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Im Stadtparlament: Die beste Entschuldigung, die Hofheim je gehört hat

Gepostet in Allgemein

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Es war ein Bericht im Hofheim/Kriftel-Newsletter, der für enormes Aufsehen gesorgt hatte und die ganze Stadtgesellschaft durchrüttelte: „CDU-Stadtrat verschickt Drohmail an Stadtverordnete”. Im Stadtparlament am Dienstagabend gab es jetzt eine Fortsetzung – mit der besten Entschuldigung, die Hofheim je gehört hat. Leider sprach nicht der eigentliche „Täter“. Und die CDU-Fraktion steht ziemlich düpiert da.

Zum allseitigen Verständnis kurz die Vorgeschichte: Wulf Baltruschat ist CDU-Stadtrat und Vorsitzender des Vereinsrings. Der betreibt auf dem Untertorplatz den Weinstand „Chalet“ – offiziell zur Unterstützung von Vereinen, angeblich aber auch aus privatgeschäftlichen Interessen.

Vielen Hofheimern ist die Bretterbude direkt vor der historischen Häuserfassade ein Greuel. Tanz Lindenthal brachte das als Stadtverordnete der „Bürger für Hofheim“ (BfH) im Ortsbeirat Kernstadt zur Sprache. Daraufhin bekam die Hofheimer Ortsgruppe im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (kurz BUND; Lindenthal sitzt im Vorstand) eine Mail von Wulf Baltruschat: Wenn sich Lindenthal nochmals negativ übers Chalet äußere, werde der ganze BUND aus dem Vereinsring ausgeschlossen.

Entschuldigung
Diese Bretterbude im Herzen der Hofheimer Altstadt nennt sich „Chalet“ und ist mittlerweile vielen Bürgern ein Dorn im Auge.

Baltruschats Mail wurde mit der Bitte um Klärung an Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler (CDU) weitergeleitet. Woraufhin Baltruschat eine zweite Mail an den BUND schickte: Die Weitergabe seiner ersten Mail sei ein Gesetzesverstoß. Er kündigte rechtliche Schritte an.

Der Hofheim/Kriftel-Newsletter machte das übergriffige Vorgehen Baltruschats öffentlich. Tage später tagte ein städtischer Ausschuss: Die CDU-Mannen zeigten sich erkennbar angefasst, versuchten es auch mit mobbinghaften Sticheleien – und im Verlauf einer hitzigen Debatte über ein Bauthema rutschte Lindenthal der Satz heraus: Sie bekomme „Drohmails von der CDU-Fraktion“.

Während der Sitzung sagte keiner etwas dazu. Der neue Co-Fraktionsvorsitzende der CDU, Frank Härder, ging erst hinterher Frau Lindenthal an, und zwar massiv: Er warf ihr Rufschädigung vor und üble Nachrede und drohte mit Klage.

Die Frau entschuldigte sich bei Härder. Sie schickte wenig später eine Rundmail an alle Ausschussmitglieder und bekannte sich zu ihrem Fehler. Das reichte einigen CDU-Männern nicht: Sie verlangten eine „richtige“ Entschuldigung. Öffentlich! In der Stadtverordnetenversammlung!

Und so kam es zum Auftritt Lindenthals, als an diesem Dienstagabend das Stadtparlament tagte. Wir dokumentieren die beste Entschuldigung, die Hofheim je gehört hat, im Wortlaut:

„In der Sitzung des Ausschusses für Planung, Bauen, Umwelt und Verkehr vom 5. Dezember ist mir ein Fehler unterlaufen. 

Meiner siebenjährigen Tochter versuche ich die Werte zu vermitteln, die mir selbst sehr wichtig sind. Dazu gehören unter anderem Aufrichtigkeit, Kampfgeist, Ehrlichkeit und das Eintreten für Fehler, die gemacht wurden. Darum möchte ich letzteres heute auf diese Weise tun:

Ich wurde mehrfach – auch unter der Androhung rechtlicher Konsequenzen – dazu aufgefordert, mich zu erklären. Dies tue ich nicht, weil ich mich dazu gezwungen sehe, sondern weil ich es für richtig halte.

In einem emotionalen Moment habe ich mich versprochen und fälschlicherweise die CDU-Fraktion beschuldigt, mir Drohmails geschickt zu haben. Dies ist nicht richtig, und es tut mir leid.

Richtig ist, dass der CDU-Stadrat Wulf Baltruschat in seiner Funktion als 1. Vorsitzender im Namen des Vereinsringsvorstandes einem Verein, in dessen Vorstand ich sitze, mit Konsequenzen gedroht hat, wenn ich in meiner Funktion als politische Mandatsträgerin weiterhin eine Meinung in den Gremien vertrete, die er nicht teilt. 

Es mag Themen geben, wo es keine zwei Meinungen geben sollte. Bezüglich des Standorts des sogenannten Chalets müssen unterschiedliche Meinungen in meinen Augen zwar nicht geteilt, aber zumindest ausgehalten werden. 

Ich würde mich freuen, wenn auch Wulf Baltruschat und der Vereinsringsvorstand sich ihren Fehler eingestehen und die Grenzüberschreitung dieser Mail einsehen. 

Gerade Herr Baltruschat als Inhaber eines wichtigen politischen Mandats unserer Stadt sollte den Gedanken der Demokratie und der Meinungsfreiheit eigentlich teilen.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass uns die Schaffung eines politischen Klimas gelingt, in dem niemandem nach einem Versprecher umgehend mit einer Klage gedroht wird. Ein kollegiales Miteinander sieht anders aus.

Ich spreche hier im Namen meiner Fraktion, wenn ich sage, hier muss sich grundsätzlich etwas im Verständnis des gegenseitigen Umgangs ändern. 

Vielleicht kann ein jeder die doch eigentlich besinnliche Weihnachtszeit dazu nutzen, im Stillen in sich zu gehen und sich selbst kritisch zu hinterfragen. 

Auch ich werde das tun.

Vielen Dank.

Beifall von etlichen Stadtverordneten und auch im Publikum. Die CDU-Fraktion, die gedacht hatte, eine taffe Stadtverordnete in die Knie zwingen zu können, stand nach diesem Auftritt – so sagt man ja wohl – mit heruntergelassenen Hosen da.

Kein schöner Anblick.

Nach Entschuldigung: Der eigentliche „Täter“ schwieg

Frank Härder meldete sich zu Wort. Er nehme die Entschuldigung an, sagte er. Der Mann ist erst seit kurzem Co-Vorsitzender der CDU-Fraktion. Ein kluger Lokalpolitiker hätte den Moment genutzt und sich distanziert vom unsäglichen Verhalten Baltruschats. Tat Härder aber nicht. Ihm war wohl wichtiger, nochmals öffentlich in Richtung Lindenthal zu sagen: „Das war nicht einfach nur ein Versprecher, sondern ein heftiger Vorwurf.“ Und dann auch, endlich: „Mit der Entschuldigung ist das für uns aus der Welt.“

Einer saß vorne am Sitzungstisch der Stadträte und guckte starr geradeaus. CDU-Mann Wulf Baltruschat war erschienen (es wäre auch kaum akzeptiert worden, wenn er wieder geschwänzt hätte):

Er hatte den Eklat ausgelöst – angeblich mit voller Rückendeckung des Vereinsrings-Vorstandes, was inzwischen für weitere Irritationen sorgt: Im Vorstand sitzt auch der Leiter der städtischen Musikschule. Unterstützt Sven Müller-Laupert etwa wirklich einen Maulkorb für Stadtverordnete? Er sagte bisher nichts dazu. Aber das ist ein anderes Thema...

Die Stadtverordnetenversammlung wäre für Wulf Baltruschat die Chance gewesen, das „Chalet“-Thema wenn nicht vom Tisch zu kriegen, dann zumindest etwas zu beruhigen.

Er hätte nur eine angemessene Reaktion zeigen müssen.

Die Chance hat er verpasst.

Er schwieg.

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10 Kommentare

  1. Schlofhemer

    Es ist doch schon bezeichnend, dass der offensichtliche Versprecher von Frau Lindenthal, trotz ihrer umgehenden Entschuldigung, derart skandalisiert wird, aber das Verhalten von Herrn Baltruschat von Seiten der CDU offenbar kommentarlos hingenommen wird.

    Man könnte fast zu der Annahme kommen, dass mit dem großen Aufschrei über Frau Lindenthals Äußerung von Herrn Baltruschat abgelenkt werden soll…

    13. Dezember 2023
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  2. ohne Worte

    Schade. Hatte auch auf eine Entschuldigung des Stadtrates gehofft. So kann ich nur sagen: Wenn er noch Anstand hat, tritt er zurück. Weil das geht nicht, als ehrenamtlicher Stadtrat solche Drohungen loszulassen. Auch bin ich von Herrn Härder und der CDU-Fraktion und Bürgermeister Vogt enttäuscht, dass nicht ein einziger zu Drohungen eines ehrenamtlichen CDU-Stadtrates eine Stellungnahme abgibt.

    Meine Achtung gilt Frau Lindenthal.

    13. Dezember 2023
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  3. Waldemar Haux

    Leider kann auch in solchen Fällen kein ehrenamtliches Magistratsmitglied in der Stadtverordnetenversammlung das Wort ergreifen. Das hätte vorab mit dem Stadtverordnetenvorsteher extra abgestimmt sein müssen.

    Das ist zwar bedauerlich, steht aber so in der Hessischen Gemeindeordnung.

    13. Dezember 2023
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    • ohne Worte

      Wenn man gewollt hätte, wäre es bestimmt gegangen.

      13. Dezember 2023
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  4. Moritz

    Das merke ich in den letzten Monaten immer mehr: Beim Wein kennt man in Hofheim keinen Spaß. Das ist scheinbar das wichtigste Privatvergnügen, das man haben kann.

    Weinstände, Weinstände, Hauptsache man kann saufen! Da wird in Lorsbach zu Halloween etwas für die Kinder getan, aber schön in Verbindung mit einem Weinstand. Schließlich müssen Erwachsene etwas zu saufen haben.

    In Hofheim vor dem Türmchen fühlen sich die Weinsäufer gestört vom Autoverkehr und wollen eine andere Verkehrsführung.

    Auf dem Weihnachtsmarkt das allerwichtigste: das Glühweinsaufen. Da wird auch der Weihnachtsmann für Kinder an eine Stelle platziert, bei der es als einzige Verpflegung eben Wein gibt. Hauptsache Saufen eben.

    Achtet mal darauf: Überall wird sich, wenn nicht gerade irgendwo über Politik oder Gesellschaft gejammert wird, hart Wein gegönnt. Ist ja schließlich auch der niveauvolle Alkohol, nicht auszudenken, es wäre des Pöbels Bier. Oder noch schlimmer, einfach mal alkoholfreie und wirklich familienfreundliche Stände oder Aktionen.

    Das Schlimme ist: Das ist alles nicht von der öffentlichen Hand, sondern privat organisiert, und das darf man ja nicht kritisieren. Das sind dann gute Aktionen, selbst wenn dafür Straßen gesperrt werden, wo ohnehin schon Straßen gesperrt werden. Nicht auszudenken, es würde ähnliches von der Stadt verursacht oder noch schlimmer von den Grünen.

    Dann wäre der Hofheimer Wutbürger direkt auf den Barrikaden.

    14. Dezember 2023
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    • Michael Clasen

      Haben Sie vielleicht etwas zu tief ins Weinglas geschaut?

      In Lorsbach haben zwei Personen ein Kinderhalloween organisiert, und es wurden Getränke ausgeschenkt. Kinder haben den kompletten Tag dort kostenlos verbracht. Von Kürbissen, Getränken und Essen. Eltern mußten Beträge für ihr Essen und Trinken bezahlen, die ihresgleichen suchen. Sollen wir dort zukünftig Tofuwürste, Evian und Spinat anbieten? Es gab überhaupt kein Besäufnis.

      Woher haben Sie Ihre Erkenntnisse, dass in Lorsbach gesoffen wurde?

      Waren Sie da, haben Sie etwas gespendet, was wir an den TV Lorsbach weitergegeben haben?

      Manche Menschen wie Sie suchen anscheinend immer etwas in den Krümeln. Auch wenn jemand spendet, das tut ihm wohl nicht weh. Ihre Ausführungen machen sprachlos und sauer. Stellen Sie mal was auf die Beine und tun etwas für das soziale Miteinander!

      14. Dezember 2023
      |Antworten
      • Schlofhemer

        Zunächst wäre es angebracht, dass man Andere, die etwas schreiben, was einem vielleicht nicht in den Kram passt, nicht persönlich angeht (Zu tief ins Glas geschaut)…

        Dann muss man feststellen, dass Moritz nicht ganz unrecht hat, wenn er darüber schreibt, dass Hofheim bezüglich Weinständen sehr offen ist. Weinstand in Hofheim und Marxheim. Feierabendmarkt. Glühweingarten.

        Natürlich ist es schön, wenn Menschen die Möglichkeit haben zusammen zu kommen, jedoch geht es hier meist ausschließlich darum, Alkohol zu konsumieren.

        15. Dezember 2023
        |Antworten
        • Michael Clasen

          Das stimme ich voll und ganz zu. Mir paßt es nicht, alle Weinstandbesucher als Säufer zu bezeichnen. Hier wird eine ganze Gruppe einfach als Säufer bezeichnet, was nicht der Fall ist.
          Wer so vorverurteilt, muß mit passender Antwort rechnen. Zumal hier auch das Gute an der Sache überhaupt nicht erwähnt wird. Siehe meinen Hinweis zum Kinderhalloween in Lorsbach. Ich verstehe schon, wer etwas Negatives finden will, findet es immer. Und wenn die Sonne scheint ist es halt zu heiß.

          Und ein Hinweis zum bislang nicht erwähnten Weinstand in Lorsbach. Die dortigen Säufer saufen für den guten Zweck. Von jedem Wein- oder Bierstand wird an soziale Einrichtungen gespendet. Wir haben die Sonnenschirme in Lorsbach mit einem guten 4 stelligen Betrag bezuschußt. Aber alles nur böses Saufen.
          Was bei anderen Weinständen passiert, interessiert mich nicht.
          Was war es doch in der Corona Zeit so schön, als keiner raus durfte und man nur zu Hause die weiße Wand anstarren konnte. Ironie off

          15. Dezember 2023
          |Antworten
          • Moritz

            Beim Alkohol hört der Spaß auf. Schon gemerkt. Danke für den Bezug zu Tofu und Evian. Da weiß man direkt woran man ist.

            17. Dezember 2023
  5. Michael clasen

    Zum Glück ist die breite Mehrheit so und verurteilt nicht, was ich esse und was ich trinke. Aber Sie verurteilen schön pauschal. Danke für nichts. In der Anonymität lässt sich leicht eine Meinung sagen, Herr Moritz xxx.

    17. Dezember 2023
    |Antworten

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