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Vorderheide II: SPD steigt aus! Und jetzt die Rechnung bitte

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Die Pläne für das Baugebiet Vorderheide II sind nur noch Makulatur – endgültig! Denn Hofheims SPD-Fraktion hat sich darauf verständigt, aus dem umstrittenen Projekt auszusteigen. Ein Gericht hatte den Bebauungsplan Anfang Dezember für null und nichtig erklärt, aus der CDU waren jedoch sofort wieder Überlegungen laut geworden, wie man das geplante Wohnviertel doch noch retten könne. Aus und vorbei: Ohne SPD gibt’s im Stadtparlament keine Mehrheit mehr dafür. Dafür tauchte eine neue Frage auf: Was hat uns die ganze Sache eigentlich gekostet? Erste Berechnungen lassen erwarten: Es wird teuer für Hofheim!

Es war der Polit-Flop des letzten Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts. Geleistet hat ihn sich Hofheims CDU, zeitweilig mit starkem Beistand der SPD, zuletzt mit freundlicher Unterstützung von FDP und FWG: Das geplante Villen-Viertel Vorderheide II, für das man bereit war, herrliche Natur und wertvolle Streuobstwiesen mit seltenen Tiervorkommen zu opfern – dieses Vorhaben war MItte Dezember von einem Gericht gestoppt worden:

Der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hatte den Bebauungsplan Nr. 134 für „unwirksam“ erklärt. All die aufwendige Planung, dazu das jahrelange juristische Gezerre – alles für die Katz‘?

Einige Kommunalpolitiker wollten es nicht wahrhaben: Überlegungen wurden bekannt, wie die Baupläne doch noch umgesetzt werden könnten. Doch nun dürften diese Träume endgültig geplatzt sein: Die SPD-Fraktion will nicht mehr mitmachen. Und ohne die SPD gibt’s für Vorderheide II keine Mehreit mehr im Stadtparlament.

Das ganze Projekt ist damit endgültig gescheitert. Faktisch tot.

Vorderheide II
Dieser Piepmatz, der Gartenrotschwanz, wird im OVG-Urteil ausdrücklich erwähnt: Für sein Überleben hat die Stadt nicht genug Sorge getragen.

Noch liegt das Urteil im Wortlaut nicht vor; die Pressemitteilung des Gerichts aber ließ erkennen, dass es deutlich und unmissverständlich formuliert sein dürfte: Es handele sich bei Vorderheide II um ein „faktisches Vogelschutzgebiet“, die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen genügten „nicht den gesetzlichen Anforderungen“, die „regionalplanerischen Wohndichtevorgaben“ würden deutlich unterschritten und ließen damit „den gebotenen sparsamen Umgang mit Grund und Boden vermissen“.

Seit die Freudengesänge der Naturschützer und ihrer Freunde wie auch das Wehklagen der Bau-Investoren und ihrer Unterstützer etwas leiser geworden sind, zeichneten sich drei mögliche Szenarien für das weitere Vorgehen ab:

Szenario 1: Die Stadt nutzt ihre letzte juristische Chance und klagt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dagegen, dass keine Revision zugelassen wurde. So ein Verfahren dauert lange, erfahrene Juristen schätzen zudem die Erfolgsaussichten für die Stadt als sehr gering ein.

Szenario 2: Die Stadt könnte den (ungültigen) Bebauungsplan durch einen neuen ersetzen. Sie plant die Wohnhäuser so, wie man heutzutage baut: quadratisch, praktisch, groß – und dicht an dicht. Das notwendige planerische Verfahren dürfte allerdings einige Jahre dauern, und es dürfte zudem schwierig werden, die naturschutzrechtlichen Auflagen zu erfüllen.

Szenario 3: Die Stadt gibt auf. Sie verzichtet auf weitere (teure) Rechtsmittel, anerkennt das breite Bürgerinteresse und schützt die wertvolle Natur.

Die Verantwortung für das weitere Vorgehen liegt bei der Stadtverordnetenversammlung. Da hat sich in den letzten Monaten einiges geändert.

Vorderheide II: Jetzt hat die Opposition die Mehrheit

Bis vor einem Jahr bildeten CDU, SPD, FWG und FDP eine große Koalition: Mit übergroßer Mehrheit konnten sie alle Vorhaben durchsetzen (oder auch ablehnen) – und so auch ihre Pläne für Vorderheide II weiter verfolgen.

Nach den Wahlen im März letzten Jahres stieg die SPD aus der Koalition aus. Seither regiert in Hofheim eine Minderheitskoalition: CDU (15 Mandate), FDP (3) und FWG (4) stellen zusammen 22 Stadtverordnete.

In der Opposition sitzen die Grünen (11 Mandate), die „Bürger für Hofheim“ (4), die Linken (2) und jetzt eben auch die SPD (6) – zusammen bringen sie es auf 23 Stadtverordnete.

Im Fall Vorderheide II kommt für CDU/FDP/FWG hinzu: Stadtverordnete, die in dem Gebiet ein Grundstück besitzen, dürfen an Abstimmungen wegen Befangenheit nicht teilnehmen. In der Regierungskoalition sollen aktuell angeblich vier Stadtverordnete befangen sein.

Das hat zur Folge: Wenn sich die Oppositionsfraktionen im Stadtparlament einig sind, können sie über die Zukunft von Vorderheide II entscheiden.

Es deutet alles darauf hin, dass das jetzt geschieht.

Grüne und Linke waren von Anfang an gegen die Zerstörung der wertvollen Streuobstwiesen. Die BfH war anfangs für eine Bebauung, hat sich aber nach den Wahlen neu aufgestellt und gegen eine Bebauung ausgesprochen.

Die SPD ist das Zünglein an der Waage. Vermutlich hatte CDU-Fraktionschef Alexander Kurz potentielle Überläufer im Visier, als er nach dem Urteil über die FAZ verlauten ließ: „Wenn in Hofheim langfristig noch bezahlbarer Wohnraum bereitstehen soll, wird dies nicht ohne die Ausweisung neuer Baugebiete möglich sein, und das heißt, dass die Bedürfnisse der Menschen bei der Güterabwägung möglicherweise stärker berücksichtigt werden sollten.“

Bezahlbarer Wohnraum – das klingt in den Ohren von Sozialdemokraten wie der Gesang der Sirenen. Doch der kalt-berechnende Zynismus in den Worten des CDU-Mannes war diesmal unüberhörbar: In Vorderheide II hat die CDU niemals bezahlbaren Wohnraum bauen wollen, ganz im Gegenteil, sie plante ein Villen-Viertel. Und bei der Güterabwägung haben Hofheims Christdemokraten bisher weniger die Bedürfnisse „der Menschen“ berücksichtigt als vielmehr die Bedürfnisse der Investoren.

Vor diesen Karren will sich die SPD offenbar nicht länger spannen lassen: Eine fraktionsinterne Abstimmung habe ergeben, dass man die Bebauung von Vorderheide II nicht weiter verfolgen wolle. Das Thema werde in Kürze auch noch im Parteivorstand besprochen, „ich denke aber, dass es da keine Überraschungen geben wird“, sagt Fraktionssprecher Alexander Tulatz

Das war’s dann mit der Bebauung von Vorderheide II. Die CDU ist mit ihren Bauplänen endgültig gescheitert.

Vorderheide II: Die dicke Rechnung kommt erst noch

Ende gut, alles gut? Für die Natur ja – für die Hofheimer bestimmt nicht: Denn demnächst wird ihnen die Rechnung präsentiert. Das könnte womöglich noch heftige Schmerzen verursachen:

Linken-Fraktionsvorsitzende Barbara Grassel hat bereits schriftlich angefragt, welche Kosten der Stadt Hofheim mit dem Bebauungsplan  Vorderheide II entstanden sind – für die umfangreiche Planung, für externe Beratung und für viele Gutachten, aber auch für für Anwälte und noch mehr Gutachten in einem jahrelangen Gerichtsverfahren.

Ein Teil der Ausgaben ist bereits bekannt und verbucht. Ein großer Teil aber ist noch offen. Und eine ganz dicke Rechnung könnte noch kommen. Zum besseren Verständnis müssen wir kurz etwas ausholen:

Die Vorderheide II war vor mehr als zehn Jahren als mögliches Bauland ausgewiesen worden. Eine 2008 gegründete Projektentwickungsgesellschaft wollte dort groß einsteigen: Sie heißt „Entwicklungsgesellschaft Hofheim mbH & Co.KG“ – kurz EGH – und ist ein Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, führend dabei die Frank Bau- und Immobiliengruppe. Letztere hat mit einem ihrer Geschäftsführer – Michael Henninger – eine Art ständigen Vertreter in der Hofheimer CDU-Fraktion sitzen.

2009 schloss die Stadt mit der EGH einen sogenannten Managementvertrag ab. Der umfasst zwölf Seiten und sieht unter anderem vor, dass die Stadt für einen Bebauungsplan sorgt und dafür ein Pauschalhonorar in Höhe von insgesamt 156.000 Euro (zzgl. Mehrwertsteuer) erhält.

2012 verlangten die Grünen Auskunft über die bis dahin angefallenen Kosten. Die Stadtverwaltung antwortete: Knapp 45.000 Euro habe die Stadt ausgegeben, hinzu kommen 27.000 Euro bei den Stadtwerken. In einem Verwaltungspapier mit der Nummer 2012/013 ist außerdem vermerkt: Es fielen Planungsleistungen in Höhe von 123.000 Euro an, die durch das vereinbarte Pauschalhonorar abgedeckt seien. Allerdings würden diese Kosten „für die Stadt anfallen, wenn das Wohngebiet Vorderheide II nicht umgesetzt würde“.

Das war vor zehn Jahren. Jetzt wird das Wohngebiet nicht umgesetzt – und die EGH dürfte ihre erste dicke Rechnung ans Rathaus schicken. Damit wären der Stadt bereits Kosten in Höhe von 200.000 Euro entstanden – bis 2012.

Heute sind wir zehn Jahre weiter.

Seither wurden jede Menge weiterer Gutachten zum Natur- und Artenschutz erstellt. Der Bebauungsplan musste wegen zahlreicher Anpassungen noch einmal weitgehend erneuert werden. Das juristische Tauziehen vor Gericht zog sich über viele Jahre hinweg und war bestimmt nicht billig.

Auch die EGH wird nicht untätig geblieben sein. 2016 zeigte sich ihr Geschäftsführer Ronald Klein-Knott noch optimistisch und verkündete, dass man „das Urteil des OVG mit Gelassenheit“ erwarte. Dementsprechend dürfte er die Planung vorangetrieben haben, koste es, was es wolle…

Jetzt heißt es: Die Rechnung, bitte! Welche Ausgaben fielen bisher für die Stadt an? Und welche Forderungen könnten aus dem Managementvertrag noch auf die Stadt zukommen? Zwei Fragen, deren Beantwortung richtig weh tun kann:

Hofheims Bürgerinnen und Bürger werden für das rechtsfehlerhafte Vorgehen der Stadt beim Bebauungsplan Vorderheide II richtig teuer bezahlen müssen.

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3 Kommentare

  1. DererVonZiethen

    Zitat: „Damit dürfte Vorderheide II endgültig gestorben sein“
    Es wäre schön, wenn´s denn so einfach wäre.
    Denn die Mega-(dumme) „Landautobahnverbindungsstraße“ von Marxheim über Kriftel nach Hofheim-Elisabethenstraße, in Richtung A66, kurz auch als „B519 neu“ bekannt, köchelt seit nunmehr über 40 Jahren so vor sich hin. Immer mal wieder wird der Bürger Kriftels eruptionsartig aufgeschreckt, wie bei dem Vulkan in La Palma. Und man hofft, daß auch das Problem endlich mal ad acta gelegt wird.
    Und so wird´s m.E. auch mit dem Paradies-Grundstück „Vorderheide II“ weiter gehen.
    Denn die von der CDU geben bestimmt nicht einfach kleinlaut nach. Nein! Prozesse, die jetzt geführt werden (können), kosten ja nix! Jedenfalls nicht diejenigen, die die Anwälte für die Prozesse beauftragen werden. Das zahlt eines Tages „nur“ der Steuerzahler.
    Nicht heute, aber 100%-ig irgendwann…

    7. Januar 2022
    |Antworten
  2. Karin Lübbers

    Was mich immer wieder sehr irritiert, ist die Tatsache, daß Stadtverordnete so tief in die Geschäfte verwickelt sind.
    Sie schreiben:
    ‚die Vorderheide II war vor mehr als zehn Jahren als mögliches Bauland ausgewiesen worden. Eine 2008 gegründete Projektentwickungsgesellschaft wollte dort groß einsteigen: Sie heißt „Entwicklungsgesellschaft Hofheim mbH & Co.KG“ – kurz EGH – und ist ein Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, führend dabei die Frank Bau- und Immobiliengruppe. Letztere hat mit einem ihrer Geschäftsführer – Michael Henninger – eine Art ständigen Vertreter in der Hofheimer CDU-Fraktion sitzen‘.

    Wie kann jemand, der so große persönliche Interessen (und Vorteile) an solchen Projekten hat, denn ein neutraler Vertreter für die Bürger*innen von Hofheim sein? Außerdem wird Herr Henninger in seiner Partei sicherlich Stimmung für solche Projekte machen, denn weshalb sollte er sich ins eigene Fleisch schneiden? Man könnte den Eindruck gewinnen, daß es immer wieder um persönliche Gefälligkeiten geht, wenn in Hofheim gebaut wird/gebaut werden soll. Gemeinwohl sieht für mich anders aus.

    8. Januar 2022
    |Antworten
    • Bruce Willies

      Bürger*innen ist süß💋💋💋

      11. Januar 2022
      |Antworten

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