Der Haushaltsplan 2024/25 der Stadt Hofheim reizt nicht gerade zum Lesen: Er besteht aus 700 Seiten, die mit zigtausenden Zahlen gefüllt sind. Bürgermeister Christian Vogt stellte seinen Entwurf kürzlich den Stadtverordneten vor und feierte sich dafür mit einem Filmchen in den sozialen Netzwerken (Foto oben: Screenshot aus dem Youtube-Video). Ein Blick in das Werk zeigt: Einige wichtige Informationen hat er uns vorenthalten. Zugleich erkennen wir: Die Kommunikation an der Stadtspitze und in Teilen des Rathauses ist – nennen wir es freundlich – stark ausbaufähig.
Tierklinik plant Erweiterung – Zulassungsstelle soll neu gebaut werden
Zwei geplante größere Bauprojekte in Hofheim wurden jetzt nur durch Zufall bekannt. Sie waren im dicken Haushaltsplan versteckt, wo Tanja Lindenthal von den “Bürgern für Hofheim” (BfH) sie entdeckt hatte.
Auf Seite 416 des 700-seitigen Zahlenwerks findet sich unter “Produkt 7.10.522.0 Grundstücksmanagement” die “Maßnahme 2005” – konkret: “Einzahlungen aus der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden”.
Dahinter steht ganz unauffällig: “Erweiterung für die Tierklinik” und “Umsiedlungsfläche Zulassungsstelle”.
Was hat’s denn damit auf sich?
Zum Glück hat Frau Lindenthal im Ortsbeirat Kernstadt nachgefragt – so wissen wir jetzt:
Die Tierklinik Hofheim boomt offenbar ohne Ende. 1997 wurde sie gegründet – 6 Mitarbeiter gab es damals und 90 überweisende Tierärzte.
2016 wurde in den Neubau an der Katharina-Kemmler-Straße umgezogen: Heute arbeiten dort über 200 Mitarbeiter, die Zahl der überweisenden Tierärzte wird mit 3500 angegeben.
Vor einem Jahr wurde die Tierklinik an den internationalen Konzern IVC Evidensia verkauft (nachzulesen hier), der nach eigenen Angaben in 19 Ländern ein Netz von über 2.300 Tierkliniken besitzt. Inzwischen heißt es, in Hofheim stünde “die größte Tierklinik Deutschlands”. Und die soll jetzt offenbar noch größer werden:
Schon seit einiger Zeit wird über eine Erweiterung “nach hinten hinaus” nachgedacht, was offenbar problemlos möglich ist: Hinter der Tierklinik, entlang der Elisabethenstraße in Richtung Polizeistation, befindet sich ein größeres unbebautes Grundstück.
“Da wäre auch noch genügend Platz für eine neue Zulassungsstelle, für die der Kreis ein Grundstück sucht”, sagte Vogt auf die Frage von Frau Lindenthal.
Bekanntlich platzt die Zulassungsstelle, die sich heute an der Ecke Niederhofheimer Straße/In den Nassen befindet, aus allen Nähten: Wer in Hofheim ein Auto anmelden will, muss oftmals lange Wartezeiten in Kauf nehmen – was immer wieder zu teils harscher Kritik an der Kreisverwaltung führt. Jetzt wird offenbar darüber nachgedacht, wie man das Problem lösen kann.
Das brachliegende Grundstück an der Elisabethenstraße gehört übrigens der Stadt: Über einen Verkauf, so Vogt, seien bereits erste Gespräche geführt worden – mit der Tierklinik wie auch mit der Kreisverwaltung.
Und so erklärt sich dann auch die Position im Haushalt: Wenn das Grundstück verkauft wird, würde das Geld in die Stadtkasse fließen – und im Haushalt unter der “Maßnahme 2005” verbucht: “Einzahlungen aus der Veräußerung von Grundstücken”.
Vorderheide II und kein Ende: Stadt droht ein richtig teurer Prozess
Das klingt gar nicht gut: Die Akte Vorderheide II kann immer noch nicht geschlossen werden! Das einst geplante Villengebiet auf dem Kapellenberg wird die Stadt vermutlich noch einmal richtig viel Geld kosten. Das Prozessieren droht weiterzugehen, wie eine unscheinbare Notiz im Haushaltsplan verrät.
Für Vorderheide II hat die Stadt Hofheim bereits mehr als eine Million Euro verpulverisiert. Den größten Batzen – mehr als 750.000 Euro – steckten sich Änwälte ein: Oben auf dem Kapellenberg wollte die Stadt ein Luxusbaugebiet erschaffen. Es handelt sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet, weshalb der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Vorhaben klagte. Nach jahrelangem juristischen Gezerre wurden die städtischen Pläne Anfang dieses Jahres vom obersten deutschen Verwaltungsgericht gekippt. Endgültig.
Ein Unternehmen hatte in Vorderheide II auf das ganz große Geschäft spekuliert: Die “Entwicklungsgesellschaft Hofheim mbH & Co.KG“ – kurz EGH – war 2008 gegründet worden: Es handelt sich um einen Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, führend dabei die Frank Immobiliengruppe aus Hamburg mit ihrem damaligen Geschäftsführer Michael Henninger, der als CDU-Stadtverordneter dem Hofheimer Stadtparlament angehört.
Die EGH existiert noch immer, hat sich aber wohl aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Die Firmen-Webseite ist derzeit offline. Angeblich hat das Unternehmen viel Geld verloren: Von mehr als eine Million Euro war mal die Rede.
Muss die Stadt jetzt dafür aufkommen?
Längst zeigt sich im Kleinen, wie verkantet die Situation zwischen der Stadtverwaltung und dem Projektentwickler ist: Das Baugebiet wurde damals mit schwarzer Folie eingezäunt. Die dort lebenden Zauneidechsen sollten umgesiedelt werden, der Zaun sollte die Rückkehr der streng geschützten Tiere verhindern.
Nach dem endgültigen Aus der Planung begann der städtische Bauhof, den Zaun abzubauen. Das war im März dieses Jahres, wir haben damals im Rathaus nachgefragt, wer eigentlich für den Einsatz des Bauhofes aufkomme: die Stadt oder das Privatunternehmen EGH?
Antwort der Stadt im März: Das werde noch geklärt.
Einige hundert Meter des Zauns waren stehengeblieben. Nach Hinweisen von Lesern fragten wir kürzlich in der Stadtverwaltung nach, ob die Folie etwa dauerhaft bleiben solle. Und wir wollten auch wissen, ob inzwischen geklärt sei, wer für die Kosten des Zaun-Abbaus aufkomme.
Eine Antwort wurde hartnäckig verweigert (was oftmals ein Hinweis darauf ist, dass irgendwas nicht ganz sauber läuft). Erst nach vier Wochen und wiederholten Nachfragen teilte die Rathaus-Pressestelle mit: “Die Kosten trägt die Kreisstadt Hofheim am Taunus, bis die Kostenübernahme abschließend geklärt ist.”
Nun ist die Zaunbeseitigung sicher nur Kleinkram. Aber es kann noch richtig dicke kommen. Bürgermeister Christian Vogt musste – ebenfalls auf Nachfrage von Tanja Lindenthal, die den Haushaltsplan offenbar genau studiert hat – einräumen: Es seien damals zwei größere Verträge mit den Projektentwicklern abgeschlossen worden, “die müssen jetzt rückabgewickelt werden.”
Und dann noch dieser Satz: Es bestehe die “hohe Wahrscheinlichkeit”, dass die Stadt wegen Vorderheide II “wieder vor Gericht landet”.
Heißt: Die Steuerzahler werden für Vorderheide II weiter bluten müssen, und zwar richtig.
Nur die Anwälte, die werden sich wieder freuen.
Rathaus verteilt defektes 700-Seiten-Werk – und die Chefs wissen nichts davon
In der Stadtverwaltung ist ein ganz dummer Fehler passiert. Er betrifft ausgerechnet des Bürgermeisters ganzen Stolz, den Entwurf des Doppelhaushalts 2024/25. Zugleich wird erkennbar, dass die Kommunikation in und zwischen den Abteilungen des Rathauses nicht so richtig zu funktionieren scheint.
Wiederholt hat Christian Vogt in letzter Zeit die Stadtverordneten gelobt: Die meisten von ihnen hätten auf einen Ausdruck des Haushaltsplanes verzichtet und sich mit einem PDF zufrieden gegeben. Das hat normalerweise echte Vorteile: Wer nach bestimmten Einnahmen oder Ausgaben sucht, muss nicht 700 Seiten durcharbeiten. Er kann im PDF einfach die Suchfunktion benutzen.
Doch dumm gelaufen: In der digitalen Version des Hofheimer Etats funktioniert die Suchfunktion nicht. Beispiel: Gibt man “Tierklinik” ein, erscheint: “keine Ergebnisse” – was, siehe oben, nachweislich falsch ist. Ebenso bekommt, wer nach “Vorderheide” sucht, die Antwort: “keine Ergebnisse”.
Das PDF von Vogts neuem Haushaltsplan-Entwurf ist damit so nützlich wie das Telefonbuch einer Großstadt, in dem alle Namen unsortiert eingetragen wurden: Es ist schlicht unbrauchbar.
Wie konnte das nur passieren?
Wir fragten in der Stadtverwaltung nach und erlebten eine erste Überraschung: Rathaussprecher Jonathan Vorrath kannte das Problem noch gar nicht! Er musste intern nachfragen und ließ uns dann wissen: “Es scheint sich um ein technisches Problem bei der Erstellung des Dokuments in der Finanzsoftware zu handeln.”
Ein technisches Problem in der Finanzsoftware? Da darf man Zweifel haben: Die Software wird in vielen Städten eingesetzt, ein derart schwerwiegendes Problem wäre längst bekannt geworden!
Tage später trafen wir Bürgermeister Vogt und seinen “Finanzchef” Frank Petry und fragten nach: Ob der Fehler behoben werde? Neue Überraschung: Beide Männer gaben sich ahnungslos. Von einem unbrauchbaren Etat-PDF und einer fehlerhaften Finanzsoftware, sagten sie, hätten sie nichts gehört.
Da stimmt wohl etwas nicht in der Rathaus-Kommunikation: Offenbar geschehen in der Finanzabteilung Dinge, von denen die Chefs nichts wissen…
Rathaussprecher Vorrath korrigierte Tage später seine erste Antwort: Ob die Probleme mit der Suchfunktion “durch einen Fehler im System oder auf ein Anwendungsproblem aufgrund noch weniger Erfahrung mit dem neuen System zurückzuführen ist, wird derzeit geprüft”.
Prüfen – sicher wichtig. Wichtiger wäre, ein funktionierendes PDF zur Verfügung zu stellen. Sonst müssen sich Hofheims Stadtverordnete, wenn sie ihre Arbeit ernst nehmen, den Etat noch ausdrucken lassen.
Macht bei 45 Stadtverordneten mehr als 15.000 Blatt Papier (doppelseitig bedruckt).
Die Alternative: Die Stadtverwaltung sorgt für ein fehlerfreies PDF.
Klingt wesentlich besser!
Diese Stadtverwaltung und ihr Chef sind ein Witz.
Anstatt die Zulassungsstelle physikalisch auszubauen, könnte auch die Digitalisierung ausgebaut werden. Je mehr Menschen ihr KfZ digital zulassen, desto weniger müssen vor Ort in irgendeinem Gebäude herumlaufen.
Klar, Digitalisierung ist nun wirklich keine Stärke der verstaubten Hofheimer Verwaltung, aber man sollte zumindest mal drüber nachdenken…
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/digitalisierung/i-kfz-stufe-4-zulassung-2215100
Ich sage ja immer: “Medienkompetenz” und “Digitalkompetenz” sollten Pflichtfächer in Schulen werden und als Einstellungsvoraussetzung bei Mitarbeitenden in Öffentlichen Verwaltungen unabdingbar sein.
Wundern tut mich das nicht: Die Stadt Hofheim schafft es ja noch nicht einmal, sinnvolle und durchgänig funktionierende Verlinkungen auf ihrer Website zu setzen.
Mitarbeiterbashing ist hier wirklich völlig unangemessen. Was können digitalisierungswillige Mitarbeiter dafür, dass ein Heer an Vorgesetzten im öffentlichen Dienst gefühlt im 18. Jahrhundert hängen geblieben sind? Und die gilt es leider zu ertragen bis zur Pensionierung, weil man sie vorher nicht los wird.
Es ist schön, dass die Tierklinik so erfolgreich ist, dass sie erweitern möchte. Es ist allerdings weniger schön, dass dafür erneut Flächen verbraucht und versiegelt werden sollen. Immerhin wurde das Gebäude in der Katarina-Kemmler-Straße nach Aussage eines der Inhaber so statisch geplant und ertüchtigt, dass eine Aufstockung um mindestens 1,5 Geschosse in Betonbauweise und evtl. noch mehr in Holzständerbauweise möglich ist. Die Erweiterung war also bereits mitgedacht und mitgeplant. Wenn diese Information zutrifft, dann ist nicht einsichtig, dass die Stadt nochmals wertvollen Boden hergibt.
Weiterhin lohnt sich die Frage, an wen denn die Stadt das Grundstück hergäbe: An die Tierärzte IVC Evidensia GmbH (die neuen Betreiber und derzeitigen Mieter der Tierklinik) oder die Tierklinik Hofheim Immobilien GmbH (die alten Eigentümer, denen wohl das Gebäude der Tierklinik noch gehört).
Ein Kompliment an die Stadtverordnete Lindenthal, dass sie Herrn Vogt auf die Schliche gekommen ist!
Seit 1979 bin ich ein- bis drei mal per anno “Kunde” in der Hofheimer Zulassung. Ich hatte die Tage in Hofheim einen Zusatzeintrag in die “Zulassungsbescheinigung Teil I” meines Autos machen lassen müssen.
Termidauer: sage-und-schreibe DREIEINHALB Wochen !
Während der Bearbeitung, der ich beiwohnen durfte, fragte ich die Mitarbeiterin, warum denn diese Termine bei der Zulassung – seit Corona – immer so lange dauern. Antwort: “…wir haben einfach zu wenig Mitarbeiter, was besonders schlimm ist, wenn sich jemand krank meldet!”
Darum denke ich aus meinen langjährigen Erfahrungen als “Bittsteller” dort, daß kein Neunbau an den unverständlich langen Terminen was ändern wird. Es hat sicherlich viel mehr mit der Mitarbeiterführung, der Gesamt-Organisation und dem Desinteresse, die Arbeiten in der Zulassung zu beschleunigen, zu tun…
(Einzige Änderung dort ist, daß alle Mitarbeiter jetzt dort freundlich zur Kundschaft sind)
Aus dem Artikel:
“Bekanntlich platzt die Zulassungsstelle, die sich heute an der Ecke Niederhofheimer Straße/In den Nassen befindet, aus allen Nähten.”
Grundsätzlich sollte man da ja die Planung für einen Neubau/Vergrößerung befürworten und der Stadt hier im Vorfeld kein Desinteresse an einer Verbesserung unterstellen.
Ich verstehe das mit dem Haushalt nicht so ganz. Erst auf Rückfrage wurden die Positionen erklärt. Es stand da also nichts. Wenn da nix steht, wird man das dort nicht Stehende auch mit der besten Suchfunktion nicht finden können. Oder irre ich mich?
Hofheims Haushaltsplan umfasst 700 Seiten: Wer darin etwas sucht (zum Beispiel die Kosten für den Ausbau einer Straße) wird die Information natürlich finden – wenn er Seite für Seite durchliest. Wer’s einfacher haben will, lädt sich den Haushaltsplan als PDF auf den Computer: Denn ein PDF lässt sich mit der Suchfunktion schnell und einfach nach bestimmten Begriffen durchsuchen, normalerweise jedenfalls…
Das PDF vom Hofheimer Haushaltsplan weist, nutzt man die Suchfunktion, oftmals fehlerhaft kein Ergebnis aus. Mögliche Erklärung: Die Suchfunktion überspringt viele Seiten, weil diese bei der Umwandlung eines Word-Dokuments nicht korrekt formatiert wurden. Auf solchen Seiten steht zum Beispiel, dass die Tierklinik erweitern will oder dass eine neue Zulassungsstelle gebaut werden soll. Davon war bisher noch nie die Rede, das wurde auch bei der Vorstellung des Haushaltsplanes nicht gesagt. Die Position wurde von einer Stadtverordneten beim Durcharbeiten des Haushaltsplans entdeckt, vermutlich zufällig. Erst auf Rückfrage wurde sie erklärt.
Die Zulassungsstelle wird vom Kreis betrieben, nicht von der Stadt. Da der Kreis allerdings die Digitalisierung fördern will, fragt sich schon, weshalb er mehr Platz für die Zulassungsstelle braucht. Künftig sollen ja auch hier Kfz-Zulassungen digital, also ohne Vorfahrt, möglich sein. Das wir in den Kreisgremien zu hinterfragen sein.
Hallo Frau Grassel,
vielen Dank für die Information zu den Zuständigkeiten Stadt/Kreis. Ganz klar müssen Neubauten oder eine geänderte Ausrichtung auch in den zuständigen Gremien diskutiert und beschlossen werden. Welche Alternativen wurden bisher von der Opposition zum Thema Zulassungsstelle angeboten? Digital wäre mir da zu dünn.