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Kamera-Kontrollen: Neu vor Aldi – bald auch auf dem Kellereiplatz?

Gepostet in Allgemein

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Was haben wir uns geärgert: Auf dem Supermarkt-Parkplatz die Schilder übersehen, dass man eine Parkscheibe auslegen muss, prompt erwischt worden, 30 Euro weg. Das war „gestern“ – heute erleben wir in Hofheim den Einsatz der neuesten Technik: Kameras passen auf einem Aldi-Parkplatz auf, wer kommt und geht; wer zu lange bleibt, wird richtig zur Kasse gebeten. Ganz aktuell dazu: Hofheims CDU möchte die Stadtmitte per Kamera überwachen lassen, aus Gründen der Sicherheit. Am heutigen Mittwoch wird erstmals öffentlich darüber gesprochen.

Aus China hören und lesen wir es immer wieder: Überall stehen Überwachungskameras. „China: Zukunft heißt Totalüberwachung“ hieß vor wenigen Jahren ein Film in der ARD

Später schrieb der Spiegel: „Gesichtserkennung, Chat-Spionage, Smart Policing: China exportiert massenweise Hard- und Software zur digitalen Überwachung“.

Wir haben die Menschen in China für die Dauerüberwachung bedauert. Doch längst ist die Zukunft auch bei uns angekommen: Kameraüberwachung boomt hierzulande.

Und damit kommen wir nach Hofheim:

CDU will mehr Sicherheit auf dem Kellereiplatz

An diesem Mittwoch tagt der Ortsbeirat Kernstadt. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag der CDU: „Wir bitten den Magistrat zu prüfen, ob auf dem Kellereiplatz eine Kamera aufgestellt werden kann.“

Es geht der CDU – natürlich! – nicht um eine allgemeine Überwachung. Die CDU will mehr Schutz für alle: „Immer wieder ist der Kellereiplatz Thema bei Diebstahl, Randale und Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen“, heißt es in dem Antrag. Allerdings fehlten die Beweise für die Anschuldigungen. Eine Kamera wäre „eine Präventionsmaßnahme für mehr Sicherheit auf diesem Platz, und zum anderen könnten Beweise und Hinweise für den Hergang von Delikten geliefert werden“.

Nun geht aus den täglich erscheinenden Polizeiberichten nicht hervor, dass der Kellereiplatz eine Stätte des Streits und der Kleinkriminalität wäre. Die letzten Vorfälle wurden während des Kreisstadtsommerfests gemeldet: 

Mitte Juni wurde eine 64-Jährige zu später Stunde von einem jungen Mann so angerempelt, dass sie stürzte und sich verletzte; der Typ kümmerte sich erst um sie und verschwand dann unerkannt. Eine Nacht später, es ging auf Mitternacht zu, wurde ein 17-Jähriger von einem Unbekannten (angeblich 15 bis 20 Jahre alt) mit einer Glasflasche niedergeschlagen. Grund laut Polizeimeldung: ungeklärt.

Ebenfalls im Juni eskalierte ein Streit um einen Parkplatz: Zwei Autofahrer beleidigten sich gegenseitig und prügelten sich wohl auch. Es war mittags, kurz nach 13 Uhr, statt eines Parkplatzes bekamen die Männer eine Strafanzeige wegen Körperverletzung sowie Beleidigung.

Weitere Vorfälle auf dem Kellereiplatz sind in den Polizeimeldungen dieses Jahres nicht zu finden. Ob diese wenigen Fälle eine Kameraüberwachung rechtfertigen?

„Eine Videoüberwachung als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung muss verhältnismäßig zum angestrebten Erfolg sein“, schreibt Hessens Datenschutzbehörde auf ihrer Webseite. Das ist jetzt die spannende Frage: Rechtfertigt die gewünschte Gefahrenabwehr, jede Menge Menschen zu filmen und ihr Bewegungsprofil zu speichern – obwohl offensichtlich nur wenige Straftaten passieren?

Im Ortsbeirat Kernstadt wird an diesem Mittwoch, 6. September, erstmals öffentlich darüber gesprochen. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr in der Stadthalle.

Kamera vor Aldi: Nach 90 Minuten wird’s teuer

Etwas anders stellt sich die Situation auf dem Parkplatz vor Aldi an der Niederhofheimer Straße dar. Dort wurde bereits eine Kamera installiert, ganz ohne öffentliche Diskussion. Digital wird aufgezeichnet, wer kommt und wer geht – und das ist wohl auch erlaubt:

Es handelt sich nicht um einen öffentlichen Platz, sondern um ein Privatgrundstück. Dort ist eine ektronische Überwachung möglich – Bedingung: Die Kamera muss erkennbar auf das eigene Grundstück gerichtet sein, außerdem muss der beobachtete Bereich mit einem deutlich sichtbaren Hinweisschild (mit Piktogramm und Bekanntgabe der verantwortlichen Stelle) kenntlich gemacht werden.

Das System der Kfz-Kennzeichenerfassung funktioniert dann so: Hinter der Einfahrt zum Parkplatz befindet sich eine sog. LPR-Kamera (License Plate Recognition). Sie erfasst das Kennzeichen von jedem einfahrenden (und ausfahrenden) Auto. Jedes Mal wird eine Bilddatei gespeichert, die Autokennzeichen werden von einer Texterkennungssoftware in ein maschinenlesbares Kfz-Kennzeichen umgewandelt. Dazu werden Datum und Uhrzeit von jeder Ein- und Ausfahrt gespeichert.

Die Rechtsprechung ist eindeutig: Eine solche Datenspeicherung ist rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Parkplatzbetreibers erforderlich ist und die Interessen der Parkplatznutzer nicht überwiegen. Wenn auf dem Parkplatz immer wieder Autos stunden- und auch tagelang abgestellt werden, wird dem Besitzer des Grundstücks eine Überprüfung per Kamera kaum zu untersagen sein.

Auf dem Parkplatz vor Aldi ist „Park & Control“ für die Überwachung zuständig. Das Stuttgarter Unternehmen überwacht private Parkflächen im Auftrag der Eigentümer und ahndet Verstöße gegen die Parkordnung. Autofahrer, die das Hinweisschild an der Einfahrt zum Parkplatz passieren, gehen mit  Park & Control einen Vertrag ein.

Die „Knöllchen“, die das Unternehmen ausstellt, sind keine Strafzettel, um Geldsanktionen gemäß Bußgeldkatalog einzufordern. Es handelt sich um Zahlungsaufforderungen für eine Vertragsstrafe. Wie hoch diese ausfällt, können die Besitzer des Parkplatzes weitgehend selbst bestimmen.

Kamera
Vor Lidl an der Hattersheimer Straße: Wer ohne Parkscheibe sein Auto abstellt, muss 30 Euro zahlen.

Das Kamera-System hat einen klaren Vorteil – auch für Autofahrer: Als vor gut zwei Jahren andere Geschäfte – beispielsweise vor dem Einkaufszentrum in Kriftel – begannen, das Auslegen von Parkscheiben zu verlangen, gab’s große Aufregung (hier): Der eine oder andere  Autofahrer hatte nur wenige Minuten geparkt, die Parkscheibe vergessen – und kassierte prompt ein dickes „Knöllchen“.

Mit der neuen Kameraüberwachung gibt’s das Problem nicht. Auf den Schildern steht extra: „Auslegen einer Parkscheine nicht nötig“. 

Länger als 90 Minuten sollte man trotzdem nicht stehen bleiben: Sonst werden mindestens 35 Vertragsstrafe fällig.

„Mindestens“ heißt es ausdrücklich: Es kann auch teurer werden… 

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Wer weitere Informationen sucht oder Fragen zum Thema hat:

Die Verbraucherzentrale hat dazu alles Wissenswerte zusammengestellt. Der Bericht „Knöllchen auf dem Supermarkt-Parkplatz: Regeln für private Strafzettel“ ist hier zu finden.

Auch der ADAC informiert:  „Wann sich ein Widerspruch lohnt“ (hier)

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Update I aus dem Ortsbeirat

Gestern Abend (Mittwoch) tagte der Ortsbeirat Kernstadt zum Thema „Kameraüberwachung auf dem Kellereiplatz“. Treibende Kraft ist CDU-Frau Beate Faust, die gleich neben dem alten Wasserschloss wohnt und klagte, es würden immer wieder Straftaten sozusagen unter ihren Augen passieren, die Polizei sei hilflos und würde die Täter nicht kriegen…

Deshalb Kamera-Überwachung?

Vertreter von den Grünen, Bürgern für Hofheim und Linken wiesen darauf hin, dass eine einzelne Kamera kaum etwas bringe. Außerdem würde der Jugendtreffpunkt im alten Wasserschloss kriminalisiert. Und nicht zuletzt würde massiv in die Persönlichkeitsrechte vieler Menschen eingegriffen: Ist das noch verhältnismäßig?

Weise Entscheidung: Das Thema wurde erst einmal vertagt. Demnächst soll die Ordnungspolizei dazu gehört werden.

Update II von Park & Control

Park & Control hat sich gemeldet: Jetzt ist klar, was mit einer Strafandrohung von „mindestens 35 Euro“ gemeint ist:

Fahrzeuge dürfen 90 Minuten lang nur innerhalb der markierten Stellplätze abgestellt werden. Wer außerhalb der markierten Flächen parkt oder in einem Bereich, in dem ein Halteverbot ausgewiesen ist, wird mit 55 Euro zur Kasse gebeten. Diese Summe wird auch fällig, wenn das Auto unberechtigt auf einem Stellplatz für Kunden mit besonderer Berechtigung parkt (oder wenn der Berechtigungsausweis nicht oder falsch angebracht wurde).

Es gibt noch ein paar mehr Regeln, die zu beachten sind – andernfalls wird immer eine Geldstrafe fällig. Auch gilt, dass bei mehreren Parkverstößen die Strafen addiert werden.

Wer Näheres wissen will, muss die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Park & Control studieren (rund 10.000 Zeichen, drei eng beschriebene Din-A4-Seiten). Im Internet waren die AGB für Hofheim nicht zu entdecken; auf Nachfrage teilte Park & Control jetzt mit:

An jeder Einfahrt zum Parkplatz seien „unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen gut sichtbar platziert. Allen rechtlichen Anforderungen wird somit vollumfänglich Rechnung getragen.“ Damit, so schrieb das Unternehmen auch, gestalte man den Parkvorgang so kundenfreundlich und transparent wie möglich.

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6 Kommentare

  1. Robert

    Womöglich lenkt so eine Kamera auf dem Kellereiplatz von der eigenen Unfähigkeit ab, gescheite Politik zu machen. Man könnte auch von „Symbolpolitik“ sprechen.
    Das Geld sollte besser in die Sicherung der Radwege in Hofheim gesteckt werden, die ja – vielfach geprüft – das Vorletzte in Hessen sind.

    6. September 2023
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    • Michael

      Finde ich ja irgendwie putzig, dass dieser Kommentar nicht der Zensur des Herausgebers zum Opfer fällt, obwohl ja in den Spielregeln so ausgerufen. Unfähig , keine gescheite Politik… hhmm, also ich erkenne hier wirklich keine Symbolpolitik. Wenn man einmal abends auf dem Kellereiplatz und vor dem Rathaus/Chinoncenter unterwegs ist, ja… da wünscht man sich nicht nur Kameraüberwachung, bei dem Klientel, dass da so aufschlägt. Und das Thema *Radwege* ist ja wieder ein ganz anderer Punkt.

      6. September 2023
      |Antworten
      • Schlofhemer

        Abgesehen, dass in dem Artikel ja erwähnt wird, dass die Zahlen der Taten in diesem Bereich nicht auffällig sind, würde mich doch mal stark interessieren, welches „Klientel“ Sie denn meinen?!

        6. September 2023
        |Antworten
      • J. O.

        Stimmt zum Teil, Blitzer auf der Elisabethenstr Str. wären wirklich sehr sinvoll 👍
        Meist am Abend mit 70 kmh unterwegs, E-roller entgegen der Einbahnstraße..
        Überhaupt nicht lustig!
        Dass dient nicht nur der Sicherheit sondern ist auch durch die auheulenden Motoren am späten Abend eine immense Lärmbelestigung.

        12. September 2023
        |Antworten
  2. Tanja Lindenthal BFH (Bürger für Hofheim)

    Update des Artikels:
    Der Ortsbeirat Kernstadt hat heute Abend beschlossen, den Antrag zu vertagen und in der nächsten Sitzung eine Fachmeinung der Ordnungspolizei zu dem Thema einzuholen.
    Es gibt auch im Ortsbeirat geteilte Meinungen dazu. Kernfrage wird sein: Ist die Überwachung verhältnismäßig.

    6. September 2023
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  3. Die Verhältnismäßigkeit einer Kameraüberwachung wurde ja bereits im Artikel von Herrn Ruhmöller erwähnt und hat wahrscheinlich zum Nachdenken angeregt. Gut, dass der Ortsbeirat das nun auch kritisch hinterfragt. Warum ein Ortsbeirat einer Kleinstadt wie Hofheim sich mit einem so sensiblen Thema aber überhaupt beschäftigen muss bleibt mir ein Rätsel. Das genannte Areal ist doch sehr überschaubar und sollte durch Präsenz der Ordnungspolizei, insbesondere bei Festen, doch als sicherer Aufenthaltsort durchgehen. Auf die von Frau Lindenthal im Update des Artikels genannte „Fachmeinung der Ordnungspolizei“ bin ich sehr gespannt. Es würde mich schon sehr wundern wenn sich diese Fachleute gegen eine Kameraüberwachung aussprechen sollten. Würden durch die Installation von Kameras auch die Intervalle der Kontrollen der Polizei reduziert?

    7. September 2023
    |Antworten

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