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Oberstes Gericht hat entschieden – Vorderheide II ist gerettet!

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Das geplante Luxusbaugebiet Vorderheide II auf dem Hofheimer Kapellenberg ist Geschichte! Bereits vor einem Jahr hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel den Bebauungsplan für ungültig erklärt. Die Stadt wollte dieses Urteil nicht akzeptieren, blitzte aber jetzt vorm Bundesverwaltungsgericht ab. Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft: Vorderheide II ist gerettet! Beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (kurz BUND) herrscht Freudenstimmung, Katzenjammer dagegen im Hofheimer Rathaus. Immerhin: Nach mehr als elf Jahren Prozessierei will man sich demnächst zusammensetzen.

4 BN 18.22 – diese Buchstaben-Zahlen-Kombination signalisiert die Rettung von Vorderheide II. Und sie markiert zugleich eine äußerst schmerzhafte, weil ungemein teure Niederlage der Stadt Hofheim:

Unter dem Aktenzeichen 4 BN 18.22 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen Antrag der Stadt Hofheim auf Zulassung einer Revision abgelehnt. Das klingt arg juristisch und damit kompliziert, hat aber ebenso klare wie weitreichende Folgen: Vorderheide II darf leben! Elf Hektar Streuobstwiesen auf dem Kapellenberg, die zu den größten und wertvollsten im Main-Taunus-Kreis zählen, bleiben erhalten. 200 Tierarten leben hier, darunter der Gartenrotschwanz, der Steinkauz, der Grünspecht oder der Kleinspecht sowie verschiedene Fledermausarten: Alle gerettet! 

Ein Bebauungsplan, der ein Villengebiet inmitten des faktischen Vogelschutzgebietes möglich gemacht hätte, kann geschreddert werden: In Vorderheide II darf definitiv nicht gebaut werden! Das steht jetzt fest, unumstößlich!

Vorderheide II ist auch Niederlage des Bürgermeisters

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte ein entsprechendes Urteil bereits Ende 2021 gefällt. Zentraler Satz darin: „Der Bebauungsplan Nr.134 VorderheideII der Stadt Hofheim am Taunus  (…) wird für unwirksam erklärt.“ Revision wurde nicht zugelassen, und eben diese Entscheidung wollte die Stadt vorm höchsten deutschen Verwaltungsgericht anfechten. Jetzt hat sie auch diese juristische Schlacht verloren. Es war die allerletzte. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft.

Das Leipziger Urteil ist zugleich eine Ohrfeige für Hofheims CDU-Bürgermeister Christian Vogt. Der hatte die Interessen von Parteifreunden und Investoren sogar gegen das Stadtparlament durchzusetzen versucht. Wir erinnern uns:

Dezember 2021: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erklärt den Bebauungsplan Vorderheide II für unwirksam, lässt eine Revision nicht zu.

Vorderheide II
Der Gartenrotschwanz lebt in Vorderheide II: „Ein kleiner Piepmatz lässt Baupläne platzen!“ schrieb der Hofheim/Kriftel-Newsletter bereits im Dezember 2021.

Januar 2022: Die SPD, die bis dahin für das Baugebiet war, will nicht mehr klagen. Damit hat Vorderheide II im Stadtparlament keine Mehrheit mehr. Nur noch die CDU-Stadtverordneten mit ihren Verbündeten aus FDP und FWG halten an dem Plan fest, ein wertvolles Naturschutzgebiet für große Villengrundstücke zu opfern. 

März 2022: Mit deutlicher Mehrheit spricht sich das Stadtparlament dafür aus, das Kasseler Urteil zu akzeptieren. Heißt auch: Vorderheide II wäre tot. 

Ende März letzten Jahres: Bürgermeister Christian Vogt (CDU) behauptet, das Stadtparlament sei gar nicht zuständig, nur der Magistrat habe über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden. Man müsse weiter Prozessieren, um mögliche Schadensersatzansprüche von den Projektentwicklern abwehren zu können, die bereits viel Geld in die Planung des Baugebiets gesteckt haben wollen. Außerdem könne man Amtshaftungsansprüche gegen das Land Hessen nur dann stellen, wenn der Rechtsweg voll ausgeschöpft worden sei.

Vogt setzt sich über das Parlament hinweg und schickt Anwälte nach Leipzig. Für die Juristen ist Vorderheide II längst zu einem Festschmaus geworden: Sie haben, obwohl sie stets erfolglos blieben, der Stadtkasse bereits mehr als 800.000 Euro in Rechnung stellen können.

Insgesamt sollen sich die städtischen Ausgaben für Vorderheide II auf mehr als 1,5 Millionen Euro belaufen. Bisher! Das Geld ist weg. Für nichts.

Vermutlich geht das Schröpfen der Stadtkasse weiter: Die Schlussabrechnung der Anwälte steht noch aus. Sollte die Stadt dann wirklich das Land verklagen: Die Anwälte sind bestimmt dabei. Eine Begründung für eine Fortsetzung der Vorderheide-Prozesse lautet beispielsweise: Das Land habe versäumt, Vorderheide II zum Vogelschutzgebiet zu erklären. Es müsse deshalb für alle Kosten aufkommen. Die Rede war mal von über drei Millionen Euro.

Vielleicht will auch die Projektentwicklungsgesellschaft ihre Kosten von der Stadt zurückhaben. Unvergessen, wie die Geschäftsführer breitbrustig vortrugen, sie erwarteten ein Urteil mit Gelassenheit, weil der BUND gar keine Argumente vorgetragen habe. „Wir sind sehr positiv gestimmt“, verbreitete die Firma. Heute steht fest, dass diese „Fachleute“ dramatisch daneben lagen. Einen siebenstelligen Betrag wollen sie an Planungskosten ausgegeben haben: Muss dafür jetzt die Stadt gerade stehen? Das ist noch offen…

Der siegreiche BUND reicht der Stadt die Hand

So steht Vorderheide II bereits heute als Mahnmal für eine Stadtpolitik, die zuerst die Interessen von Investoren bedient und dafür sogar bereit ist, ökologisch wertvolle Flächen, die der Naherholung und dem Landschaftsbild dienen, zu opfern.

Gleichzeitig kann Vorderheide II aber heute auch als ein Zeichen der Hoffnung gelten: dass sich streitbares Engagement für wertvolle Lebensräume lohnt, dass Gerichte kluge Entscheidungen zu treffen vermögen und der rücksichtslosen Gier von Investoren wie Lokalpolitikern ihre Grenzen aufzeigen.

Wie geht’s jetzt weiter? Die Rathaus-Pressestelle lässt wissen, dass der Magistrat das Urteil nur kenne, weil es der BUND „freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat“. Man werde sich erst nach Prüfung der Begründung der Gerichtsentscheidung äußern können. Die Stadt habe sich „durch die völlige Rechtswegerschöpfung gegen mögliche Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüche“ geschützt, heißt es auch; ob diese Aussage zutreffend ist, bleibt abzuwarten.

Der BUND, der die Klage gegen den Bebauungsplan Vorderheide II am 31. Oktober 2011(!) eingereicht hatte, zeigte sich glücklich: „Wir sind sehr froh über die Entscheidung. Die Auseinandersetzung sendet das Signal aus, dass wertvolle und artenreiche Lebensräume geschützt und nicht zerstört werden sollten“, wird Jörg Nitsch zitiert, der Vorsitzende des hessischen Landesverbandes..

Erst kürzlich hat der BUND in Hofheim eine Ortsgruppe gegründet. Deren Vorsitzender Detlef Backhaus blickt jetzt nach vorn, er gibt sich bescheiden und versucht sogar, den Verantwortlichen bei der Stadt entgegenzukommen: Man solle jetzt gemeinsam mit der Ausweisung des Vogelschutzgebietes angehen, sagt er. „Für diesen Weg reichen wir der Stadt Hofheim die Hand.“

Die Stadt hat die ausgestreckte Hand angenommen: Rathaus-Sprecher Jonathan Vorrath teilte am Nachmittag mit, man habe sich mit dem Ortsverband des BUND zu einem Gespräch verabredet.

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Neuer BUND-Ortsverband trifft sich

Das Treffen war schon länger geplant, nach diesem Urteil macht’s sicher doppelt Spaß: An diesem Donnerstag, 26. Januar, trifft sich der neue BUND-Ortsverband Hofheim um 19 Uhr in der Gaststätte Beef’n Beer. Eingeladen sind neben den Mitgliedern alle, die Interesse am Mitmachen haben. Es sollen Ideen ausgetauscht und Themen rund um die Verbesserung der Umwelt und den Schutz der Natur in und um Hofheim besprochen werden. Sollten vorab Fragen sein: Tanja Lindenthal anrufen (Tel. 0176 10449 334) oder anschreiben (t.lindenthal@gmx.de).

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2 Kommentare

  1. Bernd Schleusser

    Dass das Gebiet Vorderheide II nicht bebaut wird, ist in der Tat eine überaus positive Nachricht. Die in letzter Zeit erfolgte verheerende Verdichtung von Neubauten durfte und darf auch nicht weitergehen. Der ganze Charakter der schönen Stadt ginge verloren.
    Warum der Autor allerdings für Vorderheide II mit der ursprünglich geplanten Bebauung mit Doppel- und Reihenhäusern, Mehrfamilienhäusern und vereinzelten freistehenden Bauten mit max. 600 qm Grundstücken von Luxus und Villen spricht, kann er ja mal erklären. Oder wurde der Bebauungsplan geändert und es wurden nur freistehende 300 qm Häuser auf Grundstücken von 1500 qm geplant?

    26. Januar 2023
    |Antworten
  2. Eberhard Schmidt

    Ein großer Erfolg für Natur- und Klimaschutz! Endlich werden dem Naturfrevel Grenzen gesetzt. Ein großes Dankeschön dem BUND für seine Beharrlichkeit. Ein großer Tag für die Bürger Hofheims, die den Naturerhalt für sich und ihre Kinder zu schätzen wissen. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die Politiker in Stadt und Kreis dies als Signal verstehen und künftig alle in Natur- und Lebensraum eingreifenden Maßnahmen mit Klima-und Naturschutz abgleichen und auch danach handeln, Also: zielverträgliche Entwicklung neuer Baugebiete (Höffner/Mohr II, Marxheim etc.), Grünanlage am Kellereiplatz, mehr Bäume und Grün in der Innenstadt, schonendere Waldbewirtschaftung (nicht wie aktuell wieder geschehen, massiv bodenzerstörende Eingriffe auf dem Kapellenberg), Verkehrsentlastung, Einsatz von Elektrobussen mit grünem Strom, Solaranlagen auf allen Neubauten und Förderung für den Altbaubestand etc. Es gibt viel zu tun!

    26. Januar 2023
    |Antworten

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