Über Schludrigkeiten und Schlampereien im Hofheimer Rathaus hat der Hofheim/Kriftel-Newsletter schon wiederholt berichtet (hier, hier, hier und hier). Heute ist über einen weiteren Fall zu schreiben, der die Konnivenz aufs Äußerste strapaziert: Auf der Webseite der Stadt Hofheim wird der neue Ausländerbeirat in nahezu sträflicher Weise missachtet. Wenn das Gremium dort überhaupt Erwähnung findet, dann auch noch fehlerhaft und falsch.
Ein weiterer Fall von Dilettantismus? Eigentlich unvorstellbar, dass so etwas heutzutage in einer Stadtverwaltung möglich ist! Dann bliebe als Erklärung aber nur: vorsätzliche Diskriminierung. Auch unvorstellbar?
Die Faktenlage ist erdrückend.
Um die Vorgänge richtig einordnen zu können, müssen wir kurz zurückblenden: Im März letzten Jahres fanden neben den Kommunalwahlen auch die Wahlen der Ausländerbeiräte statt. Es handelt sich um demokratische Vertretungsorgane, die sich der Interessen der ausländischen Bevölkerung annehmen sollen. Die Beiräte sollen für die Integration und Gleichstellung zwischen ausländischen und deutschen Bürgern auf kommunaler Ebene eintreten.
Die Beteiligung in Hofheim an diesen Wahlen ist sehr mies. Im März letzten Jahres kam man gerade mal auf 12 Prozent. In Kriftel dagegen lag die Wahlbeteiligung bei immerhin 18 Prozent.
Einige Monate zuvor hatten die Grünen und auch die Linken im Hofheimer Stadtparlament darum gebeten, den Ausländerbeirat zu stärken. Es war im Juni 2020: Man solle dem Gremium für seine Arbeit danken, forderten die Linken, und außerdem solle sich der Magistrat in anderen Orten – zum Beispiel in Kriftel – erkundigen, warum die Wahlergebnisse dort so viel besser seien.
Damals regierte in der Kreisstadt eine Koalition aus CDU, SPD, FWG und FDP (die SPD stieg nach den Wahlen aus und ging in die Opposition). Dass mit dem Dank aussprechen wurde ja noch akzeptiert: Ein Satz im Protokoll der Sitzung („Die Stadtverordnetenversammlung dankt dem Hofheimer Ausländerbeirat für seine engagierte Arbeit.“) – das war’s. Schnell erledigt.
Aber der zweite Wunsch: Daran zeigte Hofheims große Koalition überhaupt kein Interesse. Im Protokoll findet sich die Information, dass auf Antrag von CDU-Fraktionschef Alexander Kurz über diesen Punkt gesondert abgestimmt werden sollte. Damit war das Ergebnis vorhersehbar: 12 dafür, 22 dagegen – weitergehende Bemühungen, den Ausländerbeirat zu stärken, wurden mehrheitlich abgelehnt.
Das Botschaft, die von dieser Entscheidung ausging, war ebenso unmissverständlich wie verheerend: In der Kreisstadt wird eine Interessenvertretung ausländischer Mitbürger vielleicht geduldet – mehr aber auch nicht. Tatkräftige Unterstützung: nein danke, nicht in Hofheim!
Diese Einstellung einiger Politiker und der Stadtverwaltung manifestierte sich im Vorfeld der Wahlen derart deutlich, dass selbst die Lokalzeitung aufbegehrte:
Die Stadt unternehme nichts, um die Wahlen überhaupt bekannt zu machen, monierte das Kreisblatt. „Es gibt keine Pressemitteilungen dazu, keinen Hinweis auf der Internetseite, keine Meldung in den sozialen Netzwerken.“ Nicht einmal ein Kandidaten-Faltblatt sei erstellt worden. Die Zeitung: Die Wahlen zum Ausländerbeirat seien in Hofheim auch deshalb geheim, weil kaum jemand davon wisse.
Soweit der Rückblick.
„Bürgerinformationssystem“ kennt keinen Ausländerbeirat
Und jetzt rufen wir am Bildschirm die Webseite der Stadt Hofheim auf und suchen nach Informationen über die Arbeit des Ausländerbeirats. Die müssten sich eigentlich im sogenannten „Bürgerinformationssystem“ (auch „Ratsinformationssystem“ genannt) finden lassen, weil dort üblicherweise alle Informationen über die kommunalpolitische Arbeit in der Stadt archiviert werden und für alle Bürger abrufbar sein sollten.
Wir finden dort: die Namen aller Stadtverordneten Hofheims, dazu die Namen aller Mitglieder aller Ausschüsse und aller Ortsbeiräte sowie aller Fraktionen. Sogar die Mitglieder ehemaliger Akteneinsichtsausschüsse („Hochspannungsleitungen“ und „Rosenberg“) werden aufgeführt, obwohl deren Arbeit längst abgeschlossen ist.
Hinweise auf einen Ausländerbeirat aber suchen wir vergeblich. Ein solches Gremium scheint in Hofheim nicht zu existieren: Es wird im Bürgerinformationssystem namentlich nicht aufgeführt.
Nur ein Versehen?
Wir suchen weiter auf der städtischen Webseite. Wir entdecken eine Unterseite namens „Beiräte”. Drei solcher Gremien gibt es demnach in Hofheim, im Vorspann werden sie genannt, auch in der Seitenleiste: Inklusionsbeirat, Seniorenbeirat und Ausländerbeirat. Im Zentrum der Seite werden aber nur der Inklusionsbeirat und der Seniorenbeirat extra hervorgehoben.
Der Ausländerbeirat wird nicht weiter erwähnt.
Nur eine grobe Nachlässigkeit?
Wir finden auf der Hofheim-Homepage auch eine Unterseite „Wahlen“. Genannt werden dort die Ergebnisse der Bundestagswahl und der Kommunalwahlen, der Seniorenbeiratswahl und der Inklusionsbeiratswahl.
Das Ergebnis der Ausländerbeiratswahl fehlt.
Warum wird diese Information unterschlagen??
Es gibt eine weitere Unterseite, die mit „Vorsitzender Ausländerbeirat“ betitelt ist. Namentlich genannt wird Herr Haluk Kaya. Der hatte das Amt tatsächlich mal inne – bis vor gut einem Jahr. Seit der konstituierenden Sitzung im April wird das Gremium geleitet von Veysi Mardin.
Warum wird Mardins Name nicht genannt? Wirklich nur Schlamperei und Schludrigkeit?
Schwierige Suche nach Terminen des Ausländerbeirats
Und so geht es weiter. Der Ausländerbeirat scheint bei den Verantwortlichen der städtischen Webseite – das ist der Magistrat, letztendlich natürlich Bürgermeister Christian Vogt (CDU) – nicht sonderlich hoch in der Gunst zu stehen:
Auf der Übersichtsseite „Rathaus Online“ sind die Themen der Webseite alphabetisch aufrufbar. Unter „I“ findet sich ein Link zur Webseite des „Inklusionsbeirats”. Unter „A“ findet sich kein Hinweis auf den „Ausländerbeirat”.
Wer nach den Terminen des Gremiums sucht, muss viel Zeit und Geduld mitbringen. Üblicherweise werden im Bürgerinformationssystem alle Termine der städtischen Gremien veröffentlicht. Dann müssten dort doch eigentlich auch die Sitzungen der Beiräte angekündigt werden, oder?
Ganz kalt!
Um herauszufinden, wann der Ausländerbeirat tagt, bedarf es schon detektivischen Spürsinns: Man geht auf die Seite „Rathaus“, von dort auf die Seite „Politik“ – da findet sich ein Link zur Seite „Beiräte”.
Auf der Seite „Beiräte“ werden, siehe oben, nur der Inklusions- und der Seniorenbeirat größer vorgestellt. Der Ausländerbeirat wird klein in der Seitenleiste angezeigt. Man klickt darauf, und es öffnet sich ein Untermenü „Termine“.
Fünf Klicks sind also nötig, um die sechs Termine für das Jahr 2022 („Änderungen vorbehaltlich“) zu erfahren. Vor einer Woche standen hier noch die Sitzungstage von 2020 und 2021. Jetzt wird hier auch der 29. August 2022 aufgelistet – das ist während der Sommerferien. Kein anderes städtisches Gremium tagt in dieser Zeit. Mit dem Ausländerbeirat kann man’s wohl machen…
In Kriftel steht der Ausländerbeirat an erster Stelle
Wir hatten in diesem Blog schon einmal kritisiert, dass die Webseite www.hofheim.de ungepflegt, ja geradezu schlampig daherkommt. Damals deckten wir auf, dass sich dort eine dubiose Abzock-Firma präsentierte: Sie ist in Ostdeutschland ansässig, die angegebene Hofheim-Adresse war erfunden. Nach unserem Bericht wurde die Webseite umgestaltet. Unter anderem wurde ein Foto von Christian Vogt ganz oben auf die erste Seite gesetzt.
Eine offensive Zuschaustellung des Bürgermeisters ist sicher wichtig. Aber warum sorgt er nicht dafür, dass auch der Ausländerbeirat eine angemessene Darstellung findet?
So stellen sich Fragen: Können derart viele Fehler auf der Hofheim-Webseite zu einem politisch sensiblen Thema wirklich noch mit Schlamperei zu erklären sein? Oder wirken im Hintergrund der Stadtverwaltung Kräfte, die zu verhindern versuchen, dass der Ausländerbeirat seine Aufgaben kraft- und wirkungsvoll vertreten kann?
In Kriftel beispielsweise genießt die Interessenvertretung der ausländischen Mitbürger ein gänzlich anderes Ansehen. Auf der Webseite der Gemeinde werden im Bürgerinformationssystem alle kommunalen Gremien alphabetisch aufgeführt: Damit steht der Ausländerbeirat dort gleich an erster Stelle.
Die Krifteler Verwaltung sorgt auch dafür, dass jede Sitzung des Gremiums als Termin im Internet-Sitzungskalender angekündigt wird. Und von jeder Sitzung wird ein Protokoll angefertigt, das ebenfalls im Bürgerinformationssystem hinterlegt wird.
Im Hofheimer Bürgerinformationssystem werden nicht nur die Termine des Ausländerbeirats nicht genannt. Was immer in den Sitzungen des Gremiums besprochen wird: Auf der Internetseite der Stadt Hofheim findet sich darüber kein Wort. Diese Sitzungs-Protokolle sind online nicht abrufbar.
Und wenn nun einer den Ausländerbeirat erreichen möchte? Das ist schwierig: Auf der Webseite der Stadt Hofheim sind keine Kontaktdaten hinterlegt. Warum eigentlich nicht?
Natürlich kann man alternativ – wenn man’s denn weiß – die Webseite des Landesausländerbeirats aufrufen: Da sind alle Ausländerbeiräte in Hessen aufgelistet. Hier wird auch Hofheim genannt, und es ist sogar eine E-Mail-Adresse hinterlegt. Allerdings lautet sie: haluk-kaya@hotmail.de – genannt wird die private E-Mailadresse des Mannes, der längst nicht mehr Ansprechpartner ist.
Dass der Beiratsvorsitzende keine E-Mailadresse mit der Endung hofheim.de bekommen hat, verrät den Grad der Wertschätzung, die diesem Amt in Hofheim zuteil wird. Die Stadtverwaltung macht offenbar Unterschiede: Selbst der Nahmobilitätsbeigeordnete, dessen Wirken über das Führen des Titels kaum erkennbar ist, wird höher eingestuft: Er ist über eine hofheim.de-E-Mailadresse erreichbar.
Der Vorsitzende des Landesausländerbeirats, Enis Gülegen, beklagte einmal öffentlich: „Die Ausländerbeiräte führen in vielen Kommunen noch immer ein Schattendasein. Ihre Arbeit wird oft nur in Sonntagsreden gewürdigt, integrationspolitische Entscheidungen gerne an ihnen vorbeigetroffen.“
Die Stadt Hofheim steht als beschämender Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage.
Der Ausländerbeirat oder die Internetseite Hofheims sind nun wirklich das zentrale Problem unserer Heimatstadt. Recherchieren bzw. kritisieren Sie vielmehr die Verwahrlosung, den Müll, die miserable Infrastruktur oder die seit einigen Jahren ausufernde Bebauung Hofheims. Zudem, die ‚Ausländer‘, die ich kenne (Mitarbeiter bei P&G, Sanofi, PwC, Deutsche Bank etc.) erfahren ausreichend Unterstützung durch ihre jeweiligen Arbeitgeber. Die benötigen derartige Beiräte nicht.
Falls meine Hoffnung trügt und diese Zuschrift von Moh. Suzul kein Scherz, sondern wirklich ernst gemeint ist:
Dieser Kommentar zeigt, wie unterschiedlich wir Menschen und unsere Erfahrungen sind: Die ‚Ausländer‘, die ich kenne, sind fast alle keine „Mitarbeiter bei P&G, Sanofi, PwC, Deutsche Bank etc.“ Viele arbeiten als Bedienung, Kassiererin oder Putzfrau, als Arbeiter, Wachmann oder Fahrer. Sie erfahren auch keinerlei „Unterstützung durch ihre jeweiligen Arbeitgeber“. Diese sind ausschließlich daran interessiert, dass sie ihre Arbeit erledigen und dabei möglichst wenig Lohnkosten verursachen. Und dabei geht es ihnen genau so wie ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen.
In einem Punkt muss man Herrn Suzul zustimmen: Eigentlich benötigen wir derartige kommunale Ausländerbeiräte nicht. Denn die Interessen der „Ausländer“ unterscheiden sich in nichts von denen der „Inländer“: Bezahlbare Mieten, ausreichende Kinderbetreuung, gute Schulen, verlässlicher ÖPNV…
Solche Ausländerbeiräte wären völlig überflüssig, wenn es ein Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer gäbe. Das sollte das politische Ziel sein: Jede Hofheimerin und jeder Hofheimer könnte dann das Hofheimer Stadtparlament wählen, ganz egal, welcher Nationalität. Doch bis dieses Ziel endlich erreicht ist, sind Ausländerbeiräte ein wichtiges Instrument der Interessenvertretung, wobei es gerade in der Kommunalpolitik kaum Themen gibt, die nicht Deutsche und Ausländer gleichermaßen betreffen.
Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal den Ausländerbeirat gewählt. Es schien mir jahrelang nicht wichtig, jedoch war ich plötzlich sehr darüber verärgert, dass ich in Deutschland alles machen kann und darf, außer mich an politischen Entscheidungen zu beteiligen (war bestimmt der Trump-Effekt – den dürfte ich mindestens mit-abwählen).
Es war tatsächlich eine Herausforderung zu wählen. Die Unterlagen kommen gut an, aber es gibt praktisch keine Informationen zu den Kandidaten. Ich musste sie über sozialen Medien einzeln suchen, um mir – da wo es überhaupt möglich war – ein Bild über den Menschen zu machen. Ohne Kurzprofile oder weitere Informationen, war es gar nicht klar, was die einzelne Kandidaten in diesem Gremium bewegen wollten. Ich musste meine Entscheidungen anhand von unwichtigen Faktoren wie Geschlecht, Alter oder Beruf machen, was völlig sinnlos ist.
Vielleicht trägt dieser Artikel dazu bei, dass es bei der nächsten Wahl besser wird.
Guten Tag,
mein Name ist Haluk Kaya. Ich bin seit dem 13. Juni Vorsitzender des Ausländerbeirats (Migrationsbeirat) der Kreisstadt Hofheim.
Der Ausländerbeirat der Kreisstadt Hofheim ist die demokratisch gewählte Vertretung der ausländischen Bevölkerung in unserer Stadt. Seine gesetzliche Grundlage ist die Hessische Gemeindeordnung (HGO). Die Hauptaufgabe der Ausländerbeiräte ist die – politische – Interessenvertretung der ausländischen Einwohner*innen in Ihrer Kommune. Und er berät die Organe der Gemeinde in allen Angelegenheiten, die ausländische Einwohner*innen betreffen. Der Ausländerbeirat setzt sich für die Anliegen der Migrantinnen und Migranten ein. Das gesetzlich garantierte Antrags- und Mitspracherecht hilft ihm dabei.
Die Ausländerbeiräte leisten seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur kommunalen Integrationspolitik. Sie ermöglichen politische Teilhabe über das Wahlrecht hinaus, sie bringen Anregungen in die Kommunalpolitik ein. Sie setzen sich nachdrücklich für die Verbesserung der Lebenslagen von Migrantinnen und Migranten ein. Sie nehmen Partei gegen Rassismus und Diskriminierung!
Der Ausländerbeirat ist mit Rechten und Befugnissen ausgestattet. Diese Mitwirkungsrechte sind in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) § 88 verbindlich geregelt. So ist sichergestellt, dass der Ausländerbeirat über alle Angelegenheiten informiert wird, die Ausländer*innen betreffen. Er hat in allen für ausländische Einwohner*innen wichtigen Fragen ein Antrags-, Anhörungs- und Vorschlagsrecht (§ 88 HGO). Darüber hinaus verfügen viele Ausländerbeiräte auch über ein Rederecht in der Gemeindevertretung.
Für Ihre Fragen, Anregungen, Vorschläge und Zusammenarbeit steht der Ausländerbeirat gerne zur Verfügung.
Beste Grüße