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Polar-Investoren gründeten neue Polar-Firma – im Steuerparadies

Gepostet in Allgemein

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Das Traditionsunternehmen Polar Mohr wurde an Investoren verkauft und soll umziehen. Auf dem Firmengelände in der Kernstadt sollen Hunderte neuer Wohnungen gebaut werden. Dafür soll in Diedenbergen ein gewaltiges Gewerbegebiet entstehen, mit einem riesigen Möbelhaus und etwas Platz für Polar… Die Nachrichten überschlugen sich in den letzten Wochen, die Stadtspitze macht seither gewaltig Druck: Bereits an diesem Mittwoch soll das Stadtparlament weitreichende Entscheidungen treffen. Doch blickt überhaupt noch einer richtig durch? Die neue Polar-Eigentümer sind ausgebuffte Sanierungsexperten: Sie haben ein komplexes Polar-Firmenkonstrukt bereits vor Bekanntgabe der Übernahme aufgebaut. Es lohnt sich, genauer hinschauen: Eine Spur führt in ein bayerisches Steuerparadies. Die Stadt Hofheim könnte am Ende das Nachsehen haben.

Die Persuastraße zählt zu den teureren Pflastern in München. Sie ist eine direkte Verbindung zwischen Residenzstraße und Theatinerstraße, eine reine Fußgängerstraße in allerfeinster Lage der bayerischen Landeshauptstadt.

In Haus Nr. 5 befinden sich die Amtsräume einer Notarin. Hier fand kurz vor dem Jahreswechsel ein Treffen statt, das bis nach Hofheim ausstrahlen sollte – auf unabsehbare Zeit:

Es war am 27. Dezember, als die 51-jährige Sandra G. bei der Notarin eine Vollmacht der „Blitzstart Holding AG“ vorlegte: Sie wollte bei einer Firma namens „Blitz 22-970 GmbH“ – es handelte sich um eine dieser sogenannten „Vorratsgesellschaften“, die für eilige Firmengründungen verwendet werden – wichtige Änderungen notariell beurkunden lassen:

Der Firmenname sollte in „Polar-Mohr Beteiligungs GmbH“ abgeändert werden. Als Geschäftsführer sollte fortan Haiko Stüting, geboren 1979 in München, fungieren. Und als neuer Firmensitz wurde das bayerische Kleinstädtchen Unterhaching angegeben.

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Dieses Bild hat die Polar Mohr-Üressestelle herausgegeben.

Damit sind wir mittendrin im heißen und bisweilen recht undurchsichtigen Poker um „Polar Mohr“, dem Hofheimer Traditionsunternehmen, das in eine bedrohliche Schieflage geraten ist und sich jetzt eine neue Zukunft erhofft. Seit gut anderthalb Monaten werden nahezu im Wochenrhythmus Nachrichten verkündet, die aufbauend klingen sollen und doch immer neue Fragen aufwerfen.

Zugleich drängelt die Stadtspitze, dass wichtige Entscheidungen möglichst umgehend – noch in dieser Woche! – getroffen werden müssten:

Ende Dezember hieß es, der Projektentwickler Horn aus Kelkheim habe das komplette Polar-Mohr-Firmengelände an der Hattersheimer Straße gekauft: Die Gewerbeflächen müssten jetzt für den Wohnungsbau freigegeben werden – schnellstens!

Im Januar hieß es dann, für Polar Mohr sei ein neuer Standort gefunden worden: Weite Wiesen und Felder in Diedenbergen – sie müssten nur noch zu Gewerbeflächen umgewandelt werden, ein riesiges Möbelhaus gebe es obendrein, es müsse allerdings schnell gehen, ganz schnell!

Und jetzt, im Februar, wurde ein neuer Eigentümer für Polar Mohr präsentiert, der sich mit markigen Worten vorstellte: Die Zukunft des Unternehmens sei gesichert, man werde die Marktführerschaft weltweit weiter stärken und ausbauen. Die Pressemitteilung klingt wie eine Lautsprecher-Durchsage: Branchenleader! Produktivitätssteigerung! Innovationsführerschaft! Die 300 Jobs will man angeblich retten; nur wer genau hinschaut erfährt: Die Arbeitsplätze sollen „im Rahmen des Betriebsübergangs erhalten“ bleiben. Was danach passiert? Offen.

Da stellen sich schon viele Fragen. Doch Hofheims Stadtspitze wirkt wie auf Speed, versucht hektisch Druck zu machen. Schon in dieser Woche, an diesem Mittwochabend, sollen die Stadtverordneten Entscheidungen treffen, die angeblich unumgänglich seien. Es gehe um Arbeitsplätze! Um Wohnungen! Um mindestens sechsstellige, in der Summe auch siebenstellige Gewerbesteuer-Einnahmen!

Zeit zum Nachdenken wird nicht gewährt, genaueres Hinschauen ist nicht möglich! Das allerdings ist bei einer so gravierenden und folgenschweren Sachlage immer verdächtig:

Blicken die im Rathaus überhaupt noch richtig durch? Wissen sie eigentlich, was bei Polar Mohr läuft?

Hofheim hat schlechte und vor allem teure Erfahrungen mit der unüberlegten Unterstützung von Unternehmen gemacht. Was bahnt sich hier an?

Wo ist all das viele Geld aus Grundstücksdeal Nr. 1?

Wir müssen ein wenig zurückschauen, um das ganze Ausmaß der wirtschaftlichen wie politischen Eruptionen erfassen zu können:

Erst Corona, dann Zulieferprobleme – diese Krisen-Ballung, so heißt es, habe Polar Mohr im Herbst letzten Jahres in die Knie gezwungen. Kenner der lokalen Wirtschaft formulieren die Gründe für den Firmen-Absturz hingegen so: Notwendige Anpassungen an sich verändernde Marktbedingungen seien zu zögerlich angegangen worden.

Es ist eine vornehme Umschreibung für langanhaltendes Managementversagen.

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Zwei Firmen auf einem Gelände: Polar Mohr fand einen Investor, die Zukunft von Dienst ist noch nicht klar.

Polar Mohr, 1906 als Adolf Mohr Maschinenfabrik gegründet, stellt Papierschneidemaschinen her, die Produkte sind in vielen Ländern im Einsatz. Ein typisches Familienunternehmen: Im Handelsregister finden sich mehr als ein Dutzend Namen aus der Mohr-Sippschaft. Nimmermüde feiert man sich als „Weltmarktführer für Schneidemaschinen“.

2011 übernahm Polar Mohr die „Dienst Verpackungstechnik GmbH“ in Hochheim, die 2020 auf das Firmengelände nach Hofheim umzog. Rund 70 Mitarbeiter bauen Maschinen, mit denen Pappkartons hergestellt werden, beispielsweise Pizzaschachteln. Auch hier klingt die Selbstdarstellung beeindruckend: Man sei „Premiumhersteller“ und „anerkannter Partner international führender Produzenten und Großkonzerne“.

Große Worte. Zum Überleben reichten sie nicht.

Es ist gerade mal eineinhalb Jahr her, es war im Oktober 2021, als Polar Mohr ein früheres Firmengelände („Werk II“) an der Homburger Straße versilberte. Auf dem 8.000 Quadratmeter großen Gelände will jetzt ein Projektentwickler aus Essen mehr als 100 Wohnungen errichten. Polar Mohr dürfte einen satten Millionenbetrag kassiert haben. 

Der Geschäftsführer versprach umgehend: Das Geld „bleibt im Unternehmen“.

Damals hieß es auch, Polar Mohr habe 450 Mitarbeiter. Heute, ein Jahr später, ist von 380, manchmal auch nur von 360 Mitarbeitern die Rede.

Wo ist all das viele Geld geblieben? Und wo sind all die Leute hin?

Für 20.000 m² Firmengelände werden 100.000 m² Natur geopfert

Im Herbst letzten Jahres rutschte das Unternehmen in die Insolvenz, rettete sich unter einen staatlichen Schutzschirm, das Arbeitsamt übernahm für einige Monate die Lohnzahlungen. Ein Heer von Rechtsanwälten, Steuerexperten und Beratern fiel in das Unternehmen ein. Gesucht wurde nach einem Ausweg aus der Krise.

Kurz vor Weihnachten wurde dann der Verkauf des kompletten Werksgeländes an den Kelkheimer Projektentwickler Horn verkündet, der dort Hunderte Wohnungen bauen möchte. Für Polar Mohr bedeutete das: Noch mehr Millionen-Einnahmen! Aber das war natürlich keine Lösung mehr: Ein Unternehmen unterm Schutzschirm, das sein Tafelsilber verhökert hat und kein Grundstück mehr besitzt – wie soll’s denn jetzt weitergehen?

„Wie Kai aus der Kiste“ tauchte da, im Januar war’s, Kurt Krieger auf. Der Berliner Milliardär, inzwischen 74 Jahre alt, hatte vor etlichen Jahren in Diedenbergen jede Menge Land „eingesammelt“: Er wollte dort eines seiner Höffner-Möbelhauser errichten, die Politik aber war damals strikt dagegen. Krieger bewies langen Atem, es sollte sich lohnen: Jetzt endlich soll er die Wiesen und Felder in wertvolles Gewerbegebiet umwandeln dürfen.

Wir haben den Plan der Stadtspitze unlängst vorgestellt: Kurt Krieger soll auf 100.000 Quadratmeter Grünland ein neues Gewerbegebiet anlegen. Auf einem Drittel der Fläche darf er ein riesiges Möbelhaus errichten. Im Gegenzug muss er Platz schaffen für ein neues Polar-Mohr-Firmengelände, wofür rund 20.000 Quadratmeter benötigt werden.

Ein tieferer Sinn dieser Planung ist bis heute nicht erkennbar: Polar Mohr benötigt nur 20.000 Quadratmeter – ein Neubau hätte mithin locker auf einer Teilfläche des heutigen Firmengeländes realisiert werden können, das immerhin rund 50.000 Quadratmeter umfasst.

Warum müssen jetzt zusätzlich 100.000 Quadratmeter Grün geopfert werden?

20230126 Krieger Planung
Mitten im Grünen – so stellte man sich im Rathaus das neue Gewerbegebiet in Diedenbergen vor. Auf der größten Fläche – blau unterlegt – soll ein Höffner-Möbelhaus entstehen.

Angesichts der gigantischen Ausmaße des Projektes – bei gleichzeitig größtmöglichem Handlungsdruck durch die Stadtspitze – mutet es etwas putzig an, wenn die neugegründete Hofheimer Ortsgruppe im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) darauf hinweist: Im geplanten Gewerbegebiet würden Hamster leben, weshalb vor einer kurzfristigen Beschlussfassung „dringend eine artenschutzrechtliche Überprüfung stattfinden“ solle.

Man möchte darüber schmunzeln: Können Hamster wirklich die gewaltigen Pläne für ein neues Gewerbegebiet bedrohen?

Aber dann erinnern wir uns: Vorderheide II, das Villenviertel auf dem Kapellenberg, das vor allem die CDU unbedingt durchsetzen wollte, scheiterte nicht zuletzt, weil sich dort ein kleiner Piepmatz heimisch fühlt…

Investoren bauten komplexes Firmenkonstrukt auf

Während sich der schlichte Hofheimer verwundert die Augen reibt – Polar Mohr verkauft kurzerhand sein komplettes Firmengelände, Tage später „entdeckt“ die Stadtspitze ein riesiges Gewerbegebiet, wo das Traditionsunternehmen hinziehen und zugleich ein monumentales Möbelhaus entstehen soll –, waren die Investoren hinter den Kulissen bereits ein paar Schritte weiter: 

An dem Tag, an dem Bürgermeister Christian Vogt die Pläne für das Gewerbegebiet verkündete – es war der 26. Januar –, tätigte Haiko Stüting einen größeren Einkauf. Wir kennen den Mann: Seit dem Termin bei der Münchener Notarin – siehe oben – ist er Geschäftsführer der „Polar-Mohr Beteiligungs GmbH“.

In dieser Funktion erwarb er jetzt bei einem Notar in Frankfurt eine weitere „leere“ Vorratsgesellschaft namens „Platin 2337. GmbH“. Stüting ließ sich auch hier als Geschäftsführer eintragen und gab der Firma den neuen Namen „Polar Cutting Technologies GmbH“.

Zwei neue Polar-Firmen binnen eines Monats. Und keiner hat was mitgekriegt?

Nur eine Woche später, wir haben Anfang Februar, folgte der Donnerschlag: „Österreichischer Investor kauft Polar Mohr“ titelten diverse Fachmagazine.

Neuer Eigentümer des Hofheimer Traditionsunternehmens, so hieß es, sei die „SOL Capital Management GmbH“ mit Sitz in Wien. Dahinter stehen drei Männer: Dr. Paul Niederkofler, Egmont Fröhlich – und der uns inzwischen gut bekannte Haiko Stüting. Es sind erfahrene Sanierungsexperten, die unbemerkt von der Öffentlichkeit und innerhalb weniger Wochen ein komplexes Firmenkonstrukt für Polar Mohr zusammengeschustert hatten:

Das einstige Traditionsunternehmen wurde übertragen auf die soeben neugegründete „Polar Cutting Technologies GmbH“ (AG Frankfurt, HRB 128337).

Gesellschafter – also Eigentümer – dieser Firma ist die „Polar-Mohr Beteiligungs GmbH“ mit Sitz in Unterhaching (AG München, HRB 280409).

Diese Firma gehört einer „SOL Polar Beteiligungs GmbH“: Diese dritte neue Polar-Firma war kurz vor Weihnachten in Wien gegründet worden (Firmenbuchnummer: FN 595231 s).

Gesellschafter dieser Firma wiederum ist eine „SOL-Drei EuVECA GmbH & Co KG“ in Wien (Firmenbuchnummer: FN 565317 z).

Und über dieser Firma steht, quasi als Muttergesellschaft, die „Sol Capital Management GmbH“ (Firmenbuchnummer: FN 554999 a).

Die Wiener Firmen haben ihren Sitz am Möllwaldplatz 3/TOP 9. Hier, in allerbester Lage der Hauptstadt Österreichs, laufen jetzt alle Fäden der einstigen Hofheimer Traditionsfirma Polar Mohr zusammen.

„Dienst“ ist übrigens nicht im Verkaufspaket enthalten. Für die 70 Mitarbeiter hält die Ungewissheit an. Eine Firmen-Pressemitteilung enthält für sie gerade mal zwei karge Sätze: Die Sanierung im Schutzschirmverfahren dauere an. „Hier laufen die Gespräche mit Interessenten auf Hochtouren weiter.“

In Unterhaching können Unternehmen viel Geld sparen

Das recht aufwendig anmutende Firmenkonstrukt dürfte unternehmerische und vor allem steuerliche Gründe haben und insoweit nicht unnormal sein. Wobei sich natürlich eine Frage stellt:

Warum wurde neben den neuen Polar-Firmen in Hofheim/Frankfurt und Wien noch eine dritte Polar-GmbH in Bayern gegründet, die dann auch noch aus der quirligen Metropole München ins beschauliche Unterhaching verlegt wurde?

Die Erklärung könnte ganz einfach sein:

Die bayerische 25.000-Seelen-Gemeinde hat ihren Gewerbesteuer-Hebesatz drastisch heruntergeschraubt, auf derzeit 295. Damit zählt Unterhaching zu den Kommunen in Deutschland, in denen Unternehmen relativ wenig Gewerbesteuer zahlen müssen.

Beim Hebesatz handelt es sich um einen Multiplikator zur Berechnung der Steuerhöhe, den die Kommunen selbst festlegen können. In Hofheim liegt er bei 370.  

Zum Vergleich: In Eschborn – diese Gemeinde gilt als hessische Steueroase – liegt der Gewerbesteuer-Hebesatz bei 330.

Aus Sicht von Investoren macht es also durchaus Sinn, eine Firmenzentrale in das bayerische Steuerparadies Unterhaching zu verlegen. So lässt sich ziemlich viel Geld sparen.

Wenn’s denn so kommt im Fall Polar: Dann stünde Hofheim leider ziemlich dumm dar. Aber würde uns das wirklich überraschen?

Keine Bürgerbeteiligung – dafür Kungelrunden

An diesem Mittwoch müssen sich die Stadtverordneten mit den Plänen der Rathausführung befassen (ab 18 Uhr, Stadthalle). Sie sollen zustimmen, dass ein Bebauungsplan für die Hattersheimer Straße aufgestellt wird, und sie sollen den aufwendigen Planungsweg für das Gewerbegebiet Diedenbergen mit dem riesigen Möbelhaus ebnen.

Das Ganze auch noch Dalli dalli, bitte!

Im Vorfeld zeichnete sich ab, dass die meisten Stadtverordneten die Vorschläge des Magistrats nahezu kniefällig hinnehmen wollen. Lediglich die Linken zeigen sich kritisch-distanziert, im Kern geht’s ihnen darum:

Das heutige Firmengelände an der Hattersheimer Straße solle weiterhin für Gewerbe zur Verfügung stehen; für neue Wohnungen sei schließlich das Baugebiet Marxheim II/Römerwiesen vorgesehen, dessen Planung endlich vorangetrieben werden müsse. Und überhaupt: Bei der künftigen Nutzung und Gestaltung des Polar-Mohr-Firmengeländes sollten die Bürger gehört werden, per echter Bürgerbeteiligung, dies unter Einbeziehung des nahen Grundstücks an der Elisabethenstraße, wo CDU-Bürgermeister Christian Vogt – bekanntlich gegen den Willen vieler Bürger – ein Hotel errichtet sehen möchte.

Nur am Rande: Inzwischen wird aus der Stadtspitze gestreut, dass Hofheim eigentlich ein neues, ein viel größeres Rathaus bräuchte. Vielleicht also doch kein Hotel an der Elisabethenstraße, dafür lieber ein neues Bürogebäude? Aber das ist jetzt ein wirklich ein anderes Thema…

Es ist das Schicksal der Linken, dass ihre Anträge von der Mehrheit der Stadtverordneten regelmäßig weggewischt werden. Damit ist auch an diesem Mittwoch im Stadtparlament zu rechnen. Die kleine Fraktion hat deshalb nachgelegt, was nicht unbedingt mehr Erfolg verspricht: Wenn Wohnungsbau entlang der Hattersheimer Straße, dann mindestens die Hälfte geförderter Wohnungsbau. Also bezahlbare Wohnungen. 

Die Grünen wehklagten angesichts des schwer nachvollziehbaren Handlungsdrucks durch die Stadtspitze: „Wir wollen nicht wieder geschubst und gedrängelt werden“, sagt die Stadtverordnete Bettina Brestel. Wohnungen an der Hattersheimer Straße: Damit kann sich die Partei noch abfinden. Aber ein riesiges Gewerbegebiet auf Wiesen und Felder: Damit tut man sich schwer, fürchtet allerdings, als Anti-Polar-Fraktion und Arbeitsplatzvernichter gebrandmarkt zu werden.

Zeit zum Nachdenken und für offene Diskussionen will die Stadtspitze nicht gewähren. Das hat inzwischen sogar auch die Lokalzeitung aufgeschreckt: Sie verlangt mehr Transparenz. „Es kann nicht sein, dass alles in einer kleinen, sich nicht öffentlich treffenden Runde weniger Stadtverordneter ausgekungelt wird.“

Wie wenig Einblick die Stadtverordneten haben, verrät eine Frage von Aaron Kowacs. Der junge SPD-Chef wollte letztens wissen, ob es eigentlich Garantien seitens Polar gebe. Die neue Firmenleitung „könnte ja plötzlich bekunden, doch nicht in den Gewerbepark Diedenbergen ziehen zu wollen.“

Die Stadtführung zog blank. „Der Erhalt des Standorts steht im Fokus auch der neuen Polar-Geschäftsführung“, befand Stadtrat Exner laut Lokalzeitung. Das war natürlich keine Antwort, aber aussagekräftig genug:

Es gibt keine Garantien. Allein die Investoren entscheiden über die Zukunft von Polar. Sie haben dabei nicht die Interessen der Kreisstadt Hofheim im Blick. Sondern allein ihre eigenen.

Vielleicht zieht das Unternehmen eines Tages nach Diedenbergen. Vielleicht aber auch nicht…

Dann hätte sich die Stadt Hofheim ziemlich verzockt.

Aber sie hätte ein riesiges Möbelhaus, mitten auf grüner Wiese…

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11 Kommentare

  1. Ohne Worte

    Sehr gut gemacht, leider waren sie damals noch nicht in Hofheim als der Aldi Deal lief.
    Es wird nicht helfen, aber unter den Gmbhs können die Mitarbeiter auch nicht sicher sein, das Polar bestehen bleibt.

    14. Februar 2023
    |Antworten
  2. Elisabeth

    Sie schreiben:
    ‚Im Herbst letzten Jahres rutschte das Unternehmen in die Insolvenz, rettete sich unter einen staatlichen Schutzschirm, das Arbeitsamt übernahm für einige Monate die Lohnzahlungen.‘

    Jedoch: Die Zahlung der Betriebsrenten fallen nicht unter diesen Schutzschirm und wurden eingestellt. Man verwies uns auf die PSVaG, die Insolvenzversicherung der Betriebsrenten. Von ‚Oma‘ Mohr wurde das Versorgungswerk Mohr e.V. als Verein gegründet, mit dem Ziel, die Betriebsrenten für die ‚Ehemaligen‘ sicher zu stellen ohne dass diese durch die ‚Mutter‘ angegriffen werden können. Welche Schachzüge dazu geführt haben, dass unsere Rentenansprüche in die Insolvenzmasse kamen, ist völlig undurchsichtig.

    Heute erhielten wir von der PSVaG ein Schreiben, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgenommen wurde. Es bestehe keine Eintrittspflicht. Jede/r soll für sich alleine an den Arbeitgeber wenden, die Adolf Mohr Maschinenfabrik oder die Polar-Mohr Maschinenvertriebsgesellschaft.?!!!?

    Gibt es die noch?

    Weiter schreiben Sie: ‚Kenner der lokalen Wirtschaft formulieren die Gründe für den Firmen-Absturz hingegen so: Notwendige Anpassungen an sich verändernde Marktbedingungen seien zu zögerlich angegangen worden.‘

    Die notwendigen Anpassungen an veränderte Marktbedingungen haben sich bereits in den 1990er Jahre abgezeichnet. Ein lukratives Geschäft war der Schnitt von Etiketten für die Kosmetikindustrie und von sog. Dosenwicklern. Schauen Sie in Ihr Bad und auf die Konservendosen: Wo gibt es da noch Papier-Etiketten? Außerdem wurde das Verfahren zum Kleben von Etiketten verändert, nämlich rollierend, in dem die Ware an einer Rolle vorbeigeführt wird und nicht von einem Stapel auf die Ware.

    Innovative Mitglieder der Geschäftsleitung wurden damals entlassen, anstatt auf deren Vorschlag zu hören, einen Forschungsauftrag an die UNI Darmstadt zu vergeben.
    Adolf Mohr jr., der leider verstarb, hatte das verstanden.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  3. Christof Eichner

    Vielen Dank für Ihre unermüdliche Recherche. Danke an die Opposition für die Wahrnehmung ihrer Pflicht als Opposition.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  4. Ralf Schneider

    Bis hierher gut recherchiert.
    Die Masche mit Zeitdruck wird sehr oft von Betrügern angewendet um dem Opfer keine Zeit zum Nachdenken zu geben. Dies habe ich selbst mit vielen Beamten div. LKAe und dem BKA besprochen und bei Betrugsopfern von Onlinekriminalität erlebt.
    Ein, hoffentlich besonnener, Bürgermeister Vogt wird hier hoffentlich den Druck rausnehmen.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  5. Irmgard

    Good Job Hr Ruhmöller und ganz herzlichen Dank dafür!
    Wir sind echt froh dass jemand das Gemauschel der Politik aufdeckt.
    Hier wird versucht Hofheim über den Tisch zu ziehen.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  6. Norbert Preusche

    Mir scheint es, Hofheim hat jetzt voll die Zeitenwende gepackt. Die Stadtspitze wird von einem Super-Projekt zum anderen getrieben. Ich muss sie nicht alle aufzählen. Aber eins ist klar zu sehen. Der Bürgermeister – ich nenne ihn hier mal Vorstandsvorsitzenden – muss mit seinem Führungsduo klar, transparent und offen die Strategie zukünftigen Handelns für die Stadt erarbeiten und vorgeben. Das nimmt ihm und seiner Führungsmannschaft keiner ab. Deshalb ist es aus meiner Sicht unbedingt erforderlich, dass Projekte dieser Größenordnung sehr gut vorbereitet sind. Zu raten ist dabei, die eigentlichen Entscheider – die Stadtverordneten – stets an der richtigen Stelle konstruktiv mitzunehmen. Hierbei kann ich aus viel Erfahrung nur sagen, gerade in Zeiten äußerster Beschleunigungsprozesse – nehmen sie sich Zeit. Im Trubel der Hofheimer Zeitenwende wächst einem dabei schnell alles über den Kopf – zumal heute auch die Bürgergesellschaft immer mitreden will und sollte. Das alles zu managen erfordert höchste Kunst unternehmerischer Fähigkeiten. Und vor allem Fingerspitzengefühl in der Kommunikation. Es geht bei allem um viel Geld und Geld ist Scheu wie ein Reh. Deshalb aufgepasst, jeder Schritt will gut überlegt sein.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  7. Aglef Tröger

    Über das zukünftige Verkehrsaufkommen in und um um Diedenbergen und die extreme Belastung der dort wohnenden Bürger durch dieses gewaltige Gewerbegebiet, machen sich die Verantwortlichen der Stadt Hofheim anscheinend keine Gedanken.
    Hauptsache der Profit- und Prestigesack wird ordentlich gegüllt, da kann der Bürger ruhig auf der Strecke bleiben.

    17. Februar 2023
    |Antworten
  8. Stefan

    Besten Dank – so sollte Kommunalpolitik eben nicht laufen. Übrigens, wer einmal „Haiko Stüting“ googelt wird feststellen das er vermutlich nicht an einer Fortführung von Polar unter seiner Leitung interessiert sein dürfte. LG Stefan

    27. Februar 2023
    |Antworten
  9. Jürgen Krämer

    Leider haben es die Gesellschafter nicht erkannt, dass der „letzte Geschäftsführer“ dies zum größten Teil verschuldet hat. Er hat die Marke „Dienst“ als 2. Standbein (falls Polar nicht mehr gut läuft) ausbluten lassen, die Mitarbeiter sind zuhauf geflüchtet, haben sogar eine neue Verpackungsfirma gegründet. Führungskräfte, welche genau dieses Drama haben kommen sehen, wurden entlassen. „Der Firmenstandort werde nie verkauft, da könnte sich die Familie Mohr in Hofheim nicht mehr sehen lassen“ – soweit die Aussage der Geschäftsleitung gegenüber besorgten Werkern.
    Und was ist jetzt? Die R*** verlassen das sinkende Schiff Adolf Mohr.

    16. März 2023
    |Antworten
  10. Michael

    Sehrt gut recherchiert vielen Dank.
    Der Trend wurde einfach verpennt und man hat sich nicht an den Markt angepasst, sondern lebt auf einer Wolke. Das arrogante und überhebliche Auftreten rächt sich nun. Dies ist ein Fehler des Managements der letzten Jahre und die Mitarbeiter müssen nun die Suppe auslöffeln. Die Marktbegleiter u.a. BaumannPerfecta sind technologisch meilenweit voraus das wird schwer wieder aufzuholen. Das ganze Konstrukt welches Sol geschaffen hat sieht auch nicht so aus als hätte man interesse das Unternehmen wirklich zu sanieren. Schade für das Unternehmen.

    5. April 2023
    |Antworten
  11. Peter

    Gut und gründlich recherchiert.
    Bei der Suche von Sol & Stüting stolpert man unweigerlich über die ein oder andere Geschichte die analog Polar lief. Jüngstes Beispiel Alfer Aluminium, sehr spannend.

    22. November 2023
    |Antworten

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