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Polar Mohr: Von Kungelrunden, wirren Reden und der Suche nach Millionen

Gepostet in Allgemein

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Die Angst ist allgegenwärtig: Für die rund 300 Mitarbeiter der Maschinenfabrik „Polar“ gibt es gute Gründe, sich Sorgen um ihr Unternehmen zu machen. Zwar konnte dank neuer Eigentümer – Investoren aus Österreich – eine Firmenpleite abgewendet werden. Aber die Zukunft erscheint weiter ungewiss. In dieser Situation irrlichtern Hofheims Bürgermeister wie auch einer der Polar-Chefs mit wirr anmutenden Aussagen durch die Stadt. Ein CDU-Lokalpolitiker versucht, seine eigene Interessen durchzusetzen. In Hinterzimmern wird gekungelt. Und überhaupt: Wo sind eigentlich all die Millionen, die angeblich in die Kassen von Polar Mohr gespült wurden? Beobachtungen aus den letzten Tagen.

Vergangene Woche fand im Anbau des Hofheimer Rathauses ein Treffen statt. Es war schon dunkel, kein Sterbenswörtchen sollte nach draußen dringen: Die Teilnehmer wurden zu strenger Verschwiegenheit verpflichtet.

CDU-Bürgermeister Christian Vogt hatte die Vorsitzenden der Fraktionen im Stadtparlament, die Mitglieder des Magistrats, den Stadtverordnetenvorsteher, dazu Polar-Geschäftsführer Thomas Raab und Polar-Betriebsratsvorsitzenden Frank Wagner eingeladen. Man wollte unter sich klären, wie es mit dem Unternehmen weitergehen könnte – und wie demnächst in wichtigen städteplanerischen Fragen entschieden werden soll.

Die Vorgeschichte im Zeitraffer: Im Herbst letzten Jahres drohte Polar Mohr die Insolvenz. Der angebliche „Weltmarktführer für Schneidemaschinen“ (Eigendarstellung) verkaufte daraufhin sein Firmengelände entlang der Hattersheimer Straße (50.000 Quadratmeter) an den Kelkheimer Projektentwickler Horn. Eine Investorengruppe aus Österreich, die SOL Capital Management GmbH, übernahm ausgesuchte Reste des Unternehmens.

20230228 Polar Mohr
Die Polar-Zentrale in Hofheim.

CDU-Bürgermeister Christian Vogt verlangt seither vom Stadtparlament auf die Schnelle zwei weitreichende Entscheidungen: Die Stadtverordneten sollen die planerischen Grundlagen schaffen, damit Projektentwickler Horn Hunderte von Wohnungen auf dem Firmengelände bauen kann. Zugleich soll in Diedenbergen ein riesiges Gewerbegebiet ausgewiesen werden: Dort könnte Polar Mohr unterkommen.

Vogt macht Druck: Alles soll hopplahopp gehen. Mitte Februar wollte er die Entscheidungen im Stadtparlament durchpeitschen. Nachvollziehbare Gründe für seine Eile waren nicht erkennbar.

Die CDU-Mandatsträger mit ihren Anhängseln FDP und FWG zeigten sich folgsam, auch ohne Informationen: Alles möge so geschehen, wie Vogt es wünscht.

Die Mehrheit der Stadtverordneten aber – SPD, Grüne, Bürger für Hofheim und Linke – verlangte mehr Zeit und vor allem umfassende Aufklärung. Die Abstimmung ergab: Beide Themen wurden vertagt.

Der Bürgermeister reagierte ausfallend. Wir haben’s hier beschrieben.

Seither wird in Hinterzimmern gekungelt.

Und plötzlich ist das Möbelhaus nicht mehr notwendig?

Trotz Verpflichtung zur Verschwiegenheit: Nach dem konspirativen Rathaus-Treffen drängten CDU-Bürgermeister Vogt und Polar-Geschäftsführer Raab schnurstracks an die Öffentlichkeit. Über die Lokalblätter versuchten sie, ihre Sicht der Dinge zu verbreiten.

20230228 Polar Mohr 3
Große Überschrift, große Überraschung. Doch leider: Der Nachrichtenwert tendiert gegen Null.

Die Überschrift über den Zeitungsbericht klang nach einem Scoop: „Diedenbergener Gewerbepark ist auch ohne Möbelhaus möglich“. Sie sorgte allerdings für Verblüffung, erzählt uns die Stadtspitze doch seit Wochen: Wenn der Berliner Milliardär Kurt Krieger auf 100.000 Quadratmeter Grünflächen in Diedenbergen ein neues Gewerbegebiet baue, wo man Polar Mohr (benötigt rund 20.000 Quadratmeter) unterbringen und weitere Firmen angesiedeln könne, dann dürfe er dort auch, sozusagen als Dankeschön, auf rund 30.000 Quadratmetern eines seiner riesigen Höffner-Möbelhäuser errichten.

Heftige Proteste waren umgehend laut geworden, doch die Stadtspitze beharrte darauf: Nur mit einem Gewerbegebiet in Diedenbergen – und zwar eins mit Mega-Möbelhaus – werde man die 300 Jobs bei Polar retten können.

Jetzt aber, nach der Kungelrunde im Rathaus, heißt es plötzlich: Das Gewerbegebiet sei auch ohne Möbelhaus möglich. Was hat sich geändert? Würde Krieger das Gewerbegebiet trotzdem bauen – auch ohne Möbelhaus?

„Das Problem sind nicht die kritischen Journalisten, sondern die netten.“

Gerhard Kocher, Publizist (* 1939)

Doch ach: Wer den langen Zeitungsbericht – mehr als 4.500 Zeichen – liest, erfährt die vermeintlich spektakuläre Nachricht nur im aller-allerletzten Satz:

„Wenn die Stadtverordnetenversammlung es wünsche, könne das Gewerbegebiet auch ohne Möbelhaus realisiert werden, so Vogt.“ 

Das ist alles?

Ja, das ist wirklich alles!

Kein kritisches Hinterfragen, was den Bürgermeister zu dieser Aussage veranlasst hat?

Nein, der Zeitungsredakteur hat offenbar nicht nachgefragt.

„Das Problem sind nicht die kritischen Journalisten, sondern die netten“, lautet ein Aphorismus des Publizisten Gerhard Kocher. Das trifft’s genau:

Über eine derart dünne Nachricht die Überschrift „Gewerbegebiet auch ohne Möbelhaus möglich“ zu setzen: Das liest sich, als habe der Bürgermeister, nach Applaus heischend, einem Lokalredakteur die Zeile diktiert.

Wahrheitsgehalt? Völlig unbekannt.

So verkommt die Zeitung zum amtlichen Verlautbarungsorgan. Mit Journalismus hat das nichts zu tun.

Der Geschäftsführer & die Gewerbesteuer – alles etwas wirr

Auch Thomas Raab kommt in den Lokalzeitungen zu Wort. Was der Mann dem Redakteur erzählte, mutet selbst nach mehrmaligem Lesen reichlich wirr an. Das dürfte die Sorgen vieler Mitarbeiter verstärken: Entweder ist ihr Chef erschreckend schlecht informiert – oder will vorsätzlich desinformieren.

Auch hier kurz zum Hintergrund: Eigentümer von Polar Mohr in Hofheim – die Firma wurde inzwischen umbenannt in Polar Cutting Technologies GmbH – ist eine neu gegründete Polar-Mohr Beteiligungs GmbH mit Sitz im bayerischen Unterhaching. Diese Gesellschaft gehört einer Polar Beteiligungs GmbH mit Sitz in Wien, die ebenfalls erst vor wenigen Wochen gegründet wurde. Und dahinter steht dann die Wiener Firma SOL Capital Management GmbH.

Seit der Hofheim/Kriftel-Newsletter das Unternehmenskonstrukt aufgedröselt hat, fragen sich viele Hofheimer: Warum haben die Investoren eine neue Polar-Firma ausgerechnet im bayerischen Unterhaching gegründet? Warum nicht hier, vor Ort, in Hofheim?

Eine mögliche Antwort hatten wir angedeutet: Unterhaching gilt als Steuerparadies. Der Gewerbesteuerhebesatz in der kleinen Gemeinde (22.000 Einwohner) beträgt nur 295 Prozentpunkte, in Hofheim 370

Jetzt hat sich Raab dazu geäußert. Demnach sei die Unterhachinger Firma nicht gegründet worden, um Gewerbesteuern zu sparen. Raab: Gewerbesteuer werde schließlich dort gezahlt, wo die Betriebsstätte sei, nicht am Firmensitz. Ein angebliches Gerücht, wonach die Betriebsstätte nach Bayern verlegt werden soll, wies der Geschäftsführer gegenüber der Zeitung zurück. 

Nun hat kein Mensch – zumindest kein ernst zu nehmender – behauptet, Polar werde mit Sack und Pack nach Unterhaching umziehen. Kritisch beäugt wird indes sehr wohl, dass die Investoren eine Polar-Gesellschaft in einem bayerischen Steuerparadies gegründet haben.

Deshalb noch einmal: Was ist der Sinn dieser Firmenkonstruktion?

20230228 Thomas Raab
Thomas Raab wurde im November letzten Jahres neuer Geschäftsführer bei Polar Mohr. Das Foto wurde von der Polar-Pressestelle herausgegeben.

„Die Erklärung könnte ganz einfach sein“, sagt ein Steuerexperte. Ein solches Firmenkonstrukt sei bei Investoren nicht unüblich, „wenn auch in der Regel nachteilig für die Kommune, in der sich die Betriebsstätte befindet“. Es könnte beispielsweise so ablaufen:

Die Betriebsstätte des Unternehmens überträgt vorhandene Patente auf eine Firma im Steuerparadies.

Die Firma im Steuerparadies vermietet danach Patente und Lizenzrechte zurück. Dafür verlangt sie natürlich Geld, üblicherweise möglichst viel Geld.

So könnte sich der neue Firmensitz in Bayern erklären: „Polar Hofheim“ müsste künftig sehr viel Geld an „Polar Unterhaching“ abführen. Hier in der Kreisstadt würde das Unternehmen vermutlich keine oder kaum Gewinne erwirtschaften. In Unterhaching dagegen könnte das Geld aus Hofheim vorteilhaft versteuert werden.

Hofheim bliebe Betriebsstätte, selbstverständlich. Nur die Stadt, die würde in die Röhre schauen.

Vielleicht läuft es so ab, vielleicht auch etwas anders. Es gibt schließlich noch weitere Möglichkeiten, Steuern zu sparen. Die ausgebufften SOL-Sanierungsexperten werden alle Tricks kennen. Die sind völlig legal, natürlich.

Raab aber will davon offenbar nichts wissen. Der Polar-Geschäftsführer, heißt es in der Hofheimer Zeitung, weise „den Verdacht zurück, der Firmensitz der Polar Mohr Beteiligungs GmbH sei in Unterhaching, um Gewerbesteuern zu sparen“.

Meint der Mann das wirklich ernst? Oder weiß er es nicht besser?

Beides wäre nicht gut für das Unternehmen.

Polar-Umzug nach Diedenbergen? Noch ist alles offen

Die gezielten Indiskretionen nach dem konspirativen Rathaustreffen haben zu allerlei Gerede und Geraune in Hofheim gesorgt. Von einem Problem ist seither die Rede, das klein erscheint, aber für Polar Mohr bzw. den Standort Hofheim durchaus existenzgefährdend werden könnte.

Polar Mohr muss laut vertraglicher Vereinbarung mit Horn das heutige Firmengelände bis Ende 2025 räumen. Eine Verlängerung von ein, zwei Jahren sei eventuell möglich, heißt es. Aber dann müsste die Maschinenfabrik umgezogen sein – nach dem Willen der Stadtspitze nach Diedenbergen.

20230126 Krieger Planung
So stellt man sich im Rathaus das Gewerbegebiet in Diedenbergen vor. Mittendrin auf einem Drittel der Fläche soll ein Höffner-Möbelhaus stehen.

Doch in derart kurzer Zeit, sagen alle Planungsexperten, lassen sich die Wiesen und Felder nicht in ein Gewerbegebiet umwandeln. Bürokratie kann fürchterlich zäh sein: Ein solches Planungsverfahren kann durchaus etliche Jahre dauern.

Was passiert, wenn das Gewerbegebiet nicht rechtzeitig fertig wird? Und wenn Polar Mohr vorher das heutige Firmengelände räumen muss?

Raab soll beim konspirativen Treffen im Rathaus keine klare Antwort gegeben haben. In der Kürze der Zeit habe man sich noch keine tieferen Gedanken über einen Standort in Diedenbergen machen können, geschweige denn über konkrete Pläne für eine neue Betriebsstätte.

Das klingt nachvollziehbar. Es verrät zugleich, dass ein Umzug nach Diedenbergen für die Polar-Verantwortlichen noch längst nicht gesetzt ist.

Umso unverständlicher der Druck durch Bürgermeister Christian Vogt auf die Stadtverordneten, jetzt und sofort Entscheidungen zu treffen.

Wo sind eigentlich all die Millionen?

Ein weiteres Thema wabert seit dem Rathaustreffen durch die Stadt: Eigentlich müsste Polar Mohr in Geld schwimmen. Das ist nicht übertrieben, im Gegenteil, die Millionen sprudelten nur so:

Vor anderthalb Jahren wurde ein seit vielen Jahren brachliegendes Firmengelände an der Homburger Straße an einen Projektentwickler aus Essen verkauft. Der will hier rund 100 Wohnungen bauen. Rund 8.000 Quadratmeter in ziemlich guter Lage: Gemunkelt wird von einem Preis in Höhe von rund 10 Millionen Euro.

Jetzt der Verkauf von 50.000 Quadratmetern an der Hattersheimer Straße. Das dürfte viel, viel mehr gebracht haben. Immobilienfachleute schätzen den Verkaufspreis auf 30, vielleicht sogar 40 Millionen Euro.

Wo ist all das Geld geblieben?

Thomas Raab, der zweite Geschäftsführer, gibt sich wortkarg. „Zunächst einmal“ sei der Verkaufserlös „zum Ausgleich bestehender Verbindlichkeiten und zur Abwendung der Insolvenz“ verwendet worden, sagte er. 

„Zunächst einmal“ – das mag zutreffen: Zum Abbau von Schulden und zur Abwehr einer Pleite mögen sicher ein paar Millionen draufgegangen sein, vermutlich eher im einstelligen Millionen-Bereich.

Doch was ist mit all den anderen Millionen? Man wird schon mal fragen dürfen: Schließlich hat das Unternehmen in letzter Zeit viel Steuergelder eingesackt (das Arbeitsamt zahlte monatelang die Gehälter), zugleich will die Stadt für Polar Mohr eine Riesenfläche als Gewerbegebiet ausweisen…

„Auch verschlossenen Türen sollte hin und wieder ein Riegel vorgeschoben werden.“


Martin Gerhard Reisenberg, Autor (* 1949) 

Stadtverordnete quer durch alle Fraktionen schwanken angesichts völliger Intransparenz zwischen Verärgerung und Empörung. Sie haben einen Verdacht: Kommt das Geld aus den Grundstücks-Verkäufen vielleicht gar nicht dem Unternehmen und der Sicherung der Arbeitsplätze zugute, sondern nur der bisherigen Eigentümerfamilie Mohr? Verdienen die Nachfahren von Firmengründer Adolf Mohr prächtig am Verkauf des Betriebsgeländes, während 300 Mitarbeiter sich Sorgen um die Zukunft ihres Unternehmens machen?

Es gibt diesen Satz von Martin Gerhard Reisenberg, der auf den Punkt bringt, was einige Lokalpolitiker derzeit umtreibt: „Auch verschlossenen Türen sollte hin und wieder ein Riegel vorgeschoben werden.“

Es liegt jetzt allein bei Hofheims Stadtverordneten, ob sie sich zu folgenschweren Entscheidungen drängen lassen – ohne umfassend informiert zu sein.

Ein CDU-Mann verfolgt ganz eigene Interessen

Es gibt übrigens durchaus eine Alternative zu Diedenbergen. Im Stadtgebiet sind mehrere Gewerbegebiete ausgewiesen. Laut Bürgermeister aber kommen sie alle nicht in Frage. Mal seien die Eigentümer nicht bereit, ihre Grundstücke abzugeben. Mal halte Polar Mohr die Flächen für ungeeignet.

Genauer hat sich Vogt dazu nicht ausgelassen.

In einem Fall müssen allerdings andere Gründe vermutet werden: Im Hofheimer Norden, östlich der Reifenberger Straße, ist nahe der Rhein-Main-Therme und der Aldi-Filiale ein fast 30.000 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Es würde für Polar perfekt passen, könnte auch in überschaubarer Zeit hergerichtet werden.

Doch Michael Henninger, der CDU-Bauexperte im Stadtparlament, soll nachdrücklich dagegen sein. Und mit ihm vertritt auch CDU-Bürgermeister Vogt die Meinung: Polar Mohr kann auf keinen Fall in den Hofheimer Norden gehen.

Wie gesagt: Nachvollziehbare Gründe wurden bisher nicht genannt.

Dabei ist es offensichtlich: CDU-Mann Michael Henninger verfolgt hier eigene Interessen. Grundstücke ganz in der Nähe, zwischen Reifenberger Straße und dem Weg in Richtung Bauerlöcher Wiesen, sollen eines nahen Tages in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden – als Wohnbaufläche. Investoren stünden schon bereit, schrieb die Lokalzeitung schon 2020: Die Firmen Frank Heimbau und Weiß Grundbesitz hätten dafür extra die Projektgesellschaft „Auf den Gleichen“ gegründet.

Frank Heimbau in Hofheim – das ist Michael Henninger, er ist Geschäftsführer in dem Unternehmen. So wird verständlich, warum er Polar nicht im Norden Hofheims sehen will: Die Grundstücke, auf die Heimbau Frank/Henninger spekuliert, werden als Wohngebiet natürlich viel attraktiver – und vor allem viel wertvoller –, wenn direkt davor kein Gewerbegebiet entsteht.

Nach den Vorstellungen des Bürgermeisters soll die Stadt sogar für alle Zeiten auf ein Gewerbegebiet an der Reifenberger Straße verzichten. Dass hier recht zügig 300 Jobs gerettet werden könnten, scheinen nicht weiter zu interessieren:

Ist dem CDU-Bürgermeister der Profit eines Parteifreunds wirklich wichtiger als 300 Arbeitsplätze?

Immer öfter: In Kungelrunden wird Stadtpolitik gemacht

Kungelei, wohin man schaut. Kürzlich wurde ein neuer Arbeitskreis gegründet. Oder, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage bestätigte, eine „Kommission zum Polar-Areal“. Es handle sich „um ein freiwilliges Angebot des Magistrats an die Fraktionen, sich über die regulären Sitzungen hinaus einbringen zu können“.

20230228 Rathaus
Das von hunderten Galgenvögeln besetzte Hofheimer Rathaus: Hier treffen sich immer häufiger Lokalpolitiker mit Vertretern der Verwaltung in „Arbeitskreisen“. Kungelei im Hinterzimmer: Die Öffentlichkeit wird gezielt ausgegrenzt.

Die Masche wird zur Methode: In kleinen Runden treffen sich Magistratsmitglieder mit Stadtverordneten im Rathaus und baldowern aus, was in Hofheim wie umgesetzt werden soll (oder eben nicht). Parlaments-Ausschüsse, die öffentlich tagen müssen, werden auf diese Weise ausgehebelt: In Arbeitskreisen können Lokalpolitiker hinter dem Rücken der Bürger völlig ungestört Entscheidungen vorbereiten.

„Wer politische Gegensätze durch Kungelei im Hinterzimmer lösen will, schadet dem Vertrauen in unsere Demokratie.“

Roman Herzog, Bundespräsident (* 1934 , † 2017) 

Die beiden Mandatsträger der Linken im Stadtparlament – sie haben sich bisher als einzige Stadtverordnete mit relevanten Beiträgen zu Polar Mohr zu Wort gemeldet – wollen einen anderen Weg einschlagen: Die Bürger sollen bei der Neuplanung der Hattersheimer Straße einbezogen werden, fordern sie.

Konkret sieht ein Antrag von Barbara Grassel und Bernd Hausmann vor: Es gibt bekanntlich eine Bürgerbeteiligung zur Neubebauung der Elisabethenstraße 3. Dabei geht es um das Grundstück, auf dem früher die Stadtbücherei stand (wo CDU-Bürgermeister Vogt gegen den Willen vieler Bürger ein Hotel bauen lassen will). Dieses Grundstück liegt nur wenige hundert Meter vom Polar-Firmengelände entfernt.

Die Linken möchten, das die im letzten Jahr begonnene Bürgerbeteiligung zum Hotel um die Diskussion über die künftige Nutzung des Polar-Grundstücks erweitert wird.

Es ist kaum zu erwarten, dass die Verantwortlichen in der Stadtpolitik auf diesen Vorschlag eingehen werden. Besprechungen in Arbeitskreisen oder einer „Kommission“ gefallen ihnen naturgemäß besser: Denn daran dürfen nur ausgewählte Lokalpolitiker teilnehmen. Und das Beste: Die Öffentlichkeit muss draußen bleiben.

Auf diese Weise können Hofheims Stadtverordnete, Hand in Hand mit dem Magistrat, selbst gravierende politische Entscheidungen allein unter sich ausmachen. Der Bürger wird gezielt ausgeschlossen.

Dass das Vertrauen in unsere Demokratie Schaden nimmt:

Stört’s wen?


Letzte Meldung:

Sondersitzung des Stadtparlaments

Investor Horn hat sich durchgesetzt: Die Stadtverordneten hatten in ihrer Sitzung Mitte Februar die Themen „Wohnbebauung an der Hattersheimer Straße“ wie auch „Gewerbegebiet Diedenbergen“ erst einmal vertagt. Sie sollten im Stadtparlament am 28. März erneut zur Abstimmung gekommen – nach öffentlichen Beratungen in Ausschusssitzungen.

Doch Horn drohte in einem Schreiben, eine derartige Verzögerung könne seine Banken abspringen lassen – dann wäre Polar Mohr am Ende. Das wirkte:

Jetzt soll eine Sondersitzung des Stadtparlaments stattfinden – am Dienstag, 14. März, um 18.30 Uhr in der Stadthalle. Da will der Magistrat durchdrücken, dass mit den Planungsarbeiten umgehend gestartet werden kann. Vorherige Beratungen in Ausschüssen sind nicht geplant.

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15 Kommentare

  1. Silvia Stengel, Dipl. Ing. Landespflege

    Bei großen Bauprojekten und Veränderungen in einer Stadt geht es am Ende immer um Akzeptanz – denn nur dann funktioniert auch das soziale Leben und Miteinander.

    Transparenz und Bürgerbeteiligungen sind da das A und O, sie beanspruchen zwar mehr Zeit, aber das Ergebnis wird dann weitestgehend akzeptiert, und vor allem man kann hinterher allen Nörglern sagen, sie hätten sich ja einbringen können.

    Daher sind in vielen Kommunen Bürgerbeteiligung zum Standard geworden, denn sie sind gelebte Demokratie – und das ist es doch, wonach wir alle streben und wofür andere Länder derzeit kämpfen!

    https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2022/220519-empfehlungen-des-buergerrats-forschung.pdf?__blob=publicationFile&v=3

    https://www.wiesbaden.de/medien-zentral/dok/rathaus/Text_zur_Vorbereitung_Workshop1.pdf

    28. Februar 2023
    |Antworten
    • Ron

      Schön geschrieben, Frau Stengel. In Hofheim leider nicht so gerne gesehen.

      1. März 2023
      |Antworten
    • O.Vogt

      „Wer für Dummköpfe schreibt,,
      ist sich immer eines großen Publikums sicher“

      Arthue Schopenhauerr (Philosoph, 1788-1860)

      18. März 2023
      |Antworten
  2. Ron

    Was ist eigentlich mit Marxheim 2?

    1. März 2023
    |Antworten
  3. Ohne Worte

    Wenn man das Gewerbegebiet nicht so schnell hinbekommt, sollte doch Polar eine andere Fläche in der Region suchen, ich Hofheim wird das sowieso nicht klappen.
    Wer weiss, ob Polar überhaupt überlebt, warum dann überhaupt soviel guten Boden versiegeln.

    1. März 2023
    |Antworten
  4. Der Klüngel

    Sehr geehrter Herr Thomas Ruhmöller,

    erstmal vielen Dank für Ihren persönlichen, augenscheinlich unparteiischen und wichtigen Einsatz der letzten Tage und Wochen um den Klüngel um den Verkauf der Hattersheimer Straße und der Polar Gesellschaften aufzudecken bzw. darzustellen.

    Ihre Frage nach den Millionen ist absolut gerechtfertigt und wichtig. Diese Frage wird wahrscheinlich nie richtig befriedigend aufgeklärt werden können, da alle Beteiligten (Familie Mohr, Politiker und SOL) alles daran setzten, es so intransparent wie möglich zu gestallten.

    Wer bis jetzt nicht in die Öffentlichkeit getreten ist, ist die Familie Mohr. Es wäre sehr interessant zu erfahren, was die Familie Mohr zu diesem ganzen Dilemma sagt.

    Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wieso keiner der 17 Kommanditisten (Familie Mohr/Eigentümer der Polar Gesellschaften) in der Lage gewesen ist, dass Unternehmen im Sinne des Vaters, Opas, Onkel, Großonkel usw. weiterzuführen. Aber wahrscheinlich ist es bequemer, das Geld abzuschöpfen und seinen Hobbys nachzugehen, als die Verantwortung für sein Erbe zu übernehmen.

    1. März 2023
    |Antworten
  5. Stefan Grimm

    „Es war schon dunkel draussen….“…mit dieser erhellenden Information untermalt der Autor das verschwörerische Treiben im Rathaus. Wie sagte mal ein Inseider: „Journalisten sind keine Brunnenvergifter, aber sie sind mit allen Abwässern gewaschen“. Ansonsten hören wir auch von den Heldentaten des Schärfleins der Linken, wie nicht anders zu erwarten. Der Sanierungsfall „Mohr“ ist klar, nichts Aussergewöhnliches. Ob dann die Rechnungen aus Unterhaching kommen, ist fraglich. Normalerweise gibt es dafür Firmensitze im Ausland. Und was mit den Millionenerlösen beim Verkauf geschehen ist, geht wirklich niemand etwas an, ausser dem Finanzamt, die Linken aber bestimmt nicht. Mit einem noch nicht existenten Gewerbegebiet zu planen, ohne Mehrheit im Stadtparlament, ist blauäugig. Da passiert die nächsten 10 Jahre nichts. Der BUND hat die Feldhamster schon in Stellung gebracht.

    1. März 2023
    |Antworten
  6. Dr. Ulkwin Stulle

    Es ist schon ulkig. Seit einiger Zeit wird von prominenten Politikern vorhergesagt, dass sich Deutschland radikal ändern wird, der Bundeskanzler sprach von einer Zeitenwende. Alles scheint dahin zu gehen, dass die Menschen weniger reisen, Auto fahren, konsumieren sollen. Es soll weniger Wohnfläche und Dünger verbraucht werden. Hofheim scheint laut eigener PR und Klimaschilder am Ortseingang zumindest nicht komplett dagegen zu sein.

    Und was wird dann lokal und realpolitisch diskutiert? Noch ein Hotel? Noch ein Möbelhaus auf hochwertigem Ackerland weit ab vom Schuss??

    Das Geschäftsmodell des Deutschlands der Nachkriegszeit, mit hohem Fachwissen günstige Energie- und Rohstoffimporte in hochwertige Exportprodukte zu verwandeln und von der Differenz nicht schlecht zu leben, hat spätestens mit der explosiven Verwandlung von Nordstream in Nostream schwer an Tragfähigkeit verloren.

    Wie wirkt sich das alles auf das frei verfügbare Einkommen des typischen Möbel-Höffner-Kunden aus? Und so hart das für die Polar-Mohr-Beschäftigten klingen mag: BASF verlagert Teile der Produktion nach China, Mercedes in die USA. Wie wahrscheinlich ist es, dass die neuen Sanierungsexperten-Eigentümer an einen Investor weiter verkaufen, der garantiert einen Standort mit weltweit vergleichsweise sehr hohen Energie- und Personalkosten dauerhaft erhalten wird?

    Schon klar, die Stadt muss Entscheidungen zeitnah treffen. Aber dabei die sich rasch ändernde wirtschaftliche Großwetterlage komplett außen vor zu lassen erinnert mich an den englischen Ausdruck des „Groschen vor der anrollenden Dampfwalze aufsammeln“ (picking up pennys in front of a steamroller). Fachleute behaupten ja, sowas hätte kein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Groschensammler.

    Apropos Angelsachsen: vielleicht wäre ja die Polar-Insolvenz ein guter Zeitpunkt (gewesen) für ein sich-komplett-neu-Erfinden? Strich unter das alte Hofheim, eigene Stärken und Schwächen analysieren, alle Beteiligten mit aufsatteln lassen und dann entschlossen weiter in die neue Richtung gen Westen reiten. Es gibt jede Menge Experten, die Militärs und Unternehmen darin beraten und trainieren, wie man sowas provisorisch auch mit Zeitnot hinbekommt.

    Ehemalige Elitesoldaten zu Gast in der Hofheimer Stadtverordentenversammlung? Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, aber jetzt verliere ich selbst den Realitätssinn, den ich eigentlich anregen wollte. Die Elitesoldaten kommen zum Besuch selbstverständlich nur ins Hinterzimmer :P.

    1. März 2023
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  7. Hofheim

    Die große Frage, die sich hier wirklich stellt, ist doch: Um was oder wen geht es hier wirklich ?!?
    Geht es wirklich in erster Linie um die Arbeitsplätze? Oder geht es darum, dass man soviel wie möglich erreichen will, um Ruhm und Ehre zu kassieren als Bürgermeister und dabei möglichst viel Geld zu verdienen?!?

    Leider ist das aktuell sehr berechnend und korrupt! Das geheime „Gemauschel“ ist doch mittlerweile Standard. Die Bürger raushalten, um so wenig wie möglich Konflikte zu haben, das ist die neue Devise. Ich erninnere mal an Familie Schlecker zurück: Riesen-Insolvenz und trotzdem ihre Pferde im Trockenen…

    Ich persönlich wäre schon sehr daran Interessiert, wie Familie Mohr dazu steht, schließlich ist das ja ein ehemaliges Familienunternehmen, was sie wohlhabend gemacht hat, und das jetzt vor dem Aus steht… Aber das werden wir nie erfahren!

    Hofheim hat wirklich genug Probleme, die genauso wichtig zu klären wären, aber dafür ist aktuell keine Zeit mehr, weil alles andere wichtiger ist ( weil: hier gehts ja um Geld).

    Themen wie z.B dringend benötigte Betreuungsplätze für Schulkinder oder zerstörte Straßenbeläge oder oder oder: die werden einfach schlichtweg unter den Tisch gekehrt. Peinlich für eine Kleinstadt wie Hofheim!

    Vielleicht sollte man sich als Bürgermeister noch mal die Frage stellen, für was man wirklich „eingestellt“ wurde!

    Das war z.B Herrn Feldmann auch nicht immer vor Augen, und hier ist das Ende ja mehr wie bekannt. Untragbar – und nicht das, wofür die Stadt Hofheim steht! Miteinander und gemeinschaftlich wäre mal ein neuer Weg, der einzuschlagen wäre, denn nur gemeinsam ist man stark als Stadt !

    1. März 2023
    |Antworten
  8. Nachdenklich

    Wenn ich so nachdenke: Herr BM Vogt hat noch kein Großprojekt auf der Schiene. Seine Vorgänger haben etwas vorzuzeigen. Ist das der Grund für seinen Druck auf die Stadtverordneten, der Grund für seine Wutrede? Eine neues Gewerbegebiet an das sich die Bürgerschaft erinnern soll wie an die Treiber für das ChinonCenter? Gab es da nicht eine BMin, die Andersdenkende als ihre Gegner bezeichnete, die doch alle sich um das Wohl von Hofheim sorgten. Ähnlichkeiten mit heute rein zufällig. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass in der Wutrede von Herrn Vogt die Andersdenkenden ebenfalls als seine Gegner ansah, und nicht als besorgte Bürger:innen.
    Alle anderen Gedanken, die ich mir mache, stehen bereits in den guten Kommentaren.

    1. März 2023
    |Antworten
  9. Bernd Mümmelmann

    Dass der Aufstellungsbeschluss für das alte Werksgelände schnell kommen muss, habe ich verstanden (auch wenn ich mir da keine Wohnung vorstellen kann). Anscheinend gibt es hier seit Dezember die Zusage des Bürgermeisters an den Investor, ohne dass er die Stadtverordnetenversammlung gefragt hat. Er wird es keinen Ausweg geben, wenn jemand sich vorwerfen lassen will, er habe Polar Mohr den Todesstoß versetzt.

    Aber warum sich die Stadtverordneten jetzt zur Eile für das Möbelhaus drängeln lassen sollen, verstehe ich nicht. Wenn selbst der Bürgermeister davon ausgeht, dass das Gewerbegebiet nicht bis zum Jahr 2025 fertig sein kann (Auszugstermin Polar Mohr), kann das doch nicht miteinander zusammenhängen.

    2. März 2023
    |Antworten
  10. Sabine Conrad

    Vielen Dank für diesen Bericht!
    Ich bin noch nicht so abgeklärt oder desillusioniert, dass ich Egoismus bei gewählten Amtspersonen und Intransparenz bei politischen Entscheidungen achselzuckend hinnehmen könnte.
    Es untergräbt tatsächlich mein Vertrauen in die Ehrlichkeit der politisch Verantwortlichen, wenn der Eindruck entsteht, dass Profit oder Prestige vor der Sorge um das Wohl der Stadt und dem ihrer Bürger stehen.

    3. März 2023
    |Antworten
  11. Anonym

    Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre….
    Als Mitarbeiter der Verwaltung muss ich gestehen, seit BM Vogt im Amt ist, gibt es nicht nur intern große Probleme. Die Art und Weise, wie der BM versucht, die Gremien und die Verwaltung auszuspielen, um seine persönlichen Anliegen voran zu bringen, findet immer wieder neue Höhepunkte.
    Hier werden persönliche Gefälligkeiten, Interessen und Eitelkeiten über die Bürger und die Stadt gestellt. Das ist man mittlerweile bei uns im Haus leider schon gewohnt. Ich bin trotzdem immer wieder entsetzt und zu tiefst enttäuscht über solch ein Verhalten eines Amtsträgers.

    4. März 2023
    |Antworten
  12. Paul Weiss

    Wenn der Erlös des Grundstücksverkaufes die Schulden tilgte, wäre doch eine Beendigung des Schutzschirmverfahrens möglich gewesen. Sozusagen eine Heilung aus eigener Kraft. Das wäre auch das einzige Ziel, das ein verantwortungsvolles Unternehmen verfolgen würde. Auch wenn es nicht reichte, wäre so eine Grundstück sicher eine gute Sicherheit für Darlehen. Durch die Hereinnahme eines Investors, der sich seine Investition (und mehr) schließlich aus dem Unternehmen wiederholt (siehe Märklin, Kettler, Karstadt u. v. m.) gewinnt das Unternehmen Polar keine Zukunft. Jetzt sind die Patente in Investorenhand, und die Substanz der Firma ist ausgehöhlt. Wie Investoren durch Lizenzen Geld an der Steuer vorbei verdienen, sieht man beispielsweise bei Star Bucks. Immense Lizenzgebühren für die niederländische Mutter würgen fast den gesamten Gewinn der deutschen Filialen ab.

    Wir sind eine Druckerei und haben gerade eine neue Polar gekauft. Schade drum, es waren die beste Schneidemaschinen, die der Markt zu bieten hatte.

    13. März 2023
    |Antworten
  13. DererVonZiethen

    In diesen Worten liegt auch meine Meinung:

    Vielleicht sollte man sich als Bürgermeister noch mal die Frage stellen,
    für was man wirklich „eingestellt“ wurde!

    Peinlich für eine Kleinstadt wie Hofheim!

    17. März 2023
    |Antworten

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