrichtungswerk in Hofheim wider. Die Frage ist: Wie wollen wir Hofheimer unseren Wald zukunftsfähig gestalten?
    Der vom Hofheimer Bürgermeister Vogt angedachte Eigenbetrieb ist eine eigenständige Betriebsform. Dies bedeutet, dass kaum noch öffentliche Diskussionen stattfinden, weil die Kommissionsmitglieder nicht öffentlich tagen und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Über die Ziele und Art der Waldbewirtschaftung wird dann in der Betriebskommission hinter verschlossenen Türen entschieden. Betriebswirtschaftlich werden die Leistungen des Waldes Kohlenstoffspeicher und Senke, Grundwasserbildung, Hochwasserschutz, Biodiversität, Kühlung, Sauerstoffproduktion, Erholung usw. nicht abgebildet. Bleibt also für den Erfolg des Betriebs lediglich die Holznutzung.
    Dem Waldzustandsbericht ist zu entnehmen, dass schon heute nur noch jeder 5. Baum gesund ist. Eine gewinnorientierte Beförsterung wird dem Klimawandel nichts entgegensetzen können, sondern nur zu einer weiteren Verschlechterung der Wälder führen.
    In Zeiten des Klimawandels den Wald durch die Überführung in einen Eigenbetrieb zukünftig aus der gesellschaftlichen Diskussion zu nehmen, ist der falsche Weg.
    Wir appellieren an die zuständigen Politiker und Politikerinnen, dem Eigenbetrieb nicht zuzustimmen.

    30. März 2023
    |Antworten
    • db

      Eine bestürzende Entwicklung eines sehr wichtigen Themas, danke für die Infos!

      25. April 2023
      |Antworten
    • Edith Kirchner

      Ich kann mich der Meinung von Anita Vogt voll und ganz anschließen. Als Nutzerin und Liebhaberin des Hofheimer Waldes seit über 40 Jahren und als sehr umweltbewussster Mensch emfände ich es als eine Katastrophe, wenn der Wald nur noch nach wirtschaftlichen Interessen betrachtet und genutzt werden sollte.

      29. April 2023
      |Antworten

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