Am 1. Januar ist endgültig Schluss: Dann gilt in Deutschland ein totales Verbot für Plastiktüten. Eine entsprechende Änderung des Verpackungsgesetzes war bekanntlich Ende 2020 beschlossen worden, der Handel reagierte umgehend, und wir haben uns ganz schnell daran gewöhnt: Es geht ja auch ohne!
Der tiefere Sinn des Gesetzes – Plastikvermeidung! Umweltschutz! — scheint nicht bis ins Hofheimer Rathaus vorgedrungen zu sein: Dort werden weiterhin Plastiktüten ausgegeben – für öffentliche Mülleimer, von denen Hunderte im Stadtgebiet verteilt sind. Aus jeder Mülleimer-Öffnung lugt oben eine transparente Plastiktüte, und die wird im Schnitt jeden zweiten bis dritten Tag durch eine neue ersetzt. So kommen zigtausende Plastiktüten im Jahr zusammen. Und das soll auch so bleiben, heißt es im Rathaus – aus ganz speziellem Grund: Die Damen und Herren vom Bauhof sollen sich beim Leeren der Mülleimer ihre Hände nicht schmutzig machen müssen.
Es ist schon verrückt: Landauf landab reden die Politiker von der dringenden Notwendigkeit, die Umwelt zu schützen. Ihre Lieblingsvokabeln, wir kennen sie zur Genüge: Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz, Plastikvermeidungsstrategien…
Wenn wir in unserer Altstadt shoppen gehen oder eine schnelle Besorgung im Chinon-Center machen wollen, kriegen wir keine Plastiktüte mehr – verboten! Das ist natürlich völlig in Ordnung: Weiß doch längst jedes Kind, dass die Welt an unserem Verpackungsmüll zu ersticken droht. Der Verbrauch von Plastikmüll wächst immer weiter, und die Recyclingquote stagniert ungeachtet aller politischen Wunschvorstellungen. Unser Verzicht auf Plastiktüten ist da ein klitzekleines Zeichen: Wir haben verstanden! Wir tun was für die Umwelt.
Gehen wir aber durch Hofheims City oder auch Richtung Rathaus/Chinon Center, sehen wir alle paar Meter einen Mülleimer, der mit einer Plastiktüte ausstaffiert wurde. Was soll das denn? Muss der Müll, der in Hofheims öffentlichen Mülleimern landet, vor der endgültigen Entsorgung wirklich extra in Plastiktüten eingepackt werden? Kann die Stadtverwaltung nicht auch ihr Scherflein zur Vermeidung von Plastikmüll leisten und auf diese Plastiktüten verzichten?
Es handelt sich mitnichten um Einzelfälle. Die Zahlen sind ebenso beeindruckend wie verstörend:
410 Abfallbehälter sind in Hofheim aufgestellt, 180 davon in der Kernstadt. Es sind überwiegend schlichte, oftmals unansehnlich gewordene Metalleimer mit relativ kleinem Öffnungsschlitz. Weil Pizzaschachteln da schlecht reinpassen, wurden einige größere Mülleimer angeschafft, die vor allem im Bereich rund ums Rathaus zu finden sind.
Als im letzten Jahr – die Restaurants waren wegen Corona dicht, der Straßenverkauf boomte – Massen von Eis- und Kaffeebechern die Mülleimer in der Altstadt überquellen ließen, reagierte die Stadtverwaltung nach einem deutlichen Hinweis (hier) relativ fix: Sie stellte Mülltonnen auf, wie sie auch für den Hausmüll ausgegeben werden, nur in grüner Farbe. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme gegen temporäre Müllmassen. Nicht schön, aber praktisch. (Die grünen Tonnen, das nur am Rande, stehen noch heute da rum – nicht gerade ein Beitrag zur Verschönerung der Altstadt.)
All diese Mülltonnen werden von den Mitarbeitern des Bauhofs regelmäßig mit Plastikbeuteln ausgestattet, in denen dann der Müll aufgefangen wird. Insgesamt benötige man jedes Jahr rund 66.000 Plastiktüten, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Das sind umgerechnet auf einen Werktag deutlich über 250 Plastiktüten!
Kann man den Müll nicht „einfach so“ in Mülltonnen einsammeln, wie es in den meisten Kommunen üblich ist? Das wollten wir von der Stadtverwaltung wissen: Muss in Hofheim wirklich jede öffentliche Mülltonne extra mit einer Plastiktüte ausstaffiert werden?
Die Antwort wurde uns von Rathaussprecherin Iris Bernardelli übermittelt: Man würde die Plastikbeutel ja gerne einsparen. Aber dann wäre „eine Leerung für die Beschäftigten des Bauhofs nicht zumutbar“. Außerdem, so ihre Begründung für die kommunale Plastikschwemme, würde eine Leerung zu lange dauern, das sei dann „wegen des erhöhten Zeitaufwands wirtschaftlich nicht mehr darstellbar“. Und schließlich würden unverschlossene Hundekotbeutel und Essensreste in den Mülleimern entsorgt, was eine Reinigung der Eimer notwendig machen würde.
Andernorts scheinen die Mitarbeiter der Bauhöfe nicht so pingelig zu sein. Fährt man durch deutsche Städte und Gemeinden, sieht man nur ganz, ganz selten Plastiktüten zum Schutz vor einer Verschmutzung öffentlicher Mülleimer. Wesentlich mehr Kommunen wetteifern inzwischen im engen Zusammenschluss mit ihren Bürgern darum, komplett plastikfrei zu werden. Das Hessische Umweltministerium setzt sich bereits seit Jahren verstärkt für die Plastikvermeidung in Hessen ein. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung wurde von CDU und Grünen ausdrücklich als Ziel genannt, dass man dem zunehmenden Plastikverbrauch entgegensteuern wolle.
Hofheims Stadtverwaltung ficht das alles nicht an. Plastikmüll vermeiden? Umwelt schonen? Interessiert hier offenbar nicht. In der Kreisstadt mucken nicht einmal die Grünen auf: Jedem Mülleimer wird alle zwei bis drei Tage eine neue Plastiktüte spendiert – na und? Wen stört’s denn schon? Hauptsache, die Mitarbeiter des Bauhofs haben’s möglichst bequem und bleiben schön sauber…
In Kriftel kommen Mülleimer ohne Plastiktüten aus
Warum ist in Kriftel möglich, was in Hofheim nicht geht? In der Nachbargemeinde der Kreisstadt findet sich kein einziger öffentlicher Mülleimer, in dem eine Plastiktüte eingehängt wurde. Dabei werden die Mülleimer genauso benutzt wie in Hofheim – und natürlich auch geleert, allerdings ohne zusätzlichen Plastikmüll. Nur eine Vermutung: In Kriftel sind die Mitarbeiter des Bauhofs nicht ganz so etepetete wie in Hofheim – und die Gemeindeverantwortlichen ein gutes Stück umweltbewusster…
Trotz offener Fragen: Stadtparlament sagt Ja zu „On Demand“
Das günstige Anruf-Sammel-Taxi (AST) ist bald Geschichte – dann kommt der teure „On Demand-Service“: Elektro-Busse „auf Bestellung“ sollen künftig bis zu 200 Haltestellen im Stadtgebiet ansteuern. Die Stadtverordnetenversammlung hat vergangene Woche mit großer Mehrheit die Fahrpreise akzeptiert und damit den Weg freigemacht: Der Modellversuch mit dem Arbeitsnamen „Taunus-Shuttle“, der bis 2025 befristet ist, soll am 6. Dezember starten.
Wir haben berichtet (hier und hier): Kritik war nicht am Projekt selbst laut geworden, sondern ausschließlich am Umstand, dass die On-Demand-Fahrten unerwartet teuer werden, selbst Fahrgäste mit RMV-Ticket müssen zuzahlen. Außerdem gaben weder der Magistrat noch die Main-Taunus-Verkehrsgesellschaft (MTV) Antworten auf drängende Sachfragen: Bis heute liegt keine nachvollziehbare Kostenübersicht vor. Auch die Frage, wie die MTV zu ihren Fahrpreisen gekommen ist, blieb bislang unbeantwortet.
Die Mehrheit der Lokalpolitiker in Hofheims Stadtparlament drückte angesichts dieses Dilemmas beide Augen fest zu und stimmte einfach zu. Sie machten es sich einfach: CDU-Fraktionschef Alexander Kurz wird von einer Lokalzeitung mit dem Ausspruch zitiert, wenn man alle Antworten wisse, brauche man kein Pilotprojekt mehr. Auch FWG-Chef Andreas Nickel wollte sich mit der Frage, ob die klamme Stadt am Ende vielleicht viel Geld draufzahlen müsse, erst gar nicht auseinandersetzen: „Wir wollten der Sache eine Chance geben und nicht gleich negativ belasten.“
Das Beschluss der Stadtverordneten beinhaltet, dass die Verwaltung in einem halben Jahr eine erste Zwischenbilanz vorlegen soll. Damit begründeten mehrere „Ja“-Sager ihre Zustimmung. Dass die Stadtverwaltung zuvor erklärt hatte, die Stadtverordneten könnten die Fahrpreise billiger machen, was aber immer zu Lasten der Stadtkasse gehe, wurde ausgeblendet.
Die Linken und die junge Fraktion der „Bürger für Hofheim“ (BfH) wollten keinen Blankoscheck abgeben: Die Fahrpreise seien zu hoch, die Kosten für Hofheim weiterhin unklar, zu viele Fragen immer noch unbeantwortet – deshalb verweigerten sie geschlossen ihre Zustimmung.
Eine Vermutung: Kann es sein, dass die Mülleimer in Kriftel unten geöffnet werden, so dass der Müll hinaus fällt und dass deshalb kein Plastiksack nötig ist?
Ich habe nachgeschaut. Die Mülleimer in Kriftel werden VON UNTEN geleert. Deshalb sind keine Plastiktüten erforderlich. Wenn also Hofheim auf diesen Typ Mülleimer wechselt, so wären auch für Hofheim keine Plastiktüten erforderlich!
Ich weiß nicht, wie die Stadt Hofheim die Mülltonnen leert. Ich denke: 66.000 Plastiktüten auszugeben, um Müll einzusammeln – das ist nicht mehr zeitgemäß. Von der Politik wird gerne die kommunale Vorbildfunktion herausgestellt: Hier könnte sie sich zeigen.
Kriftel dagegen bietet Hundehaltern*innen rote Tüten für die Hinterlassenschaften der Hunde an. Hofheimer Hundefreunde bedienen sich da gerne in Kriftel, da man ein solches Angebot man in Hofheim suchen muss.