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Polar Mohr: Blitz-Treffen im Rathaus – Wichtigster Entscheider kommt nicht – Erste Firma springt ab

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Es gibt Neuigkeiten rund um Polar Mohr: Bürgermeister Christian Vogt (CDU) hat die Spitzen der Lokalpolitik zu einem Blitz-Treffen ins Rathaus eingeladen. Es geht, na klar, um die geplante Wohnbebauung entlang der Hattersheimer Straße und um ein neues Gewerbegebiet in Diedenbergen. Der wichtigste Entscheider wird allerdings wohl nicht teilnehmen. Außerdem: Eine der Firmen, die laut Vogt nach Diedenbergen umziehen würden, will davon nichts wissen. Und: Ein Anwalt ruft den Bürgermeister öffentlich zur Mäßigung auf.

Die Einladung wurde an diesem Montag um 16.03 Uhr per E-Mail verschickt und war kurz und knapp gehalten: Bürgermeister Christian Vogt lud die Mitglieder des Magistrats, den Stadtverordnetenvorsteher und die Vorsitzenden der sieben Fraktionen zu einem „Informationstermin“ ein. Vorweg schickte er zwei Sätze:

„In der vergangenen Stadtverordnetenversammlung wurde der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes Nr. 152 ,Hattersheimer Straße’ vertagt. Die Vertagung wurde begründet mit rudimentären Informationen der aktuellen Rechtspersönlichkeit, offenen Fragen zur Unternehmensfortführung und Interesse am Standort Gewerbepark In der Lach, Diedenbergen, von und durch POLAR Mohr.“

Vogt weiter: Polar-Geschäftsführer Thomas Raab sei bereit, bei dem Treffen weitere Informationen zu geben und Fragen zu beantworten. Termin: Mittwoch, 22. Februar, um 17.30 Uhr in Raum Chinon im Rathausanbau.

Das Ziel der Zusammenkunft dürfte klar sein: Polar Mohr hatte, von Insolvenz bedroht, sein 50.000 Quadratmeter großes Grundstück entlang der Hattersheimer Straße an den Kelkheimer Projektentwickler Horn verkauft. Der will dort, wenn das Unternehmen eines Tages das Gelände geräumt hat, einige Hundert Wohnungen bauen. Zuvor muss der Bebauungsplan geändert werden, was ein längeres bürokratisches Verfahren ist. Vogt wollte damit ganz schnell starten: Die Stadtverordneten sollten in der vergangenen Woche – ohne nähere Informationen zu haben – entsprechende Planungen genehmigen.

Die Mehrheit im Parlament wollte da nicht mitziehen und vertagte die Entscheidung (hier). Schon am nächsten Tag schickte Projektentwickler Gunter Horn einen Brief ans Rathaus, der durchaus bedrohlich klang: Hofheims Bürgermeister hatte ihm offenbar zeitliche Zusagen gemacht, die Grundlage für die Verhandlungen mit den Banken waren. Würde das Stadtparlament nicht schleunigst eine Entscheidung treffen, so der Bauunternehmer, könnten seine Finanzierungspläne platzen – und Polar Mohr würde womöglich endgültig in den Abgrund stürzen.

Seither massiert Vogt die Stadtverordneten: Sie sollen sich geschmeidig zeigen und seinen Plänen wie auch den Wünschen des Bauunternehmers folgen. 

Das ist das Ziel des morigen Treffens: Die Lokalpolitiker sollen auf Linie gebracht werden.

Neuer Polar-Mohr-Eigentümer kommt nicht

Ein Name fehlt auf der Einladungsliste, und das ist die spannendere Nachricht hinter der Nachricht vom Rathaus-Treffen: Nicht anwesend sein wird demnach der neue zweite Geschäftsführer des Unternehmens, Haiko Stüting.

Der Münchener vertritt die österreichische Investorengruppe SOL Capital Management, die Polar Mohr aufgekauft und damit vor der Insolvenz gerettet hat. Stüting ist zugleich Geschäftsführer einer neugegründeten Polar-Mohr Beteiligungs GmbH: Diese Firma mit Sitz im bayerischen Steuerparadies Unterhaching ist inzwischen Gesellschafterin – und damit Eigentümerin – der Hofheimer Firma.

Plar Mohr
Das einstige Traditionsunternehmen Polar Mohr an der Hattersheimer Straße: Das Grundstück ist verkauft, in ein paar Jahren sollen hier Wohnblocks stehen.

Stüting ist der wahre mächtige Mann bei Polar. Er hat das Geld und damit das Sagen. Er bestimmt über die Zukunft des Unternehmens und damit auch über die Arbeitsplätze. Dass er an dem Treffen im Rathaus nicht teilnimmt, bei dem es doch um die Zukunft „seiner“ Firma geht: Das macht stutzig.

Hat der Mann kein Interesse an einer umfassenden Information der Stadtverordneten?

Das wäre vielsagend – und nicht unbedingt gut für Hofheim.

Mercedes Flebbe will von einem Umzug nichts wissen

Noch etwas komplexer ist die Gemengelage rund um das geplante Gewerbegebiet in Diedenbergen. Vogts Plan sieht wie folgt aus: Der Berliner Kurt Krieger soll auf Wiesen und Feldern ein rund 100.000 Quadratmeter großes Gewerbegebiet anlegen. Er soll auf einem Drittel der Fläche eines seiner riesigen Höffner-Möbelhäuser bauen dürfen – im Gegenzug müsste er 20.000 Quadratmeter für Polar Mohr schaffen. 

Es gibt jede Menge Vorbehalte: Natürlich wird die enorme Flächenversiegelung kritisiert.

Viele Diedenbergener befürchten zudem ein unerträgliches Verkehrsaufkommen in ihrem Dörfchen, was jedoch von Vogt (er wohnt mit seiner Familie in Diedenbergen, aber zum Glück abseits der Hauptverkehrswege) mit dem lapidaren Satz abgetan wird: Dafür müssten Lösungen gefunden werden. 

Etliche Geschäftsleute in der Stadt fragen sorgenvoll, ob die Region wirklich ein weiteres riesiges Möbelhaus mit all seinen Kleinkram-Verkaufsständen braucht. 

Im Stadtparlament schließlich herrscht breite Verunsicherung Es ist gar nicht sicher, dass Polar Mohr in ein paar Jahren nach Diedenbergen umzieht. Eine Garantie gibt’s nicht: Warum soll die Stadt dann trotzdem ein gewaltiges Gewerbegebiet mitsamt ungeliebtem Riesen-Möbelhaus ausweisen?

Vogt wischt alle Bedenken weg, drängt auf schnelle Umsetzung: Er verweist auf Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen. Auf Facebook behauptete er am Wochenende sogar: Ohne das neue Gewerbegebiet würden Mehreinnahmen für wichtige Investitionen fehlen, „z.B. für den Ausbau der Kita-Versorgung, für die Feuerwehren, für Sport, Vereine und Ehrenamt“.

Wie genau nimmt’s dieser Bürgermeister eigentlich noch mit der Wahrheit?

Etliche Unternehmen, so hatte Vogt zuvor die Stadtverordneten gelockt, würden auf das Gewerbegebiet warten: Sie wollten nach Diedenbergen umsiedeln.

Doch stimmt das wirklich?

Vogt nannte Mercedes Flebbe, ein großes Autohaus mit Sitz in Hattersheim, das angeblich nach Hofheim umsiedeln würde, wenn’s das Gewerbegebiet nur endlich geben würde.

Bei Flebbe aber heißt es auf Nachfrage, ein Umzug nach Diedenbergen stehe derzeit überhaupt nicht zur Diskussion. Zumal das Unternehmen zum 1. April an das Neu Isenburger Autohaus Heinrich Göpert verkauft worden sei.

Entsprechende Hinweise kursieren bereits seit längerer Zeit, ein Leser dieses Blogs hatte in einem Kommentar darauf hingewiesen. Warum Vogt das Mercedes-Haus trotzdem als Interessenten für das neue Gewerbegebiet nannte, bleibt sein Geheimnis.

Der Wunsch der Mehrheit der Stadtverordneten, Entscheidungen nur nach umfassender Information zu treffen, erscheint jedenfalls angebrachter denn je.

Anwalt: Sinnvoller wäre ein breiter Konsens

Bekanntlich hat Bürgermeister Vogt ziemlich ausfällig reagiert, als die Stadtverordneten eine Vertagung der Entscheidungen beschlossen (hier). Auf Facebook tobte sich der CDU-Mann am Wochenende noch ein bisschen weiter aus: Da beschuldigte Vogt die Stadtverordneten des „politischen Klamauks“ und warf ihnen vor, das demokratische Miteinander zu belasten.

Ein nachdenklicher Bürger – Axel Pabst, Rechtsanwalt und Mediator – kommentierte den Vogt-Post öffentlich unter anderen mit diesen Sätzen:

„Herr Vogt, erst kürzlich bei der Nichtzulassungsbeschwerde zur Vorderheide II haben Sie Ihren eigenen Willen mit Macht gegen die Mehrheit der Stadtverordneten durchgesetzt. Dies hat Sie viel Ansehen und die Stadt viel Geld gekostet.

Bitte denken Sie darüber nach, ob es nicht sinnvoller wäre, diese großen Projekte im breiten Konsens auf den Weg zu bringen. Und unterstellen Sie den Stadtverordneten dabei nicht, dass sie Ihnen irgendetwas kaputt machen wollen.

Unterstellen Sie lieber, dass alle gemeinsam mit Ihnen nach der besten Lösung für Hofheim suchen wollen.“

Vorderheide II steht für Hofheimer Politik-Stil

Ach ja, die Vorderheide. Sie ist ein treffliches Beispiel dafür, wie in dieser Stadt Politik gemacht wird – im Guten wie im Schlechten. Das war vergangene Woche im Stadtparlament nach der Debatte über Polar Mohr erneut zu erleben.

Wir erinnern uns: Mitten in einem faktischen Vogelschutzgebiet wollte die Stadt ein Villenviertel errichten lassen. Der Bund für Natur und Umwelt klagte dagegen, das Verfahren zog sich über Jahre hin. Nach einer ziemlich eindeutigen Gerichtsentscheidung auf Landesebene gab Vogt – gegen den ausdrücklichen Willen des Stadtparlaments – noch einmal viel Geld für Rechtsanwälte aus und zog vors Bundesverwaltungsgericht. Anfang dieses Jahres verlor die Stadt auch hier.

Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Baugebiet Vorderheide II tot. Endgültig.

Der Schaden für die Stadt summiert sich auf mehr als eine Million Euro.

Als letzte Woche das Stadtparlament tagte, wollte die Opposition das Thema Vorderheide II endgültig beerdigen: Der Magistrat solle dafür sorgen, dass das Gebiet im Flächennutzungsplan nicht länger als Wohnbaufläche bezeichnet wird. Vielmehr solle das Gebiet als „Vorranggebiet für Natur und Landschaft“ und „ökologisch bedeutsame Flächennutzung“ ausgewiesen werden.

Außerdem, so ein zweiter Antrag, solle Vorderheide II endlich zum Vogelschutzgebiet erklärt werden.

Man könnte glauben, nach dem eindeutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts herrsche Konsens im Stadtparlament zur Zukunft von Vorderheide II. Doch daran scheinen Hofheims „Regierungsparteien“ kein Interesse zu haben, nicht einmal bei einer derart klaren Sachlage:

Die Koalition aus CDU, FDP und FWG hielt die Anträge für überflüssig. Das seien doch nur „Schaufensteranträge“, befand FDP-Mann Ralf Weber, „völlig unsinnige Anträge“. Der Mann – er ist Immobilienmakler – meint das vermutlich wirklich ernst. „Wir sollten uns alle Optionen offen halten“, führte er vor dem Plenum der Stadtverordneten aus, es gebe schließlich „ernstzunehmende Fachleute, die sehen das Gebiet als ökologisch nicht so wichtig an“.

Weber erntete nur noch ein müdes, eher mitleidiges Lächeln. Die Abstimmung war dann auch eindeutig: Die vereinigte CDU/FDP/FWG lehnte die Anträge ab – kein Vogelschutz, kein Naturschutz, keim Umweltschutz für Vorderheide II.

Doch die Koalition hat im Parlament keine Mehrheit mehr, wenn die Opposition zusammenhält. SPD, Grüne, Bürger für Hofheim und Linke setzten ihre Anträge locker durch: 19 dafür, 16 dagegen.

Jetzt muss der Magistrat die Forderungen der Opposition umsetzen – wenn er das Stadtparlament ernst nimmt

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4 Kommentare

  1. Hofheim

    Leider wird hier nochmal ganz klar, um was es Christian Vogt wirklich geht! Die Straßenproblematik bezüglich der Castellerstrasse wird immer nur abgetan. es wird versucht, die Öffentlichkeit möglichst rauszuhalten, um dem Thema gekonnt aus dem Weg zu gehen! Aber das wird genau das Zukunftsproblem: Mehr Verkehr belastet sowohl Anwohner als auch die Gebäude, gefolgt von weiteren Sicherheitsproblemantiken z.B für Kinder. Jegliche Lösungsvorschläge werden einfach unter den Tisch gekehrt. Thematiken über fehlende Betreuungsplätze für Schulkinder uvm werden gekonnt ignoriert! Aber Hauptsache mal ein Möbelhaus bauen wollen.

    Das sind nicht die Hauptprobleme, die ein Ort wie Diedenbergen hat! Schon mal gefragt, wie das die Ortsansässigen finden, wenn ihnen weitere Lebensqualität genommen wird?!? Und von der Flora und Fauna, die hier zerstört werden soll, möchte ich lieber nicht anfangen!

    21. Februar 2023
    |Antworten
  2. Diedenbergen

    Vielen Dank für Ihren treffenden Kommentar, dem ist nichts mehr hinzuzufügen!
    Gruß aus Diedenbergen

    22. Februar 2023
    |Antworten
  3. Ohne Worte

    Also wenn der neue Eigentümer von Polar Mohr nichts zur Aufklärung beitragen will, dann sollten auch CDU, FDP und FWG das zur Kenntnis nehmen und die Sache mit Herrn Krieger, die so nur ein Minusgeschäft ist, abblasen.

    23. Februar 2023
    |Antworten
  4. Polarisiert

    Guten Tag Herr Thomas Ruhmöller,

    Vielen Dank für die 3 detailliert recherchierten Berichte zur aktuellen Situation bei Polar. Täglich schaue ich gespannt nach neuen Artikeln. Ich hoffe, man hat Sie nicht mundtot gemacht nach Ihren Veröffentlichungen.

    24. Februar 2023
    |Antworten

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