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Invasion der Galgenvögel: Plastikraben erobern Rathaus-Fassade 

Gepostet in Allgemein

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Nicht nur auf dem ersten Blick sieht es furchterregend und abstoßend aus: Dutzende Raben haben Hofheims Rathaus besetzt. Dutzende? Es sind weit mehr als hundert dieser dämonischen Tiere, die auf allen Brüstungen der vier Stockwerke sitzen und stumm und unbeweglich nach unten starren…

Erst bei genauerem Hinsehen wird erkennbar: Es sind gar keine echten Tiere. Schwarze Plastikraben haben die Fassaden und das Dach des Amtsgebäudes in Beschlag genommen! Offenbar hat die Stadtverwaltung ganz überraschend und ohne Vorankündigung eine groß angelegte Abwehrschlacht gegen eine angebliche Taubenplage in der Kernstadt begonnen. Dabei ist es mehr als fraglich, ob sie auf diese Weise gewinnen kann: Die Fachwelt lacht über solche Vogelattrappen-Installation – die Tauben übrigens auch…

Plastikraben
Eingekreist: Hier sitzen die Plastikraben von Hofheim. In Wahrheit sind’s viel mehr: Insgesamt wurden nahezu 200 an den Rathaus-Fassaden angebracht.

So nimmt der Kampf gegen die „Ratten der Lüfte“ in Hofheim inzwischen bizarre Züge an. Kurz vor dem Jahreswechsel hatten die Stadtverordneten auf Drängen der CDU beschlossen, dass ein Taubenhotel in der Kreisstadt gebaut werden soll. 100.000 Euro wurden dafür veranschlagt. Das Geld wurde im städtischen Etat eingeplant, noch in diesem Jahr soll mit dem Hotel-Neubau begonnen werden.

Den Verantwortlichen im Rathaus dauert das wohl zu lange. Auf die Schnelle haben sie deshalb im Tauben-Abwehrkampf gewaltig aufgerüstet: Sie gaben eine Massenbestellung auf und ließen geschätzt 200 Plastikraben an den Außenfassaden des Rathauses installieren.

Da hocken sie jetzt, die schwarzen Tiere, die in der Mythologie als Aasfresser den Teufel begleiteten und als Unglücksraben Schaden ankündigten. Sie sitzen vor den Bürofenstern der Stadtverwaltung auf allen Mauervorsprüngen und Fensterbänken, vom Erdgeschoß bis hoch zur Dachkante, zwischen ihnen ist mal zwei bis drei Meter, manchmal auch nur ein Meter Abstand.

Mit diesen schwarzen Vögeln war für die Menschen vor einigen Hundert Jahren eine gruselige Botschaft verbunden: Das Auftauchen großer Raben-Schwärme galt als Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz.

Und jetzt bevölkern ausgerechnet diese Galgenvögel in Massen das Rathaus der Kreisstadt Hofheim!

Empfang
Schwarzes Begrüßungskomitee vorm Rathaus: Links neben dem Haupteingang sitzt alle paar Meter ein Rabe.

Es galt schon immer: Raben bringen Unglück 

Raben tauchen in etlichen geflügelten Worten auf, sie geben preis, wie wir Menschen über die Tiere denken, es klingt nie positiv

Wir sprechen von einem „rabenschwarzen Tag“, wenn alles schiefgegangen ist. 

Im Kinderlied „Hoppe hoppe Reiter“ fällt der Reiter in den Graben – und schon „fressen ihn die Raben“. 

Wir kennen den „Unglücksraben“: Das ist einer, der fortlaufend Pech hat und vom Unglück verfolgt wird

Zur Abwehr von Unheil war es dunnemals Brauch, tote Raben an die Haustür zu nageln. 

Und jetzt sehen wir fast 200 schwarze Raben vor den Fenster den Hofheimer Rathauses:

Hallo Stadtverwaltung, was wollt ihr uns damit nur sagen?

Plastikrabe
Einer von rund 200 Hofheimer schwarzen Rathaus-Raben.

Tauben erkennen, wenn der Feind nicht echt ist

Auch das Image der grauen Stadttauben ist – ganz anders als das der hübschen Friedenstauben – nicht sonderlich gut: Die Vögel werden von vielen Menschen als unangenehm und widerlich empfunden. Hartnäckig hält sich der Verdacht, dass sie Krankheiten und Parasiten verbreiten. Ihr Kot verschmutzt die Umgebung, er soll angeblich sogar die Materialsubstanz von Gebäuden beschädigen. Tierschützer, zumal engagierte, sehen das bisweilen völlig anders, aber das ist ein anderes Thema…

Tauben sind Schwarmtiere, und sie sind vermehrungsfreudig. Das heißt: Wo ein paar sind, kommen sehr schnell viele andere hinzu (und machen entsprechend viel mehr Dreck). Tauben sind auch standorttreu, wobei sie Plätze bevorzugen, wo sie genug zu fressen finden.

Die Rathaus-Umgebung mit oftmals überfüllten Mülleimern und herumliegenden Pizza-Schachteln muss auf Tauben verlockend wirken wie das märchenhafte Schlaraffenland auf uns Menschenkinder.

Aber können Plastik-Raben vor den Rathaus-Fenstern die Tauben wirklich vertreiben? Oder ist die Stadtführung einmal mehr auf vollmundige Werbesprüche hereingefallen?

Beweis 3
Am Rathaus bereits jetzt zu sehen: Eine Tauben zeigen null Respekt vor der Raben-Attrappe.

Wir befragten dazu einen professionellen Schädlingsbekämpfer, der seinen Namen nicht öffentlich genannt sehen möchte („sonst krieg ich nie wieder einen Behörden-Auftrag“). Die Raben-Installation bezeichnet er als „schlechten Witz“: Als Anti-Tauben-Maßnahme funktioniere das allenfalls, wenn die Plastikvögel regelmäßig umgesetzt würden: „Aber das wäre natürlich sehr aufwendig, sprich ziemlich teuer.“

Die Intelligenz der Tauben werde oft unterschätzt, sagt der Fachmann, insbesondere, wenn es darum gehe, Gefahren und Feinde zu erkennen. „Tauben erkennen schnell Muster. Sobald sie bemerken, dass von einer Maßnahme keine Gefahr ausgeht, lassen sie sich nicht mehr beeindrucken und ergreifen nicht einmal kurzfristig die Flucht.“

Plastikraben könnten Tauben zwar auf Abstand halten, aber nur für kurze Zeit. „Bleibt der Plastikvogel stets am gleichen Platz, dann wissen die Tauben schnell, dass dieser Feind nicht echt ist.“

Genau das ist bereits am Hofheimer Rathaus zu beobachten: Tauben trippeln wieder munter über die Rathaus-Brüstungen – völlig unbeeindruckt von den schwarzen Feinden dicht unter, über und neben ihnen.

Beweis 1
Es ist schon passiert: Die Plastikraben sind durchschaut.
Beweis 2
Bilder zum Vergrößern anklicken: Wie gewohnt hocken Tauben (roter Kreis) auf den Brüstungen – ohne Angst vor den Rabenattrappen (Pfeil).

Wir lernen: Die Raben-Attrappen, die Hofheims Rathaus „schmücken“, vermögen nervige Tauben vielleicht kurzzeitig irritieren. Aber sie werden sie wohl nicht vertreiben.

Es gibt effektivere Taubenabwehr-Maßnahmen

Experten kennen weitaus bessere Maßnahmen, die erstens nicht so abstoßend auf uns Menschen wirken und zweitens wesentlich effektiver gegen Tauben wirken:

Spanndrähte anbringen – eine Methode, die auch vom Deutschen Tierschutzbund empfohlen wird.

Taubenspikes/Dornenabwehrsysteme zählen zu den effektivsten Methoden der Taubenabwehr: Metall- oder Plastikspitzen in V-Form versperren die beliebten Landeplätze. 

Kanten abschrägen – das ist in diesem Fall vermutlich nur mit großem Aufwand möglich. Rostfreies Blech müsste im 45-Grad-Winkel angebracht werden, so dass Vögel keinen Halt finden.

Am effektivsten soll allerdings ein allgemeines Fütterungsverbot wirken. Und niemals Essen, Essensreste oder Müll herumliegen lassen. Tauben merken sich, wo sie Nahrung finden – oder nicht. Und kehren dann immer wieder an diesen Ort zurück – oder eben nicht.

Hofheims Stadtverwaltung hat einen anderen Weg gewählt. Mit der Invasion der Galgenvögel läuft sie allerdings vor allem Gefahr, die Stadt erneut bundesweit der Lächerlichkeit preiszugeben – wie zuvor mit der geplanten (und zum Glück rechtzeitig geplatzten) Anschaffung einer Luftreinigungsmaschine namens „City Tree“ für den Kellereiplatz.

„Hofheim liegt direkt neben Schilda“, spöttelte damals die FAZ. Wenn wir uns heute das Rathaus anschauen: Da könnte wirklich viel Wahres dran sein…

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4 Kommentare

  1. Hebling

    Eine gute Möglichkeit, einen gewissen Einfluss auf Tauben zu bekommen, ist die Ansiedlung von Turmfalken. Tauben sind Fluchttiere und haben vor Greifen ordentlich Respekt.

    Potentielle Orte gibt es genug, Rathausdachkante, hohe Bäume, Chinon-Centerdach… geplante Radbrücke….

    Sowas wird durchaus gemacht… in Zusammenarbeit mit Spezialisten oder vielleicht bei uns sogar mit der Falknerei auf dem Feldberg.

    Nisthilfe schaffen und junge Falken ansiedeln; evtl. mehrere Anlagen.

    Einen Versuch zusammen mit den Naturschutzverbänden wäre es wert und ein Beitrag gegen Plastik für Biodiversität.

    Naturschutz geht natürlich am besten.

    8. Januar 2023
    |Antworten
  2. Ron

    Gibt es eigentlich einen (kostspieligen) Fettnapf, den die Hofheimer Stadtverwaltung auslässt?

    8. Januar 2023
    |Antworten
  3. Benno

    Unfassbar! Kann denn niemand eingreifen? Wer könnte dieser Verwaltung helfen, dass sie endlich in die Spur kommt?

    9. Januar 2023
    |Antworten

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