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Bürgermeister Vogt ausgebootet – von seiner eigenen CDU

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An diesem Mittwoch, 1. Dezember, tagt in Hofheim die Stadtverordnetenversammlung ab 18 Uhr in der Stadthalle. Der Tagesordnungspunkt 5 klingt ziemlich spröde („Wahl der Vertreter/innen in die Verbandskammer des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain“). Er bietet jedoch ein anschauliches Beispiel dafür, wie private und geschäftliche Interessen in der Hofheimer Lokalpolitik bedient werden. Da wird dann auch schon mal der Bürgermeister von seinen eigenen Leuten beiseite geschubstheute Abend ist das live zu erleben.

Die E-Mail wurde am Montag vergangener Woche, 22. November, um 10.19 Uhr abgeschickt. Unterzeichnet war sie – „mit freundlichen Grüßen“ – von Michael Henninger. Der 56-Jährige teilte mit, dass seine CDUFraktion einen Vorschlag habe, wer die Kreisstadt künftig in der Verbandskammer des Regionalverbandes vertreten soll:

Nämlich er selbst, Michael Henninger.

Für die meisten Empfänger der E-Mail war das eine Überraschung. Denn eigentlich war der wichtige Posten bereits dem CDU-Bürgermeister zugedacht: Der Magistrat hatte sich ausdrücklich für Christian Vogt ausgesprochen.

Die Henninger-Mail aber zeigt: Wenn’s um die eigenen Interessen geht, wird der Bürgermeister rüde ausgebootet – selbst von seinen eigenen Leuten. Und einige Bürgervertreter in der Opposition spielen da gerne mit – wenn sie denn nur ein Pöstchen dafür bekommen.

Bürgermeister Vogt: Vorschlag für die Mülltonne

Zum besseren Verständnis des ganzen Vorgangs müssen wir uns kurz den Regionalverband FrankfurtRheinMain anschauen: Es handelt sich um eine Art Behörde, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Die rund 120 Mitarbeiter (Chef: Thomas Horn, früher Bürgermeister von Kelkheim, ebenfalls CDU) sind u.a. damit beauftragt, den „Regionalen Flächennutzungsplan“ zu erstellen und fortzuschreiben. Dieser Plan ist essentiell für die Entwicklung der ganzen Region: Er legt fest, wo Wohn- und Gewerbeflächen zu finden sind bzw. entstehen sollen.

Das zentrale Gremium des Verbandes bildet die sogenannte Verbandskammer. Darin sitzen Vertreter aller Kommunen der Region: Gemeinsam bilden sie das höchste und wichtigste Entscheidungsorgan des Verbandes.

Eigentlich sollten Hofheims Lokalpolitiker bereits vor einem Monat einen Vertreter plus zwei Stellvertreter für die Verbandskammer bestimmen. Es war in der Stadtverordnetenversammlung am 3. November gegen 20 Uhr, Tagesordnungspunkt 12: In Vorlage Nummer 2021/159 empfahl der Magistrat, Bürgermeister Christian Vogt (CDU) zu entsenden. Als Stellvertreter sollten die hauptamtlichen Rathaus-Beigeordneten Bernhard Köppler (SPD) und Wolfgang Exner (CDU) fungieren.

Bürgermeister Vogt
Zum Vergrößern anklicken: Der Magistrats-Vorschlag sah Christian Vogt als Vertreter vor.

Die komplette Behördenspitze im Regionalverband: Das ist vielerorts üblich, macht angesichts der Bedeutung des Gremiums und der komplexen Thematik auch Sinn. Gleichwohl wurde das Thema vertagt. Eine Begründung war nicht erkennbar; die Lokalzeitung berichtete, dass es eigentlich keine Probleme mit dem Magistrats-Vorschlag geben könne, „da die SPD mit dieser Regelung einverstanden sein dürfte.“

Wie man sich doch irren kann! Mit Henningers E-Mail vom 22. November landete der Magistrats-Vorschlag in der Mülltonne. Die CDU hatte den Namen ihres eigenen Bürgermeisters ebenso von der Liste getilgt wie den ihres Beigeordneten Exner. Jetzt sollte da nur noch Michael Henninger stehen.

Bei internen Absprachen signalisierten die meisten Stadtverordneten ihre Zustimmung. Das überrascht, denn eigentlich dürften alle Stadtverordneten wissen, dass Michael Henninger kaum nach dem ehrenamtlichen Posten greift, weil er allein das Wohl der Stadt im Visier hat. Zu offensichtlich sind bei ihm immer wieder private bzw. berufliche Interessen durchscheinbar:

Henninger ist Geschäftsführer beim norddeutschen Immobilienkonzern Frank, leitet dessen Depandance in Hofheim: Als Geschäftsführer der Frank Projektentwicklung Rhein-Main GmbH ist er für Bauvorhaben in Frankfurt und Umgebung zuständig.

Auf einer Internetseite werden Henningers Aufgaben so benannt: „Entwicklung/Kauf von Grundstücken, Bebauung von Grundstücken mit Wohnanlagen, Verkauf von Wohnungen an Endkunden und Investoren sowie Finanzierung mit Banken und privaten Geldgebern“.

Diese Job-Discription macht deutlich, was den Mann wirklich antreibt: In der Verbandskammer wird, salopp formuliert, darüber entschieden, in welchen Gegenden der Region aus billigem Ackerland wertvolles Bauland werden soll. Wer dem Gremium angehört, gewinnt Zugang zu wertvollen Bauland-Informationen. Mehr kann man als Chef eines in der Bauwirtschaft tätigen Unternehmens nicht erreichen.

In den letzten Jahren musste sich Henninger mit dem Posten des Stellvertreters begnügen. Heute Abend wird er aller Wahrscheinlichkeit nach am Ziel sein.

Henninger verfolgt immer wieder eigene Interessen

Unzweifelhaft bringt er das notwendige Fachwissen für die Aufgabe mit, das erkennen selbst seine Kritiker an. Doch zu oft agiert er in einer Grauzone: Ein mögliches Engagement für die Allgemeinheit ist bei ihm angesichts der offenkundigen Verfolgung eigener Interessen kaum mehr auszumachen.

So gründete Henninger Mitte letzten Jahres zusammen mit dem Bau- und Projektentwickler Michael Weiß die Projektgesellschaft: „Auf den Gleichen“. Für das gleichnamige Gebiet unweit der Rhein-Main-Therme sieht der Flächennutzungsplan bis heute kein Bauland vor. Die neue Firma spekuliere wohl auf eine Änderung des Flächennutzungsplans, argwöhnte eine Lokalzeitung: Denn beim Regionalverband liege inzwischen ein Entwicklungskonzept, wonach in dem Gebiet durchaus Wohnbauflächen entstehen könnten. Noch ist nichts entschieden. Aber das Duo Henninger/Weiß hat schon einen Fuß in der Tür…

In diesem Jahr wurde bekannt, dass die Firma Weiß im Baugebiet Langgewann III mehr als 50 Luxuswohnungen bauen will. Auf dem Gelände befand sich ein städtisches Grundstück, das für eine Schulerweiterung freigehalten wurde. Ohne lange zu diskutieren änderten die Stadtverordneten den Bebauungsplan (damals regierte die CDU mit SPD, FWG und FDP), dann bekam Henningers Buddy das Grundstück verkauft: einfach so, ohne Ausschreibung, ohne Information der Öffentlichkeit – und zum Schnäppchenpreis.

So geht Lokalpolitik in Hofheim. Bei der Planung des Mega-Baugebiets Marxheim II (Römerwiesen) sollte – wieder ohne Information der Öffentlichkeit – ein Auftrag in sechsstelliger Höhe an eine Firma vergeben werden, die zur Unternehmensgruppe  Frank gehört, wo Henninger als Geschäftsführer tätig ist. Problem: Die Firma erfüllte nicht die geforderten Kriterien, hatte außerdem das teuerste Angebot abgegeben. In Henningers CDU-Fraktion störte sich niemand daran. Auch die damaligen Koalitionspartner SPD, FWG und FDP schauten willfährig weg. Erst der Linke Bernd Hausmann grätschte dazwischen: Er alarmierte die Aufsichtsbehörden, am Ende gab die Stadt klein bei. Die Ausschreibung soll demnächst wiederholt werden.

Und nun soll Michael Henninger im Regionalverband seine eigenen Interessen hintanstellen und zum Wohl der Kreisstadt Hofheim in der Verbandsversammlung tätig werden? Kann das was werden?

In Kungelrunden wurden Grüne und SPD eingefangen

Henningers Entsendung könnte von den Stadtverordneten, rein theoretisch, heute Abend noch verhindert werden. Die CDU hat mit ihren kleinen Koalitionspartnern FDP und FWG in der Stadtverordnetenversammlung keine Mehrheit. SPD und Grüne könnten deshalb gemeinsam mit der BfG und den Linken auf eine Entscheidung der Vernunft bestehen und zum Vorschlag des Magistrats zurückkehren: Der Bürgermeister solle, wie andernorts üblich, den Job übernehmen.

Dazu wird’s kaum kommen. Mit ein paar „Leckerlis“ konnte die CDU-Fraktion die Opposition ganz leicht einfangen und auf Linie bringen:

Grünen-Fraktionschef Daniel Philipp wollte gerne erster Stellvertreter werden – den Job soll er haben. Und auch die SPD kriegt was vom Kuchen ab: Sie darf ihren Stadtrat Köppler als zweiten Stellvertreter entsenden.

So wird die Entscheidung heute Abend fallen. Ein französischer Moralist prägte das Wort: „Man sollte der Opposition stets einen Knochen zum Nagen lassen.“

Anders ausgedrückt: Mit vollem Mund opponiert man nicht. In Hofheim funktioniert das wirklich!

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Nachtrag an diesem Mittwoch um 19.20 Uhr: Die Wahl hat stattgefunden – geheim. Barbara Grassel von den Linken kritisierte noch die neue „Allparteien-Koalition“: Noch vor einem Monat habe eine große Übereinstimmung unter den Oppositionsparteien geherrscht, dass man keinen Vertreter der Bau- oder Immobilienwirtschaft in die Verbandskammer schicken wolle, „weil eine solche Person eine besondere Sicht auf die Flächenausweisungen habe“. Jetzt wetteifere man um die Gunst der CDU, weil man auf eine Stadtratsstelle hoffe.

Grassel schlug ihren Ehemann Bernd Hausmann als Alternativ-Kandidaten vor, damit „wenigstens eine echte Wahl stattfinden kann“. Das Ergebnis fiel wie erwartet aus: Michael Henninger (CDU) wird die Stadt künftig in der Verbandskammer vertreten, Daniel Philipp (Grüne) wird sein erster, Bernd Köppler (SPD) sein zweiter Stellvertreter.

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Das Bild oben zeigt Christian Vogt mit der Fahne „Frei leben ohne Gewalt“ der Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“. Die Flagge wurde vergangene Woche vor dem Rathaus gehisst – laut Vogt als ein deutliches Zeichen dafür, dass körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt gegenüber Menschen in Hofheim nicht geduldet werde.

Foto: Stadt Hofheim

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