Das waren echte Knaller-Themen an diesem Mittwochabend! Bürgermeister Christian Vogt (CDU) präsentierte im Stadtparlament den Entwurf des Haushalts 2024/25 und hatte dazu diese Nachrichten mitgebracht:
⇨ Der Kreis verlangt wegen der Krise der Varisano-Kliniken deutlich mehr Millionen aus Hofheims Stadtkasse als bisher erwartet.
⇨ Jede Menge Flüchtlinge werden in nächster Zeit kommen: Der Kreis fordert, sie notfalls in Zelten und Hallen unterzubringen.
⇨ Das Obdachlosenheim in der Rheingaustraße soll von der HWB abgerissen und für mehrere Millionen deutlich größer wieder aufgebaut werden.
Am Ende, als Vogt geendet hatte, gab’s noch diese Nachricht, sie schlug wie ein Blitz ein: Bernd Hausmann, seit 13 Jahren Stadtverordneter der Linken, legte mit sofortiger Wirkung sein Mandat nieder. Weil’s an der Zeit sei, sagte er.
Die Einführung eines neuen Haushalts zelebriert Hofheims Bürgermeister Christian Vogt gerne wie eine Messe. Da ist kein Platz für andere “Götter”; wohl deshalb musste die offizielle Einführung des Ersten Beigeordneten Daniel Philipp (Grüne) auf einen späteren Termin verlegt werden. So erlebten die 37 angereisten Stadtverordneten die vielleicht kürzeste Parlamentssitzung ihres Lebens: Nach nur einer Stunde war alles vorbei.
700 Seiten umfasst das Zahlenwerk, es handelt sich um einen sogenannten Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025. “Auf den hunderten Seiten des Haushaltes steht, welche Zukunft wir uns für unsere Stadt vorstellen”, sagte Vogt, räumte aber zugleich ein: Die Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt seien zunehmend begrenzt. “In diesem Jahr bringen uns die externen Faktoren an den Rand unserer Möglichkeiten.”
So will der Main-Taunus-Kreis, der seine Einnahmen hauptsächlich aus den Kommunen bezieht (“Kreisumlage”), im nächsten Jahr in Hofheim richtig abkassieren: Er verlangt rund 42 Millionen Euro aus der Stadtkasse – das sind knapp 2,5 Millionen mehr als in diesem Jahr. Grund: Die Varisano-Kliniken, zu denen das Hofheimer Krankenhaus gehört, sind bekanntlich tief in die roten Zahlen abgestürzt. Jetzt müssen wir Steuerzahler dafür bluten…
Eine weitere Hiobs-Botschaft: Monat für Monat kommen 50 neue Flüchtlinge, “bis Ende des Jahres werden Hofheim 156 Geflüchtete neu zugeteilt”, so Vogt. Wo sollen sie bleiben? Vogt: Erstmals sei man im Rathaus schriftlich vom Landratsamt aufgefordert worden, die Flüchtlinge in Zelten, Containern oder Hallen unterzubringen. Er wehre sich dagegen, denn dann sei eine Integration nahezu unmöglich. Man werde jede freie HWB-Wohnung belegen, suche weitere Wohnungen, auch Grundstücke, auf denen man Unterkünfte errichten könne. Und notfalls müsse man Hotels anmieten.
Das alles kostet: 700.000 Euro werde die Stadt im nächsten Jahr allein für die Unterbringung aufbringen müssen. Zum Vergleich: 2020 wurden dafür 107.000 Euro ausgegeben.
Und noch ein drittes Beispiel: Die Main-Taunus-Verkehrsgesellschaft (MTV) brauchen mehr Geld. Bisher zahlt die Stadt einen Zuschuss in Höhe von 1,9 Millionen Euro, im nächsten Jahr sollen’s 2,2 Millionen werden.
Er ging zum Rednerpult, als die Sitzung eigentlich schon vorbei war. Letzten Monat habe er 75. Geburtstag gefeiert, der Bürgermeister und Stadtverordnetenvorsteher hätten ihm gratuliert, das habe ihn sehr gefreut, sagte Bernd Hausmann. Jetzt könne er die Freude zurückgeben: “Ich lege zum Ende dieses Tages mein Mandat nieder.”
Ein Abgang, wie ihn nur Bernd Hausmann hinlegen kann. Freundlich im Ton – aber auch durchsetzt von sarkastischen Spitzen gegen die etablierte Politszene. Dass er geht, kam völlig überraschend, nur wenige waren eingeweiht. Hausmann versicherte, sein Rückzug sei keine spontane Entscheidung gewesen, sondern stehe für ihn fest, seit er erstmals Stadtverordneter geworden sei: Er sei immer dagegen gewesen, dass Leute an ihrem Sessel kleben “und ihren politischen Ehrgeiz daran sehen, ihre Pöstchen zu erhalten”.
Auch könne er – vielleicht eine Sache des Alters – inzwischen viele Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen: “Ich kann zum Beispiel nicht erkennen, wieso ein paar bunte Plastik-Kugeln an Laternenpfählen oder zwei überdimensionierte Sonnenschirme am Untertor zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt beitragen.” Mehr Grün und mehr Kitaplätze würden dagegen die Qualität der Gesamtstadt verbessern helfen.
Die Arbeit im Stadtparlament habe ihm immer Freude bereitet (“das war nicht wechselseitig, zugegeben”). Inzwischen sei sie auch besonders interessant geworden – “nachdem sich die SPD aus ihrer babylonischen Gefangenschaft mit der CDU befreit hat”.
Aber man solle gehen, wenn es am schönsten ist. Er wünsche allen Hofheimern, dass die Stadtverordnetenversammlung zukünftig weise politische Entscheidungen treffen werde, sagte er abschließend – und ergänzte in seiner trockenen Art, vielleicht auch mit einem belustigten Augenzwinkern: “Wohlgemerkt: Ich habe nicht gesagt: auch zukünftig”.
Sein Platz in der Stadtverordnetenversammlung wird künftig Anita Vogt einnehmen.
* * * * *
Das alles hört sich nicht gut an. Und doch: Die Stadt Hofheim hat keinen Grund zu Jammern. Die wichtigsten Eckdaten zum Haushalt 2024: Das Volumen beträgt rund 111 Millionen Euro. Der Etat schließt mit einem Minus, das aber dank Rücklagen in Höhe von 14,2 Millionen aufgefangen werden kann.
Eine Neuverschuldung ist nicht notwendig, der Schuldenstand kann nächstes Jahr sogar um 1,5 Millionen Euro reduziert werden.
Auch positiv für die Bürger: Die Grund- und Gewerbesteuer müssen nicht erhöht werden. Auch die Gebühren würden nicht angetastet, so Vogt. Zwei Ausnahmen:
Die Erhöhung der Parkgebühren hatte das Stadtparlament bereits vor Monaten beschlossen.
Neu hinzu kommt: Die Wassergebühren werden im nächsten Jahr von 2,35 auf 2,57 Euro pro Kubikmeter erhöht. Der Preis war nahezu zehn Jahre lang stabil, weil Rücklagen bestanden. Die sind abgebaut, jetzt müssen die echten Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden.
Haushalt 2024/25: In der Theorie wird viel investiert
Ein Haushalt bestehte zwar aus trockenen Zahlen, so Vogt, aber dahinter “verbirgt sich die Stadt, die wir machen wollen”. Im nächsten Jahr soll demnach richtig viel investiert werden – zumindest in der Theorie. Mit der Praxis ist das so eine Sache, wie wir noch sehen werden. Hier erst einmal ein Auszug aus der von Vogt vorgetragenen Projektliste:
Zwei Millionen wird die Stadt als Zuschuss an die HWB geben: Die soll für rund 4,3 Millionen Euro die derzeitige Obdachlosenunterkunft in der Rheingaustraße abreißen und größer neubauen: mit dann 22 statt der heutigen acht Betten. Die Stadt mietet das Gebäude später von der HWB, die sich auf diese Weise ihre Millionen-Investition wiederholen wird.
Für 3,6 Millionen Euro sollen Kitas erweitert und neu gebaut werden.
Die Feuerwehren in Lorsbach und Wildsachen bekommen neue Transportfahrzeuge für je 80.000 Euro. Außerdem wird ein Rettungsboot für 30.000 Euro angeschafft. Warum die Stadt Hofheim ein Rettungsboot kauft? Weil der Kreis das im Rahmen des Katastrophenschutzes so verlangt, so Vogt.
Rund eine Million wird in Sportstätten und Vereine gesteckt.
Der Bahnhofsvorplatz in Hofheim soll barrierefrei umgebaut werden: Macht 590.000 Euro.
Das klingt alles ganz toll, ist aber, wie gesagt, erst einmal nur Theorie. Denn da gibt’s eine Hofheimer Eigenart, die wurde von der Linken Barbara Grassel kürzlich so gut auf den Punkt gebracht, dass Bürgermeister Vogt die Grassel-Worte in seiner Etatrede zitierte:
“Wir haben kein Geldproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.”
Im Klartext: Hofheim werden immer wieder große Projekte und Investitionen versprochen – das war’s. Danach geht’s nicht weiter, die Stadtverwaltung kommt mit der Umsetzung nicht voran. Folge: Heute sind “Restmittel” in Millionenhöhe vorhanden, die nicht ausgegeben wurden. Beispiele:
Für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen wurden rund 6 Millionen Euro eingestellt, aber nicht ausgegeben.
Immer wieder wurden Kita-Baumaßnahmen angekündigt, Gelder wurden auch eingestellt, aber augenscheinlich passierte kaum etwas: In diesem Topf sind über 2 Millionen vorhanden.
Die Feuerwehren sollten längst neue Fahrzeuge und bessere Ausstattung bekommen: 1,3 Millionen sind noch im “Reste-Topf” drin.
Die Liste der geplanten Investitionen, für die Geld bereitgestellt, aber nicht ausgegeben wurde, umfasst inzwischen zwei Seiten. Abzuwarten bleibt, was das nächste Jahr bringt: Ob dann wohl endlich die versprochenen Investitionen aus den prall gefüllten Kassen getätigt werden?
Jetzt sind erst einmal die Stadtverordneten gefordert: Sie sollen es in den nächsten Wochen den Entwurf des Haushalts durcharbeiten und in den Ausschüssen darüber beraten. Änderungen sind möglich, aber – das betonte Vogt – bitte nur mit entsprechenden Einspar-Vorschlägen.
Mitte Dezember soll das 700-Seiten-Werk dann endgültig verabschiedet werden..
Mit Bernd Hausmann geht ein Mensch, der Demokratie in beispielhafter Weise immer gelebt hat: sehr unbequem im Vortrag, standhaft, kundig nachfragend, umfänglich informiert durch eigene Recherche. Wer ehrlich ist, der wird auch anerkennen, dass er in Hofheim immer für “herausfordernde Opposition” stand. Er war in der Stadtverordnetenversammlung eine äußerst “frische Brise”. Bleiben Sie gesund, Herr Haussmann, und vielen Dank. Norbert Preusche
Bernd Hausmann geht – das kann ich persönlich nachvollziehen, obwohl ich Ihm nie begegnet bin.
Ich bin ( nur) eine politische Mitleserin.
Das Gefühl, das bleibt: Einer der letze Streiter, der sich den Herausforderungen einer wachsenden Gleichgültigkeit stellte verschwindet nun.
Die Demokratie im ernsthaftesten Sinne erleidet damit in Hofheim einen herben Verlust.
Ihnen Herr Hausmann viel Glück.
Saloua Dillmann
Da kann man das große Aufatmen über Hausmanns Rückzug förmlich durch die ganze Stadt schallen hören, endlich!
Ohne Zweifel war er engagiert, jedoch hat er sich ständig verrannt, verkämpft und alle nur mürbe gemacht. Er war leider selten konstruktiv und hat alle vor allem viel Zeit gekostet und die Effektivität des Stadtparlaments stetig belastet.
Tja, Michael, wenn es in der Stadtpolitik nur Menschen wie Dich geben würde, die Vetternwirtschaft und eigene Interessen ganz oben anstehen lassen, dann würde alles komplett vor die Hunde gehen. Ich habe so viele Unterhaltungen mit normalen Bürgern geführt, die es leid sind, daß Immobilieninvestoren die Stadtpolitik bestimmen und Gelder verschwenden (solange es nicht ihres ist….völlig wurscht). Gegen so eine nur aus persönlichen Interessen getrieben Stadtpolitik braucht es mehr denn je Menschen wie Bernd.
Herrn Hausmann habe ich regelmäßig in den Ortsbeiratssitzungen in Lorsbach erlebt – zumeist bestens vorbereitet, scharfsinnig in seinen Schlussfolgerungen und mit fundierten Analysen.
So gesehen kann ich Ihnen, sehr geehrter Herr Michael, nicht zustimmen, dass Herr Hausmann “alle nur mürbe gemacht” haben soll.
Herr Hausmann wird im demokratischen Streben nach besseren Entscheidungen in der Lokalpolitik sehr fehlen.
@Dr. Saloua Dillmann
schöner hätte ich es nicht formulieren können